Der Baum der twittert
Landwirtschaft
Der vernetzte Baum
Eine 150 Jahre alte Eiche in Erlangen hat eine „Stimme“ bekommen: Sie wurde mit modernsten Messgeräten ausgestattet, die über ihr Dasein berichten – und gleichzeitig Daten für das Forschungsprojekt „Bäume im Klimawandel“ liefern. Der „Talking Tree“ ist eine Zusammenarbeit des Instituts für Geografie und des Botanischen Gartens der Friedrich- Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) mit der Zeitschrift „Spektrum der Wissenschaft“ und wird von Siemens gesponsert.
Ökologie, Wissenschaft und neue Medien
Herzstück des „twitternden Baums“ ist die sogenannte
Black Box – quasi der Flugschreiber der Eiche. Sie fasst die von den Geräten
aufgezeichneten Umwelteinflüsse zusammen und übermittelt sie an eine zentrale Rechnereinheit.
Die Daten stammen unter anderem von einer Wetterstation, die ebenfalls an der
Eiche angebracht wurde. Diese misst die Windgeschwindigkeit, Temperatur und
Regenmengen am Standort. Wie der Baum darauf reagiert, überwachen zwei weitere,
technisch ausgefeilte Sensoren. Ein Saftflussmesser registriert kontinuierlich,
wie viel Wasser die Eiche im Boden aufnimmt und zu den Blättern transportiert.
Ein Dendrometer nimmt auf, wie stark sie durch Fotosynthese im Jahresverlauf
wächst: Das Gerät zeichnet den Dickenzuwachs des Baums auf. Zudem fließen
Umweltdaten zur Feinstaub- und Ozonbelastung von einer Messstation des
Bayerischen Landesamts für Umwelt an den Zentralcomputer des Twitterbaums. Der
erfasst alle Messungen, wertet sie aus und verwandelt sie mit Hilfe einer Spezialsoftware
in kurze Textbotschaften. Die Eiche teilt dann über ihre Homepage und
Twitterseite im Internet mit, dass beispielsweise ein eisiger Wind an ihr
zerrt, die Blütezeit bevorsteht oder bodennahes Ozon ihre Blätter reizt und die
Fotosynthese beeinträchtigt. Außerdem ermöglicht die Installation einer Kamera,
dass jeder Besucher der Website beobachten kann, wie sich die Eiche im Lauf des
Jahres wandelt.
Der ganze Aufwand ist nicht nur eine Spielerei, die
Ökologie und neue Medien verknüpft: Er dient auch der Wissenschaft. Denn die
gesammelten Daten werden vom Institut für Geografie in Erlangen ausgewertet und
fließen in verschiedene Forschungsprojekte ein – etwa zum Thema „Stadtklima und
Stadtvegetation“. Prof. Dr. Achim Bräuning vom Lehrstuhl für Physische
Geographie ist zudem an einem Projekt des
bayerischen Forschungsverbunds FORKAST beteiligt, das die Auswirkungen
klimatischer Extremereignisse auf Eichen- oder Buchenwäldern an
Trockenstandorten untersucht. Die Forscher bearbeiten Fragestellungen wie: Wann
und wie wächst eigentlich ein Baum? Wie unterscheidet sich ein Baum in der
Stadt von einem im Wald? Leidet er im Sommer unter Dürre und Schadstoffen und
stellt gar teilweise sein Wachstum ein? Lassen sich hieraus Schlussfolgerungen
ableiten, wie Waldbäume künftig reagieren, wenn im Zuge des Klimawandels die
Sommer zunehmend heißer und trockener werden und somit immer mehr dem heutigen
Stadtklima ähneln? Manches davon lässt sich jetzt an der Twittereiche ablesen:
Sie dient also heute schon als Internet-Botschafter ihrer Artgenossen im Wald.
Mein Freund der Baum
„It´s Fotosynthesetime!“. Freunde teilen einem mit, wann es ihnen gut geht. Die Erlanger Eiche twittert im Internet und teilt ihren Freunden mit, wenn das Wetter wieder gute Fotosyntheseleistungen zulässt. Treue Eichenfreunde erfahren aber noch viel mehr. So ist der „Twitter“ „Warum werden Bäume rot?“ mit einem wissenschaftlichen Hintergrundartikel verbunden. Dort ist zu lesen, dass die herbstliche Rotfärbung der Blätter, für die der Baum extra den Farbstoff Anthocyan produziert, ein passiver Schutz vor Insekten sein könnte. Der rote Farbstoff übertüncht den gelben, auf den Blattläuse und andere Schadinsekten fliegen. Bäume mit roten Blättern halten so den Insektenbefall gering.
Lesestoff:
Alles über das Projekt, die Erlanger Eiche und zum sozialen Netzwerk geht es über die Internetseite www.talking-tree.de
Dr. Pascale Anja Dannenberg (FAU) / roRo, Foto: Spektrum der Wissenschaft / Richard Zinken