Der Krieg ist verloren
Landwirtschaft
Wer hat die Lage in der Landwirtschaft verschlimmert?
Noch nie hat die konventionelle Landwirtschaft so viel Öffentlichkeitsarbeit wie in den letzten Jahren gemacht. Das Forum Moderne Landwirtschaft nutzt sogar den Begriff „Massentierhaltung“, um mit den Verbrauchern auf Augenhöhe zu kommunizieren. Der Erlebnisbauernhof ist einer der am stärksten besuchten Teile der Internationalen Grünen Woche, Hunderttausende ziehen im Sommer zur „Brandenburger Landpartie“ auf die Höfe und in die Ställe. Landwirte sind in den sozialen Medien mit Berichten aus ihrem Alltag unterwegs. Die Ferkel werden nicht mehr ohne Betäubung kastriert werden, die Düngung wird stets verbesserte Rücksicht auf die Gebiete mit hohem Nitratgehalt nehmen und der Integrierte Pflanzenschutz breitet moderner Hacktechnik den Weg in die mechanische Unkrautbekämpfung.
Bauern, Bienen, Bürger und Begehren
Dann kommt ein bayerisches Volksbegehren und alles ist vergessen. „Feldgehölze, Hecken, Säume, Baumreihen, Lesesteinhaufen, Natursteinmauern, natürliche Totholzsammlungen, Feldraine und Kleingewässer“ sollen bewahrt und angelegt werden, um die Artenvielfalt zu erhöhen. Hinter dem Propaganda-Slogan „Rettet die Biene“ steht damit nichts anders als in den zahlreichen Agrar- und Umweltprogrammen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Das Volksbegehren fordert mehr KULAP. Nichts weiter, doch Ministerpräsident Markus Söder baute sogleich einen Runden Tisch für die Umsetzung über das Naturschutzgesetz ein. Wenn Arten verschwinden, wird es nie genug Gegenmaßnahmen geben. Der Instrumentenkasten in der GAP und bei den Ländern wurde in den letzten Jahren immer größer. Und das irritiert die Landwirte auf das Höchste: Sie tun, was gemacht werden kann und werden durch das Volksbegehren ins Abseits gestellt, nicht noch mehr tun zu wollen. Der Medienreflex der letzten Dekaden ist da: Bei allem was der konventionellen Landwirtschaft pauschal angekreidet wird, bekommt in der Blaupause Ökolandwirtschaft eine ebenso pauschale weiße Weste [1]. Der österreichische Öko-Obstbauer Hans Kreimel hat in seinem neuesten Buch mit verschiedenen Mythen beider Wirtschaftsarten aufgeräumt [2].
Der Coup fand nicht im weiträumigen Osten oder in viehdichten Regionen statt, sondern ausgerechnet im Wohnzimmer der Deutschen: Im Freistaat Bayern, wo kleinräumige Landwirtschaft Touristen anlockt und regionale Spezialitäten die Tische biegen. Und Bayerns Bauern sind sehr umstellungswillig. Die Zahl der Biobetriebe ist zwischen 2015 und heute von 6.800 auf rund 10.000 Höfe angestiegen. Allein 2018 ist die Ökofläche um 17 Prozent auf 345.000 Hektar angestiegen, wie das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kaufbeuren Ende März mitteilte. Zu einem Umsteigerseminar kamen mehr als 100 Landwirte.
Landwirte sind Unternehmer. Bio wird am Markt gefragt, zunehmend auch die Artenvielfalt. Landwirte sind die letzten, die auf Blühstreifen verzichten, wenn sie den Ertragsausfall ersetzt bekommen. Oder positiv ausgesprochen: Wenn die Umweltmaßnahme zum Einkommen beiträgt.
„Einer muss hängen“
Daher muss am Vorabend der Agrarministerkonferenz in Rheinland-Pfalz die Frage lauten, wer an dem sich stets verschlechternden Image der Landwirtschaft die Schuld trägt? Für Alfred Enderle vom Bayerischen Bauernverband ist es „eine ganze Reihe an Multiplikatoren“, wie es im Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblatt heißt. Von den Medien bis zu den Lehrern und Kirchen, die sich hinter das Volksbegehren stellten stamme das „kritische Dauerfeuer“ gegen die Landwirte. Ist noch mehr Öffentlichkeitsarbeit, wie Enderle es fordert, wirklich umsetzbar?
Fünf Jahre hatte die Fleischindustrie Zeit, sich auf das Ende der betäubungslosen Ferkelkastration einzustellen. Alternativen gab es und mittlerweile ist eine weitere Alternative auf gutem Antragsweg [3]. Das politische Berlin hatte keinen Mumm, die Branche gegen die selbst gebaute Mauer rasen zu lassen und hat ein zweijähriges Moratorium in Form einer Gesetzesverschiebung ausgesprochen. Das hat den kleinen Landwirten aus der Klemme geholfen, aber vier Monate nach Verschiebung des Gesetzes, ist kein Signal aus der Branche zu sehen, es jetzt besser zu machen.
