Der dritte Antibiotika-Aktionsplan
Landwirtschaft
EU-Abwehrplan zur Reduzierung der Antibiotika-Resistenz
Auf die Überdosis von Antibiotika-Einsätzen in der Hühnchenmast reagiert die Politik mit einer Vielzahl an Antibiotika-Maßnahmepakten. Nach Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner und Landeslandwirtschaftsminister Johannes Remmel in Nordrhein-Westfalen hat am Donnerstag auch die EU einen „Aktionsplan zur Abwehr der Antibiotikaresistenz“.
Eingrenzung / Ausgrenzung
Die
zeitliche Häufung der Antibiotikapläne bedeutet nicht, dass die EU auf die
Funde in NRW handelt. Hier liefen lange Pläne und Studien parallel. Der häufige
Einsatz von Antibiotika muss auch nicht zwingend mit der Resistenzbildung gegen
Antibiotika in Verbindung gebracht werden. Beide Themen sollen aber auch nicht
soweit seziert werden, dass der Zusammenhang verloren geht.
Der Einsatz
der Antibiotika in der Hühnchenmast bedeutet keine Gefahr beim Verzehr von
Fleisch, weil aufgrund der Wartezeiten die Stoffe nicht mehr im Fleisch vorhanden
sind. Darauf hat das Landwirtschaftsministerium in Schleswig-Holstein
hingewiesen, das entsprechende Proben veröffentlichte. Dort aber, räumt das
Ministerium ein, gibt es auch keine nennenswerten Mastbetriebe.
Und trotzdem
gehört alles zusammen: Der Resistenzbericht der Europäischen
Lebensmittelbehörde hat schon im Sommer die hohe Resistenzbildung bei Rindern,
Schweinen und Geflügel belegt und Campylobacter und Salmonellen sind Zoonosen,
also Mikroorganismen, die Tier und Mensch gleichermaßen befallen. Auch im
resistenten Zustand. Und nicht zuletzt: „One World, one Health“ ist das Thema
der Weltgesundheitsorganisation. Wer zu stark differenziert will verschleiern.
Der EU-Plan
Rund 25.000 Menschen sterben in der EU pro Jahr durch Infektionen, die durch arzneimittelresistente Bakterien ausgelöst werden. Den Schaden hat die EU mit 1,5 Milliarden Euro für das Gesundheitswesen und durch Produktionsausfall an. Mit 12 Maßnahmen will die EU die weitere Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen verhindern, „wenn wir nicht die Möglichkeit verlieren wollen, bakterielle Infektionen bei Mensch und Tier mit Antibiotika zu behandeln“, erläuterte EU-Gesundheitskommissar John Dalli. Entscheidend dabei ist die Entwicklung der nächsten Antibiotika-Generation.
Der Aktionsplan gliedert sich in sieben Bereiche, in denen die Maßnahmen am dringendsten sind:
- Sicherstellung, dass Antibiotika sowohl beim Menschen als auch beim Tier angemessen eingesetzt werden,
- Prävention bakterieller Infektionen und ihrer Ausbreitung,
- Entwicklung neuer wirksamer Antibiotika oder Behandlungsalternativen,
- Zusammenarbeit mit internationalen Partnern zur Eindämmung der Risiken der Antibiotikaresistenz,
- Verbesserung von Monitoring und Überwachung in der Human- und der Veterinärmedizin,
- Forschung und Innovation,
- Öffentlichkeitsarbeit, Aufklärung und Schulung.
