Den Ökolandbau nach vorne bringen
Landwirtschaft
Forschung für das System Ökolandbau
Kein anderes Bewirtschaftungssystem in der Landwirtschaft ist bei Verbrauchern so beliebt wie der Ökolandbau. Dennoch liegt der Marktanteil von Ökoprodukten noch immer im Nischenbereich. In Mecklenburg-Vorpommern ist im letzten Jahr die Fläche des Ökolandbaus sogar um 6.000 Hektar gefallen, weil die verarbeitende Industrie auf preiswerte Bio-Importalternativen zurückgreift. Die Erträge in der Biolandwirtschaft sind niedriger als bei den konventionellen Kollegen, weswegen der Ökolandbau für die gleiche Ertragsmenge einen höheren Flächenverbrauch, bei geringeren Inputkosten und zusätzlichen Leistungen wie Biodiversität und Bodenschutz. Übrigens: Muss die Ökolandbauforschung am Feldrand aufhören?
Wo viele Fragen auftauchen ist die Forschung nicht weit. Für Thomas Dosch aus dem Niedersächsischen Landwirtschaftsministerium ist das Thema Ökolandbau in der Forschung bereits gut angekommen. Der Ausstoß an Forschungspapieren ist groß, aber läge eine Bündelung und systematische Forschung dem Geist des systemaren Ökolandbaus nicht näher?
Vor mehr als einem Jahr haben sich Akteure der Branche und Wissenschaftler gefragt, ob der Ökolandbau nicht ein gesondertes Forum braucht, „weil „Wachstum um jeden Preis“ diesem nicht gerecht werde. Seitdem hat eine Impulsgruppe unter dem Dach der Deutschen Agrarforschungsallianz (DAFA) über Befragungen und ersten Veranstaltungen Ideen und Forderungen zur Ausrichtung einer Strategie für die „Zukunft des Systems Ökolandbau“ zusammengetragen.
In der letzten Woche führte das Fachforum in Berlin ihre zweite Arbeitsveranstaltung durch.
Vom Ringelschwanz und Nährstoffkreislauf …
In Niedersachsen wird der Ökolandbau als Instrument für Verbesserungen vieler Systemfragen wie Tierwohl oder gestörte Nährstoffkreisläufe angesehen, sagte Dosch zu Tagungsbeginn. Der Ökolandbau besteche durch systemare Ansätze, bei der einzelne Forschungsantworten nur Details verbessern würden. Daher müssen die vier vorliegenden Aktionsfelder mit mehr Inhalten unterfüttert werden. Am Ende könnte von den Ergebnissen auch der konventionelle Landbau profitieren.
… bis zum Verarbeiter und Konsumenten
Der Ökolandbau lebt die Beziehungen innerhalb der Wertschöpfungskette besonders intensiv. Susanne Horn, Geschäftsführerin der Oberpfälzer Lammsbräu Brauerei, forderte die Einbeziehung der Verarbeitung in die Forschung. Der Systemansatz der Bewirtschaftung geht über die Verarbeitung sogar bis zum Handel weiter. Doch auch hier gebe es noch Fragen zu klären: „Was ist Bio in der Verarbeitung?“. Während die Akteure die Antworten leben, sind sie den Verbrauchern schwer zu erklären.
Für Horn ist das ein Manko, warum „Bio“ Marktanteile an das Segment „Regionalität“ oder an eine „vegane Landwirtschaft“ verliere. Die Forschung haben die Bundesländer kaum im Blick, wenn sie Programme zur Stärkung des Biosektors auflegen.
Neu auf dem Forschungsradar ist der große Bogen von der Landschaft zur Ernährung. „We eat the landsape“, fasst Impulsgeber Urs Niggli vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in der Schweiz zusammen. Johannes Kahl von der Copenhagen University weiß aber von der schweren Aufgabe hinter dem fokussierten Satz. Es geht um nichts weniger als nachhaltige Erzeugung und nachhaltigen Konsum über eine ökologische Ernährung zu verbinden. Kahl hat gerade ein fünfjähriges „organis diet concept“ aufgelegt, das im Oktober in Berlin seinen „Kick off“ hat.
Forschung konkret
Bei der Forschungsstrategie geht es nicht um die Überlebensfähigkeit des Boden verbessernden Regenwurms bei einer Kupferbehandlung gegen Mehltau. Es geht nicht um die Basis einer ökologischen Getreidesorte oder einer eigenständigen Schweinerasse – es geht um den systemaren Ansatz des Ökogedankens und dessen Übertragung in die Forschung. Daher bestehen die vier Aktionsfelder nicht aus einer Ansammlung von Forschungsideen. Sie bestehen aus Aktionsfeldern, in denen der Regenwurm, die Getreidesorte und das Ökoschwein als Teil des Ganzen enthalten sind.
Das erste Aktionsfeld besteht aus der Aufgabe einer Steigerung der Pflanzenerträge, wo die Sortenwahl neben einer Ertragssteigerung beispielsweise auch den Hochwasserschutz verbessern soll. Möglichst viele Effekte sollen bei einer Forschung berücksichtigt werden. Die Suche nach dem Zweinutzungshuhn kommt demnach nicht ohne eine Betrachtung der nachhaltigen Futterquellen und des Stallmanagements aus. In dem zweigeteilten Aktionsfeld werde sich die Grundlagenforschung zur Verbesserung des Produktes mit Verarbeitungs- und Verpackungsfragen beschäftigen: Wo hört „Bio“ eigentlich auf?
Vertrauen der Kunden ist ein Fundament der ökologischen Wirtschaft. Die Herausforderungen steigen mit der Länge der Wertschöpfungskette. Den Kunden müssen nachhaltige Zitronen aus Sizilien erklärt werden, weil es das Produkt von alleine nicht schafft. Die Forschung, die nicht nur hier in den sozioökonomischen Bereich hineingerät, wird sich auch mit der Frage der Produktionsgröße beschäftigen müssen. Wachsen wollen und müssen die Betriebe, aber nicht in die anonyme Größe hinein.
Das Aktionsfeld drei nimmt den Ansatz von Johannes Kahl auf und Aktionsfeld vier bildet den Querschnitt zu genereller Innovationskultur, Forschungsrahmenbedingungen sowie Umsetzung der Forschungsergebnisse ab.
Die nächsten Schritte
Nach zwei weiteren „Feedback-Runden“ soll Ende dieses Jahres eine Beschlussvorlage für die DFA vorliegen. Heute darf die Politik im Bundeslandwirtschaftsministerium sich mit der unabhängigen Forschung beschäftigen.
Lesestoff:
Roland Krieg