Der Dompteur in der Zukunftskommission Landwirtschaft

Landwirtschaft

„Die Zukunft der Landwirtschaft ist regional“

Das wichtigste Ergebnis der großen Bauerndemonstration 2019 am Brandenburger Tor war die Gründung der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL). Mehr als 40 Verbände zogen daraufhin an einen Runden Tisch, an dem sie Lösungen für die Zielkonflikte zwischen Landwirtschaft und Umwelt, öffentliche Gelder und Ökosystemleistungen, zwischen großen und kleinen Betrieben, zwischen Tierhaltung und Vegetariern und überhaupt zwischen Stadt und Land finden sollen. Ein großes und wahrlich nicht neues Unterfangen, dem Dr. Peter Strohschneider als Vorsitzender die Leitung, Koordinierung, und, wie er am Dienstag sagte, die Aufgabe des „Dompteurs“ zukam [1].

Die Sitzungen sind vertraulich, die Öffentlichkeitsarbeit von Strohschneider zögerlich, doch am Dienstag gab es einen ausgewählten Einblick in eine Sitzung mit anschließender Journalistenrunde. Das Interesse an der Sitzung war mit knapp 1.300 Beteiligten groß. Noch vor der Sommerpause soll der Abschlussbericht nach nur einem Jahr vorliegen. Vorsorglich räumte Strohschneider ein: „Kommissionen haben keine Wirksamkeitsgarantie.“ Daher sind die Sitzungen von ständigen Zweifeln begleitet, ob es eine Quatschbude wird oder konkrete Zielvorgaben gibt.

Was darf man erwarten?

Der gesellschaftliche Konflikt an sich ist nach Strohschneider nichts Verwerfliches, sondern ein Ausdruck einer Entwicklung, bei der die ZKL ansetze. Lösungen seien nur mit der Gemeinsamkeit der Beteiligten zu finden. Sie lösen aber Zielkonflikte nicht auf. „Das ist nicht unsere Aufgabe“, erklärte Strohschneider. Am Ende werden Entwicklungspfade mit Zeitvorgaben formuliert, die politischen und ökonomischen Aktivitäten einen Handlungsraum aufzeichnen. Strohschneider bekannte, dass er in den letzten Wochen gegenüber den Anfängen der ZKL optimistischer geworden sei.

Die junge Generation

Kathrin Muus vom Bund der deutschen Landjugend und Myriam Rapior von der BUND-Jugend haben sich bereits auf vier Zukunftsbilder geeinigt und zeigten auf, was von der ZKL insgesamt zu erwarten ist. Die Positionen liegen nach Rapior gar nicht so weit auseinander. Die Landwirte müssen die ökologische Verantwortung übernehmen und selbstständig mit landwirtschaftlicher Vielfalt und gesellschaftlicher Akzeptanz weiterarbeiten können. Das müsse zweitens ausreichend honoriert werden, was drittens über einem fairen Markt in einer Wertschöpfungskette mit regionalem Schwerpunkt  entlohnt werden müsse. Das Tierwohl wurde als Spezialthema als Viertes aufgeführt: „Die landwirtschaftlichen Nutztiere müssen mit hohen Standards über den ländlichen Raum verteilt gehalten werden“, sagte Muus. Auch: Mehr Details würden den Prozess blockieren. Voraussetzung sei eine hohe Kompromissbereitschaft aller Akteure, ergänzte Rapior. Fest stehe: „Die Zukunft der Landwirtschaft ist regionale!“.

Themen wie die Digitalisierung werden in den nächsten Monaten noch bearbeitet. Noch keine Kompromisse gebe es für die Themen Reduktion von Tierbeständen, dem Einsatz von Pflanzenschutzmittel und Dünger.

Aufgewärmtes

Das klingt nicht wirklich neu und findet sich im Detail oder ähnlich in zahlreichen Vorläufern der ZKL. Vor zehn Jahren hat der Deutsche Bauernverband sein Leitbild entwickelt und die Landesverbände sind nachgezogen. Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat mit der Stadt-Land-Kommission und öffentlicher Beteiligung ähnliches gemacht, was derzeit einige Bundesländer mit Leitbildern für die Landwirtschaft umsetzen. Sichtbare Ergebnisse sind bis heute rar und bleiben hart diskutiert.