Strukturpolitik?
Das Berliner Verhalten macht Schule. Die zehnjährige Arbeit an der Dünge-VO ist nicht von Erfolg gekrönt, weil Brüssel Nachbesserungen fordert und Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner die Reform verschärft reformiert. Zwar wähnt das Bayerische Wochenblatt die niederländischen und dänischen Nachbarn hinter den neuen Anforderungen aus Brüssel, doch der Blick auf die Messstellen zeigt: 28 Prozent sind im roten Bereich und haben es von alleine aus nötig [4]. Nach dem erneuten „Güllegipfel“ am Montag dieser Woche benannte Julia Klöckner das Problem: „Wir haben Zielkonflikte.“ Sauberes Wasser und ordentlich ernährte Nutzpflanzen müssen in Einklang gebracht werden. Auch in den so genannten roten Gebieten, bei denen schon zu viel Nitrat im Grundwasser ist. Um diesen Zielkonflikt kommt der Deutsche Bauernverband (DBV) nicht herum, der in seiner Kommunikation mittlerweile mit Cartoons eingestiegen ist. Nicht schwer ist zu erraten, wen der Kot absetzende Bundesadler im ersten Bild und wen der Kettenhalter mit der deutschen Armbinde im zweiten Cartoon personifizieren sollen. Zwar hat der DBV mit einem aktuellen Faktencheck auch die Sachebene bedient, laviert aber um die Aussage herum, dass es ein regionales Problem gibt. Der Zuschnitt der Messstellen weist entweder 28 oder 18 Prozent der Messstellen mit zu hohen Nitratwerten aus. Egal. Für eine Lösung offen, ist nur der, der auch ein Problem benennt. Nur ein Zusammenhang zwischen NItratreduzierug und landwirtschaftlicher Praxis wird zugegeben: Die Nitratauswaschung sinkt mit der Zahl der Tiere.
Nach der Steinkohle steigt Deutschland auch aus der Braunkohle aus. Die Politik reagiert auf gesellschaftliche Wünsche und hält viel Geld für einen Strukturwandel in den betroffenen Regionen bereit. Der Staat begleitet die Transformation eines Marktes. Doch bei den viehdichten Regionen fehlt diese Politik. Das hatte bereits Prof. Dr. Christine Tamasy auf dem Raiffeisentag 2017 für die Region Oldenburg bemängelt [5]. Weniger Tiere, weniger Gülle, weniger Nitrat im Grundwasser. Das klingt nicht nur einfach, sondern ist auch naheliegend, weil Altenteiler bei vielen alten Ställen keine Nachfolger mehr finden. Zudem könnte die Politik eine Diversifikationsprämie zahlen, damit die Betriebe aus ihren Schweineställen Ferienwohnungen machen. Der begleitete Ausstieg löste Probleme und gibt den Familien weiterhin eine Einkommensmöglichkeit. Der Vorschlag von mehreren Agrarjournalisten beim Ausschuss-Vorsitzenden Gering fand keine Mehrheit. Die Politik wolle niemanden zum Aufgeben animieren. Das solle der Markt regeln.
Zuckerpolitik
In diesen Bereich gehört auch die aktuelle Zuckerpolitik des DBV. Die Rübenbauern leiden unter den drastisch gesunkenen Zuckerpreisen. Einen Wettbewerb zwischen den Zuckerfabriken gibt es Standortbezogen kaum. Wenn die Landwirte den Rübenanbau einstellen müssen, verschwindet eine Feldfrucht, die früher zu den betriebswirtschaftlich starken gehörte, aus der Fruchtfolge. Die blattreiche Zuckerrübe hat neben einer intensiven Bodenbearbeitung auch viel organische Substanz auf die Felder gebracht. Pressschnitzel sind günstiges und beliebtes Tierfutter. Alleine aus ackerbaulicher Betrachtung heraus, sollten Zuckerfabrik und Rübenbauern neue Lösungen finden. Joachim Rukwied stand sogar in seinem Heimatkreis nahe Heilbronn Anfang Januar 2019 mit 60 Rübenbauern in der Mitte eines Plakates, das „Fair Play für heimische Zuckerrüben“ einforderte [6]. Er ist aber auch im Vorstand der Süddeutschen Zuckerverwertungsgenossenschaft SZVG und gehört damit dem Mehrheitsaktionär der Südzucker AG an. Die hat jüngst beschlossen, die Zuckerwerke Brottewitz und Warberg zu schließen. Leserbriefe und Nachfrage eines Chefredakteurs einer wöchentlichen Bauernzeitung nach, konnte Rukwied nicht dementieren, dass er in dieser Funktion für die Schließung der Werke gestimmt hat.
