Der Landwirtschaft fehlt der Krisenmanager

Landwirtschaft

Landwirt kann nicht jeder

Diese Woche ist die Woche der Ernährungssicherheit. Am Montagabend startete EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski mit einem Austausch im Agrarausschuss des Europaparlamentes in Straßburg. Am Donnerstag gibt es wieder ein EU-Agrarministertreffen und am Freitag entscheidet der Bundesrat über die Verwendung der Brachflächen. Je mehr Krisen aufeinander treffen, desto schwieriger werden die Lösungen. Mit einem Krieg in Europa hat nach dem Zweiten Weltkrieg niemand mehr gerechnet. Neue Ängste drängen nach vorne.

Alle Sorgen, die von den Ököverbänden und Natur- sowie Klimaschützern vorgetragen werden, die Brachflächen als Biodiversitätsreservat zu schützen, sind ernst zu nehmen. Der ebenfalls am Montag vorgestellte neuerliche Bericht des Weltklimarates zeigt, dass die Probleme nicht warten. Auf der anderen Seite werden die Klimaschützer ihre Diskussion gegen eine zusätzliche Kriegsreaktion zumindest moralisch nie gewinnen können.

Was dem Agrarbereich fehlt, ist der Habeck´sche Drive, mit dem Umweltministerin Steffi Lemke Kompromisse für die Unabhängigkeit von russischem Gas eingegangen ist. Wie lange Wirtschaftsminister Habeck den schnellen Energieboykott gegenüber anderen EU-Mitgliedsländern aufhalten kann, ist offen.

Im Gegensatz zum Energiefluss, der jeden Tag auf das Neue geregelt werden kann, haben die Landwirte nur zwei Aussaatfenster Zeit, an der kommenden Ernte etwas zu verändern. Wer das aktuelle Fenster verpasst, der wird erst für die Ernte 2023 aktiv.

Da ist es schwierig, wie bei Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, der sich mit dem Festhalten an langfristigen Transformationen die Möglichkeit nimmt, auf den Russlandkrieg zu reagieren. Ob die Reaktionen in der Agrarkommission allerdings besser sind, bleibt noch abzuwarten.

Janusz Wojciechowski wurde 2019 erst im zweiten Wahlgang Agrar-Kommissar, weil er zu vage blieb [1]. Das „Vage“ ist ihm geblieben. Der Kommissar verwischt die Grenzen zwischen der rechtlich bindenden Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und den grünen Strategien des Green Deal. Er will die grüne Architektur der Reform-GAP aufsatteln, aber betont bei Kritik immer, dass sie rechtlich nicht verbindlich sind.

So lobt Wojciechowski die Erfolge der GAP bei der Ernährungssicherheit und das Krisenmanagement mit erstmaliger Freigabe der Krisenreserve sowie der Erlaubnis der privaten Lagerhaltung bei Schweinefleisch. Gegen die drohende Hungerkrise in der Welt hat er die Brachflächen für die Futter- und Lebensmittelnutzung für 2022 freigegeben. Der Krieg habe die Rahmenbedingungen verändert und müsse auch Einfluss auf die nationalen Strategiepläne haben. Resiliente Land- und Ernährungssysteme sind Aufgaben für die Zukunft.

Die Europaabgeordneten im Agrarausschuss loben zwar die kurzfristigen Maßnahmen, aber dann wird es wieder vage. Nach Wojciechowski ist die Flächennutzung der Brachflächen eine Ausnahme. Seinen Worten nach könnte aber auch das Abrücken vom Flächenstillegungsziel von vier Prozent der Betriebsflächen ab Januar 2023 eine Ausnahme werden. Alle anderen Maßnahmen bei den Strategien „From Farm-to-Fork“ (F2F) und der für den Erhalt der Biodiversität steigerten die Ernährungsresilienz, betonte er. Das schließe Ausnahmen nicht aus. Mit Blick auf den Gunststandort solle die EU auch ihren Beitrag zur globalen Nahrungssicherheit leisten.