Auch die Arbeitsgemeinschaft Zukunft als eine von fünf AGen in der ZKL kommt ohne Wiederholungen nicht aus: Als Umfeldszenarien für die Landwirtschaft wird ein Internationales Marktumfeld mit reduzierten staatlichen Eingriffen angenommen. Alternativ ein gemeinsames Europa mit hohen Standards im ökologischen Gleichgewicht oder eine „Interne Entwicklung“ mit Tierwohl, Ökologie, Förderung, Umwelt- und Klimapolitik, Ökonomie der Wertschöpfungsketten sowie die Umsetzung innovativer Verfahren und Produkte wie pflanzenbasierte Fleischersatzprodukte. Gemeinsam ist Allem die Nachhaltigkeit, erklärte Björn Moller vom Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung (ISI). Und, wie es die Vorsitzende der Landfrauen, Petra Bentkämper formulierte: „Die Landwirte brauchen ein Auskommen mit ihrem Einkommen.“

Wozu die ZKL?

Worüber soll die ZKL auch diskutieren? Sie kann ja nicht als Selbstzweck neue Probleme erfinden. Die Werte der ZKL liegen in der Zukunft und konkreter Verantwortungsausrichtung. Die Politik müsse Lösungen finden, wie die resiliente Intensität in der Landwirtschaft hinzubekommen sei, erläuterte Strohschneider. Der Lebensmitteleinzelhandel müsse neben dem Mengen- auf den Wettbewerb um die Prozessqualität aufnehmen. Am Ende müssen, wie in allen Bereichen, die negativen Kosteneffekte zu einem wahren Preisetikett führen.

Dazu könnte Brüssel bereits die aktuelle Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nutzen, forderte BUND-Vorsitzender Olaf Bandt. Die Borchert-Gelder könnten als Abgabe oder Steuer umgesetzt werden. Schwieriger werde es nach Bandt mit dem fairen Preis für jeden Hof, ob klein oder groß.

Ökonom Achim Spiller von der Universität Göttingen geht ans Eingemachte. Die Rolle der Landwirtschaft im ländlichen Raum ist heute trotz sichtbarer Felder und Wälder längst nicht mehr so groß wie vor einigen Jahrzehnten. Spiller spricht von Anerkennungsverlusten, die Landwirte plagen und dass entgegen der in der Öffentlichkeit wahrgenommenen und vertretenen Meinung, ein Zusammenhang zwischen Betriebsgröße und Nachhaltigkeit kaum vorhanden ist. Allerdings sind Weidehaltungssysteme nach Elisabeth Fresen von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) eher auf kleineren Betrieben umsetzbar. Eine Lücke hat Ute Volquardsen vom Verband der Landwirtschaftskammern ausgemacht: Die Beratung für Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen müsse ausgebaut werden.

Für die Finanzierung reichen die öffentlichen Gelder allein nicht aus, sagte Dirk Andresen von „Land schafft Verbindung“ (LsV). Verordnungen und Gesetze reichten nicht. Zur Vermeidung von Leakage-Effekten müssten andere Finanzquellen erschlossen werden.

Thomas Schröder vom Deutschen Tierschutzbund kritisiert die Kurzfristigkeit von Gesetzen, die schnelle Lösungen versprechen, aber oft genug durch gesellschaftlichen Druck oder Juristen wieder gekippt würden. Beispiel Kükentöten. Das Ende des Tötens männlicher Eintagsküken sei nur eine Reparatur, weil die Legehennen weiterhin im gleichen Hochleistungssystem gehalten werden. Für eine umfassende Lösung müsste die Politik beispielsweise auf das Zweinutzungshuhn setzen.

Zum systemischen Ansatz gehört auch der Verbraucher, der in seiner Vielfalt verschiedene Kaufentscheidungen treffe. Es sei illusorisch, dass 80 Millionen Deutsche gemeinsam ihre Entscheidungen auf Nachhaltigkeit umstellen, räumte Christoph Heinrich vom WWF ein. Der Handel müsse die Transformation mit Geschichten und Transparenz begleiten.