C und M und A
Wer hätte 1995 darauf gewettet, dass die Österreichischen Milchbauern den Beitritt zur EU überleben? Die schwer zugänglichen Almen, die viele Handarbeit, hohe Logistikosten lassen sich mühevoll aus dem Nebengeschäft Tourismus finanzieren. Karsten Schmal gab den Milchbauern aus der Nachbarschaft jedenfalls kein langes Überleben. Dass sie heute fideler denn je sind und weltweit anerkannte Qualitätsprodukte liefern liegt nach dem Milchpräsidenten des DBV an der Marketingagentur. Das bekannte er im März auf dem Milchforum des DBV. Seit langem kamen ihm auch die drei zauberhaften Buchstaben über die Lippen, die immer mehr nicht nur hinter vorgehaltener Hand geflüstert werden: CMA. Hinter dem Kürzel verbarg sich die Centrale Marketing-Gesellschaft der deutschenAgrarwirtschaft. Bei Verbrauchern nahezu unendlich beliebt wegen der vielfältigen Rezepte und Produktinformationen auch über die Landwirtschaft. Bei einigen Landwirten überhaupt nicht, denn sie durfte für ein Produkt nur generisch werben und keinen speziellen Artikel. Weil Landwirte und Verarbeiter aber anteilsmäßig die CMA finanzieren mussten, endete die fidele Agentur nach einem langen Gerichtsstreit im Aus. Irgendwo sollen noch die PC-Server mit den vielen Inhalten der Broschüren stehen. Karsten Schmal blickte sehnsüchtig auf die CMA zurück, die ursprünglich mit einer Weiterentwicklung vor dem Untergang bewahrt werden sollte. Am Ende schien es aber so, als träten die Wirtschaftsverbände die CMA sogar noch ins Grab.
Wie also sollen Landwirte noch mehr Informationen und Aufklärung, Werbung und Kontakt zu Verbrauchern herstellen, wenn das bisherige nicht reicht? Auch Alois Gering fiel die CMA ein. Aber die Branche würde sich nicht dazu durch ringen können, bezweifelte er. Daher müssten mehr sachliche Beiträge im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ihren Beitrag leisten.
Die dritte Säule
Ein Ergebnis aus dem bayrischen Volksbegehren ist die Initiative der Landwirte, Verbraucher als Paten für bunte Wiesen und Blühstreifen zu gewinnen. Selbst die Fachpresse ist begeistert und lobt das bäuerliche Engagement. Doch mehr als niedlich ist das nicht. Was passiert hier? Die Landwirte betteln beim Verbraucher um Geld für einen Blühstreifen, der eigentlich aus den steuerlichen Geldern der beiden Säulen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) finanziert werden soll. Greening in der ersten und Umweltprogramme in der zweiten Säule, die diskutierten Eco-Schemes der neuen GAP ab 2020. Die Patenschaften sind ein Vertrag zwischen Landwirt und Verbraucher. Sie schließen sich kurz, oder umgehen, die offizielle GAP und formulieren eine informelle dritte Säule der Steuerfinanzierung. Warum? Weil die offizielle GAP offenbar weder den Wünschen der Landwirte nach einem realen Finanzierungsausgleich für eine Blumenwiese garantiert, noch ausreichend die Wünsche des Verbrauchers umsetzt. Der Bedarf für eine dritte Säule ist der Beweis, dass die beiden bisherigen Säulen nicht funktionieren. Solange Wähler nicht realisieren, dass sie ein zweites Mal zur Kasse gebeten werden, auch wenn sie es zu recht sehr gerne tun, übern sie keinen Druck auf die Politik aus. Die dritte Säule sagt aber auch, dass die Agrarpolitiker nicht genug für Landwirte und Verbraucher tun. Damit haben sich die Agrarpolitiker von den Landwirten entfremdet und müssen sich fragen lassen, wessen Politik sie wirklich umsetzen.
Die Agrarministerkonferenz wird zeigen, dass die Politik sich in Details verstrickt. Das Volksbegehren ist schneller als die Politik, der Handel ist mit Tierwohllabel schneller als Berlin. In den letzten Jahren gab es nur ein einziges durchgerechnetes Gesamtkonzept für eine wirklich neue Agrarpolitik, das zudem den Wunsch aus dem Volksbegehren und die Entlohnung aus den Patenschaften vorweggenommen hat: Das GAP-Konzept aus Schwerin [7].
Lesestoff:
[1] Neben den Vorteilen hat der Ökolandbau auch Nachteile: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/viele-vorteile-im-oekolandbau.html
[2] „alles bio oder wie“ von Hans Kreimel; Books on Demand; ISBN-13: 9783748156253
[3] Der fünfte Weg kommt aus Australien: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/kastration-karten-fuer-ferkel-werden-neu-gemischt.html
[4] Sieben-Punkte-Plan: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/grundwasserschutz-von-kloeckner-und-heinen-esser.html
[5] Oldenburg und die Lausitz: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/die-transformation-der-veredlungsregion.html
[6] Für faire Rüben: https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/heilbronn/Ilsfeld-Protest-der-Zuckerruebenbauern,meldung-zuckerrueben-bauern-protest-100.html
[7] Der GAP-Hammer aus Schwerin: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/der-gap-hammer-aus-mv.html
Roland Krieg