Den ersten Stein gemeinsam werfen

Landwirtschaft

Grüne Woche mit viel Gesprächsstoff

Jahrelang hat der Deutsche Bauernverband geklagt, dass die Nichtregierungsorganisationen rechtzeitig vor der Grünen Woche mit einem Skandal eine neue Sau durch das Dorf treiben. Im letzten Jahr war es die „Gleichschaltung der Sauen“ [1]. In diesem Jahr startete eine neue Kampagnen-Gruppe und machte mit dem Thema Gülle den Aufschlag – noch vor dem etablierten BUND [2].

Doch in diesem Jahr lautet das Motto: Wer wirft den ersten Stein? Die „Etablierten“ haben in diesem Jahr gemeinsam Steine geworfen und sorgen selbst für eine ganze Menge Gesprächsstoff.

So wird der Bauernverband seine disparitätische Informationspolitik erklären müssen, warum er zwar „Die Zeit“ wegen ihres Antibiotika-Artikels mit einer breiten Gegenöffentlichkeit überzieht, aber wenige Wochen später auch auf schriftliche Nachfragen zur Causa Straathof in eisernes Schweigen verfällt [3].

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt stolpert in das neue Jahr. Seine Neujahrsrakete lautete: „Wenn wir die Chancen eines freien Handels mit dem riesigen amerikanischen Markt nutzen wollen, können wir nicht mehr jede Wurst und jeden Käse als Spezialität schützen“, sagte Schmidt dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“. Noch vor den üblichen Verdächtigen aus der grünen Ecke fuhr die Lebensmittelindustrie ihre Stacheln aus: „Wir wollen keine Original Nürnberger Rostbratwürstchen aus Kentucky“, konterte Christoph Minhoff vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) in der „Bild“. Das Ministerium sah sich gar genötigt, am Montag eine Sprechererklärung abzugeben: „Es geht dem Minister nicht darum, bestehende Kennzeichnungsregeln abzuschaffen oder zu „opfern“. Als bekennender Regionalist setzt sich Bundesminister Schmidt dafür ein, dass die bestehenden Label und Kennzeichen verlässlich und verständlich sind. Der Minister setzt sich dafür ein, dass es weder Parma-Schinken aus den USA gibt, noch Feta-Käse aus Dänemark.“

Auch die Biobranche sorgt für Schlagzeilen: Während die Erzeugergemeinschaft Fürstenhof auf ihrer Internetseite in Unschuld badet und sich als Opfer von importierten Öko-Futtermitteln mit überhöhten Rückständen von Pflanzenschutzmitteln erklärt, hat der dazugehörende Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus (SPD) bis diesen Montag wegen „Grenzwertverletzungen bei Futtermitteln“ seit Oktober 22 Bio-Betriebe geschlossen: „Der ökologische Landbau erleidet damit einen erneuten Rückschlag im Kampf um das Vertrauen der Verbraucher.“ Funktioniert Bio doch nur im kleinen Maßstab?

Die „Gülle-Aktion“ vor dem Berliner Landwirtschaftsministerium geriet ganz in den Hintergrund. Gerade jetzt sollten die Verbraucher die Gelegenheit nutzen, zur Grünen Woche zu gehen. Da sind alle Steinewerfer vor Ort und können einmal erklären, warum denn ausgerechnet sie „die besseren“ sein wollen.

Lesestoff.

[1] Hormonelle Brunstsynchronisation

[2] Güllehahn der Tierfabriken

[3] Bei Straathof verstummt die Kommunikation

Roland Krieg

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