Der "Geist von Magdeburg" - Teil I
Landwirtschaft
DBV Mitgliederversammlung 2006
Zwei Tage lang trafen sich die Delegierten des Deutschen Bauernverbandes (DBV) in Magdeburg, um ihr Präsidium neu zu wählen. Am Montag wurde der seit neun Jahren an der Spitzte stehende Gerd Sonnleitner (Branchenjargon „Sonne“) erneut für weitere drei Jahre mit 94,7 Prozent der Stimmen gewählt. Für ihn ist das Wahlergebnis „Biokraftstoff für die nächsten drei Jahre“ und er zeigte sich nach den Fachforen durch den gezeigten „Geist von Magdeburg“ optimistisch.
Zu DBV-Vizepräsidenten wurden Udo Folgart aus Brandenburg, Werner Hilse aus Niedersachsen, Franz-Josef Möllers aus Westfalen-Lippe und Norbert Schindler (MdB) aus Rheinland-Pfalz hinzugewählt.
Sonnleitner bewirtschaftet im Landkreis Passau einen 100 Hektar-Hof, der seit dem 13. Jahrhundert im Familienbesitz ist und führt das Amt in einer Zeit, in der mit der EU-Agrarreform einschneidende finanzielle Kürzungen für die Bauern vorgesehen sind. Gegenüber des Bauerntages in Rostock 2005 formulierte Sonnleitner in seiner gestrigen Abschlussrede bessere Zeiten für die Landwirtschaft.
Wirtschaft, aber ohne Bürokratie
Mit der neuen Bundesregierung zeigte sich Sonnleitner erneut sehr zufrieden und sprach von einem „Stimmungswechsel“, der die Wirtschaft wieder zurück auf das Land holte. Nahrungsmittel und nachwachsende Rohstoffe würden wieder vermehrt nachgefragt und nicht mehr durch nationale Sonderwege behindert: „Wir haben nicht zu wenig Umweltschutz, sondern zu wenig Arbeit und Wirtschaft auf dem Land.“ In Anlehnung an „den obersten Kaiser“, der mit seinem Hubschrauber von einem WM-Stadium zum nächsten fliegt und kürzlich sagte, dass Deutschland schön und grün sei, fügte Sonnleitner hinzu: „Das ist das Werk unserer Bauern.“ DFB-Präsident Theo Zwanziger wird am Donnerstag vor dem Argentinienspiel zwei schwarz-weiße Glücksferkel überreicht bekommen.
Wenn die Chinesen mit ihrem Fleischverzehr so weiter machen, dann sieht Sonnleitner einen zusätzlichen Bedarf von 2.100 Millionen Tonnen Futtergetreide. Mit diesem Beispiel wollte er klar machen, dass die Landwirte auch in ihren klassischen Bereichen in Zukunft punkten können: „Die Politik soll uns den Zugang zu den Märkten öffnen – alles andere aber uns überlassen.“
Die Rahmenbedingungen müssten aber für alle Bauern gleich sein. So dürfe im Bereich der Biomasse kein ungebremster Import zugelassen werden, deren Produktion nicht an Nachhaltigkeitsstrategien gebunden ist. Damit hat Sonnleiter gerade das Ethanol der exportstarken Brasilianer im Visier. Generell müsse geklärt werden, dass für Importe die gleichen Produktions- und Qualitätsstandards gelten müssen, wie für heimische Produkte. Im Rahmen der WTO-Verhandlungen dürften die Europäer keine einseitigen Verhandlungsangebote machen.
Beide Seiten gehen aufeinander zu, denn nationale Alleingänge im Bereich des Tier- und Umweltschutzes will Sonnleitner auch in seiner neuen Amtszeit nicht dulden. So wurde die gegenüber der Vorgängerregierung mittlerweile auf EU-Niveau zurückgefahrenen Nutztierhaltungsverordnungen für Schweine und Legehennen nochmals begrüßt. Der Präsident forderte eine Aufklärungsoffensive für die Verbraucher. Nicht jeder Stallneubau müsse gegen eine Bürgerinitiative durchgesetzt werden – viele Forderungen seien überzogen.
„Gewitterwolken“ sieht er für seine neue Amtszeit in Form des europäischen Umweltschutzes. Bislang wurde nach dem Prinzip verfahren, dass eine Auflage und ein Schutzgebiet nur gut sei, wenn es jeweils neu sei.. Es müsse aber vielmehr ein Ranking geben, dass eine Umsetzung erleichtere.
So bereitet ihm die Umsetzung der FFH-Richtlinie große Sorge, die dem Naturschutz einen Absolutheitsanspruch gewähre. Demnach müsse bereits jede Schädigung für 50 ausgesuchte und geschützte Tierarten, wie den Feldhamster, verhindert werden, die schon unabsichtlich herbeigeführt würde. Zynisch interpretiert müsse dann auch „der Mensch weg, wenn der Naturschutz so angewendet würde“, sagte Sonnleitner.
Schwarzbuch Bürokratieabbau
Am Montag war Bundeskanzlerin Angela Merkel das erste mal auf einer DBV-Versammlung und bekam von der Standesvertretung das „Schwarzbuch Bürokratieabbau“ überreicht.
Die Jahresaufwände in Stunden berechnet sind für die Bauern enorm, wie ein Vergleich zeigt:
Aufwand für |
Betrieb in BW |
Betrieb in NRW |
Genossenschaft Thü |
Datenbank |
40 |
2 |
52 |
Meldung Tierseuchenkasse |
1 |
|
1 |
Bestandsbücher |
36 |
32 |
182 |
Antrag Betriebsprämie |
40 |
8 |
240 |
Cross Compliance |
16 |
24 |
120 |
Berufsgenossenschaft |
8 |
16 |
8 |
Nachweis Pflanzenbau |
|
10 |
182 |
Landesamt für Statistik |
|
8 |
12 |
Baugenehmigung |
|
56 |
|
Summe |
141 |
176 |
797 |
Umgerechnet verschlingen die Bürokratiekosten in der Landwirtschaft zwischen 800 Millionen bis zu einer Milliarde Euro.
Daher hatte der DBV eine Fragebogenaktion gestartet, bei der mehr als 1.300 Einsendungen mit Vorschlägen der Bauern und aus Fachausschüssen wieder zurück kamen. Der DBV hat daraus 148 Vorschläge an die Politik zusammen gefasst und in sieben Brennpunktthemen kategorisiert.So müssen Tierbestände elektronisch in der HiT-Datenbank und zusätzlich noch in Papierform auf dem Betrieb geführt werden. Eine einfache Bestandsführung reiche aus.
Der Einsatz von Medikamenten bei Milchkühen zieht eine definierte Wartezeit nach sich, bevor die Milch wieder an die Molkerei geliefert werden kann. Wird ein Bulle mit diesem Medikament behandelt, ist die Wartezeit überflüssig. Aber wenn sie nicht angegeben ist, dann wird der „nicht ordnungsgemäße Abgabebeleg“ des Tierarztes sanktioniert.
Die Pflicht zur Angabe von Landschaftselementen (beispielsweise Hecken und Baumgruppen) bei der Agrarförderung soll aufgehoben werden: Wer sie nicht gefördert haben will, der muss die Elemente auch nicht ausmessen und angeben.
Bislang sind alle Versuche, die Bürokratie einzuschränken, im Sande verlaufen. Jetzt hat der DBV der Bundesregierung ein Handbuch zum Abarbeiten geschenkt.
Was die Milchbauern vom „Geist aus Magdeburg“ erwarten können, erfahren Sie im zweiten Teil.
Roland Krieg; Bild: DBV