Gleichzeitig setzte er mit der Pflanzenschutzrahmen-Richtlinie eine langfristige Strategie aus. Der in der vergangenen Woche von der Kommissionssitzung abgesetzte Punkt ist ausformuliert und kann vom Parlament und vom Rat als rechtliche Verordnung umgesetzt werden. Landwirte können mehr als Öko oder Agrarindustrie.

Auch bei der europäischen Eiweißstrategie hat sich Wojciechowski noch im letzten Agrarrat dagegen ausgesprochen und auf die Möglichkeiten der Länder hingewiesen. Am Montagabend klang seine Einlassung schon wieder nicht mehr so abweisend und er versprach, das Thema neu zu überdenken.

Als Kommissar für die Generaldirektion Landwirtschaft und ländlicher Raum ist Wojciechowski nicht irgendjemand. Am Montag reagierte er jedoch variabel auf Abgeordnetenzuruf.

Das Plenum ist der Topf in den die politischen Argumente hineingeworfen werden. Herbert Dorfmann von der EVP Südtirol empfiehlt, weitere Reaktionen abzuwarten, kritisiert den Kommissar aber nicht nur wegen seiner verschiedenen Zeitangaben zur Umsetzung der F2F-Strategie. Er kritisiert auch die an Österreich versandten 244 Änderungsvorschläge zur nationalen Strategie. Die Kommission breche ihr eigenes Versprechen, die Bürokratie zu reduzieren.

Die spanische Sozialdemokratin Clara Aguilera Garcia verteidigt den Green Deal, lobt die kurzfristigen Maßnahmen für die Landwirte. Ulrike Müller von den deutschen Liberalen vermisst ein Krisenszenario, was bei einem Gaslieferstopp durch Russland im Agrarsektor passiert. Die Molkereien könnten nur an vier Tagen der Woche arbeiten, was direkten Einfluss auf die Lebensmittelversorgung hat.

Martin Häusling von den europäischen Grünen beklagt, dass Ausschuss und Kommissar nur über die Sorgen der europäischen Landwirte reden, während in der Ukraine Menschen sterben und Hilfe brauchen. Die Diskussion um die Brachflächen sei mit einem Anteil von 0,4 Prozent mehr Getreide kaum der Rede wert. Ihm fehlen noch immer konkrete Landnutzungspläne für die Futtergewinnung und Biokraftstoffpolitik. Der irische Luke Ming Flanagan von den Linken kritisiert, dass die Kommission noch immer keine Folgeabschätzung über den Green Deal vorgelegt hat. Der österreichische Grüne Thomas Waitz kritisiert die Pläne der Kommission, die Herstellung von Mineraldünger in der EU zu stärken, während die Landwirte, die mit weniger Mineraldünger oder mit organischem Wirtschaftsdünger und weiten Fruchtfolgen arbeiten, deutlich zu wenig gefördert werden. Seine Parteikollegin aus Luxemburg, Tilly Metz, hält gekoppelte Zahlungen, die meist in der Tierproduktion landen, für nicht mehr „en vogue“. Marlene Mortler (CSU) sagt: „Wir dürfen nicht nur aus der Sicht der Satten diskutieren. Das ist unsere Aufgabe.“ Der CDU-Abgeordnete Peter Jahr forderte eine Strategie für die Kriegslandwirtschaft.

Fazit

Der Krisenmanager in der Landwirtschaft muss auf den Krieg reagieren, darf aber die Möglichkeiten für die Transformation der Landwirtschaft nicht aus den Augen verlieren. Das gilt nicht nur in Brüssel. Sowohl das Borchert-Papier für den Umbau der Tierhaltung als auch der Ergebnisbericht der Zukunftskommission Landwirtschaft sind für die Friedenszeiten geschrieben. Ein Krieg kommt dort nicht vor. Und die Landwirtschaft sucht einen wahrhaftigen Krisenmanager.

Lesestoff:

[1] Wojciechowski wackelt: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/wackelkandidat-janusz-wojciechowski-wackelt.html

Roland Krieg

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