Der Vorschlag enthält außerdem 12 konkrete Maßnahmen, die auf Folgendes abzielen:
-- Verstärkung der Sensibilisierung für den angemessenen Antibiotikaeinsatz,
-- Verschärfung der EU-Rechtsvorschriften für Tierarzneimittel und Fütterungsarzneimittel,
-- Einführung von Empfehlungen zum umsichtigen Antibiotikaeinsatz in der Veterinärmedizin, einschließlich Kontrollberichte,
-- Stärkung der Infektionsprävention und -kontrolle in Krankenhäusern und anderen stationären Einrichtungen,
-- Einführung von Rechtsinstrumenten zur Verstärkung von Infektionsprävention und -kontrolle bei Tieren im Rahmen des neuen EU-Tiergesundheitsrechts,
-- Förderung neuartiger Zusammenarbeit, um neue Antibiotika zum Patienten zu bringen,
-- Förderung der Bemühungen zur Bedarfsanalyse für neue Antibiotika in der Veterinärmedizin,
-- Entwicklung und/oder Verstärkung multilateraler und bilateraler Verpflichtungen zur Prävention und Eindämmung der Antibiotikaresistenz,
-- Verstärkung der Überwachungssysteme für Antibiotikaresistenz und Antibiotikaverbrauch in der Humanmedizin,
-- Verstärkung der Überwachungssysteme für Antibiotikaresistenz und Antibiotikaverbrauch in der Veterinärmedizin,
-- Verstärkung und Koordinierung der Forschung,
-- Verbesserung der Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Antibiotikaresistenz.
Reaktionen
Bundeslandwirtschaftsministerin
Ilse Aigner begrüßt die Initiative der EU ausdrücklich, „zeigt sie doch, dass
wir dem globalen Problem der zunehmenden Antibiotika-Resistenzen eine
umfassende, gemeinsame europäische Antwort entgegensetzen wollen. Wir müssen
alle Anstrengungen unternehmen, um europaweit eine weitere Beschränkung der
Anwendung von Antibiotika im Tierbereich durchzusetzen.“ Von der EU erwartet
sie jetzt auch konkrete Vorschläge zu den entsprechenden Gesetzesänderungen
vorstellt. Aigner verwies auf ihren eigenen Maßnahmeplan zur Reduzierung der
eingesetzten Antibiotika in der Tierproduktion.
Auch der
europäische Bauernverband Copa-Cogeca begrüßt den EU-Plan. Er passt zur
Strategie der einen Welt mit gemeinsamer Gesundheit für Tier und Mensch. Ein
verantwortlicher Einsatz von Antibiotika entlang der Lebensmittelkette sei
äußerst wichtig. Generalsekretär Peka Pesonen. „Die europäischen Bauern und
Genossenschaften werden ihren Beitrag zur Minderung der Antibiotika-Resistenzen
auf Bauernhoflevel leisten.”
Tierproduktion in die Fläche verteilen
Dr. Helmut
Born, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV), erläuterte gestern
Abend vor Agrarjournalisten seine Gedanken zum Thema Antibiotika. Das bereits
angekündete Monitoring soll bei QS angesiedelt werden. Die bestehenden
Bucheinträge zur Medikamentation sollen elektronisch erfasst werden und wer zu
viel einsetzt, solle seine Tiere nicht mehr abliefern dürfen.
Dr. Born
begründet den hohen Einsatz aber auch mit der Agrarstruktur. Früher gab es
wenige als 10.000 Masthühnchen im Stall, heute sind Einheiten von 50.000 und
mehr keine Seltenheit mehr. Letztlich lässt sich ein einzelnes Tier in einer so
großen Herde nicht mehr alleine kurieren. Daher werden mit der
Antibiotika-Versorgung über das Futter oder Trinkwasser auch die gesunden Tiere
medikamentiert. Man sollte wieder kleinere Abteilungen schaffen, so Born. Auch
die Dichte von Ställen wie im Emsland berge Gefahr der bakteriellen
Übertragung. Würde die Tierhaltung hingegen auch in die derzeit tierlosen
Regionen flächig verteilt, dann reduziere sich das Krankheitspotenzial, so
seine Überlegungen. Nur derzeit lassen sich große Stalleinheiten kaum gegen die
Öffentlichkeit in Bayern oder Vorpommern aufbauen.
Lesestoff:
Remmels Plan
Aigners Plan
EFSA-Resistenzbericht
Roland Krieg