Was allerdings nach Miriam Schneider vom Bundesverband des deutschen Lebensmittelhandels alles andere als einfach ist. Die Rohstoffe der Landwirte gehen nicht nur in den Handel, sie gehen in den Export. Aktuell sind Absatzkanäle wie die Gastronomie gekappt, die Afrikanische Schweinepest verhindert den Export von Schweinefleisch. Nur die „großen Vier“ des Lebensmitteleinzelhandels für die Situation verantwortlich zu machen, sei einseitig, so Schneider.

Schneiders Mix für die Transformation fasst Felix Prinz zu Löwenstein vom Bund Ökologischer Lebensmittelwirtschaft wie folgt zusammen: „Der Umgang mit öffentlichen Gütern entscheidet sich im Parlament und nicht an der Ladenkasse.“

Tunixe und Tuwasse

Die 60er Jahre haben „Tunixe“ und „Tuwasse“ unterschieden. Die einen machten sich auf den Weg, etwas zu tun, die andern moserten nur herum. So ist trotz lauter Ablehnung der aktuellen GAP-Reformvorschläge die Runde in der ZKL dennoch richtig zusammengesetzt, sagte Strohschneider zu Herd-und-Hof.de: „Es sind die richtigen Teilnehmer, wenn man die ZKL nicht als Expertenkommission, sondern als eine Art Runden Tisch versteht. Es geht nicht darum“, so Strohschneider weiter, „ die Landwirtschaft neu zu erfinden und neues Wissen zu produzieren, sondern der Erfolg besteht darin, dass sich die sehr unterschiedlichen Interessen auf die gemeinsamen Positionen, die immer Kompromisse sind, einigen. Dafür sind in der ZKL auf jeden Fall die richtigen Teilnehmer.“

Auch nach der ZKL werden die einen weiter streiten, die anderen weiter nach Lösungen suchen.

ZKL als Chance begreifen

Die große Transformation besteht nicht nur aus der Landwirtschaft. Das Ernährungssystem muss gesünder werden, die Energiewende, Mobilitätswende und Gebäudewende erfordern umdenken. Angesichts der ZKL fragt sich mancher Landwirt, warum ausgerechnet sein Berufsstand wieder einmal als Diskussionsfläche herhalten muss. „Die Landwirtschaft hat an dieser Stelle keinen Anlass, gekränkt zu reagieren, dass es eine Kommission zur landwirtschafts- und Umweltpolitik gibt.“, entgegnet Strohschneider Herd-und-Hof.de. Es gab auch die Kohlekommission und in den anderen Sektoren suchen die Akteure nach Lösungen. „Ich glaube“, fährt Strohschneider fort, „dass die organisierten Vertreter der Landwirtschaft gut beraten wären, in der ZKL ein Instrument, ein Mittel, eine Chance sehen, ihre eigenen Interessen in diesem gewaltigen Transformationsprozess der Gesellschaft in einer mit Gewicht ausgestatteten Weise zur Geltung zu bringen.“

Die Landwirtschaft wieder einmal als Vorreiter. Und Strohschneider hatte noch mehr: „Die Kumulation des Transformationsbedarfes bei Energie, Wohnen, Mobilität, Ernährung und bei der Landwirtschaft, mit allen ihren unterschiedlichen Dynamiken führt in der zweiten Jahreshälfte dazu, in einem neuen Koalitionsvertrag in ihrem Zusammenhang beschrieben werden zu müssen.“ Es werde eine Situation geben, bei der die einzelnen Ressorts miteinander in Konkurrenz bei der Transformation treten. Da haben die Landwirtschaftspolitik und die Landwirte selbst ihre Chancen, „mittels der Vorsortierung durch die ZKL, sich in einem überzeugenden Konzept zu positionieren.“

Lesestoff:

[1] Die Zukunft der Landwirtschaft: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/die-zukunft-der-landwirtschaft-12810.html

Roland Krieg; Foto: Screenshot in der ZKL-Sitzung

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