Der langsame Prozess um den Wolf
Landwirtschaft
Wird die Wildtierverantwortung zwischen EU und Länder aufgeteilt?
Der Wolf ist das beherrschende Thema zum Wochenende. Am Mittwochabend hat EU-Kommissar Janez Lenarčič, verantwortlich für Krisenmanagement der Europäischen Union, im Europaparlament für die Verbesserung der europäischen Habitate plädiert. Rund ein Drittel der Habitate sind in einem schlechten Zustand, wie der letzte Bericht festgestellt hat. Zum Habitat gehören auch große Beutegreifer, wie Wolf, Bär oder Luchs. In Deutschland sorgt der Wolf seit seiner Wiedereinwanderung für Schlageilen und zwei Seiten, die einander unversöhnlich gegenüberstehen. Auf der einen Seite geben Weidetierhalter die Beweidung auf, wenn der Wolf immer gleich mehrere Weidetiere vom Schaf bis zum Rind reißt. Das Bild von mehreren aufgerissenen Tierleibern bleibt den Tierhaltern im Gedächtnis. Auf der anderen Seite ist die Wiederkehr der Wölfe ein Zeichen für ein funktionierendes Habitat. Zur Zeit der Habitatrichtlinie 1992 war der Wolf aus Westeuropa verschwunden. Seit der Einwanderung passen Gesetz zum Schutz des Wolfes und Wolfsrisse nicht mehr zueinander.
Mit der Rückkehr wurden die Weidetierhalter beruhigt, erläuterte Marlene Mortler (CSU). Er springe nicht über Zäune, er ist die Ökopolizei des Waldes und geht nicht an Großtiere. „Der Wolf belegt, dass alles nicht stimmt“, klagt sie an. Europäische Wölfe töten Tausende Nutztiere im Jahr, Solle der Artenreichtum der Wiese dem Schutz eines Tieres geopfert werden, fragte sie spitzfindig.
Die Diskussion kann nicht auf Augenhöhe verlaufen, weil Habitatrichtlinie und Wolfsrückkehr nicht zusammenpassen und die Diskutanten sich auf verschiedenen Zeitebenen bewegen.
Der neueste Bericht zum Zustand der europäischen Habitate wird nach Lenarčič aufzeigen, dass sich bei Biber, Schwarzer Storch und Wolf der Erhaltungszustand verbessert habe. Probleme träten in der Landschaft und bei den Landwirten auf, wo die Tiere schon lange nicht mehr aktiv gewesen sind und auf unvorbereitete Landwirte stoßen. Die Kommission nehme die Klagen der Viehhalter ernst und will dort den Schutz verbessern, wo es nötig ist.
Dass die Koexistenz zwischen Wolf und Weidetier nicht einfach ist, unterstreicht die spanische Sozialdemokratin Clara Aguilera. Die heute zur Abstimmung anstehenden Entschließungen des Europaparlamentes sollen die Rechte der Viehhalter stärken. Für Ulrike Müller (Freie Wähler – Renew) haben auch die Bauern ein Recht auf Existenz. „Wenn der Wolf kommt, geht die Weide und mit ihr die Artenvielfalt.“
Herbert Dorfmann (EVP, Südtirol) stammt aus einer sensiblen Region der Almwirtschaft. Er zweifelt an postulierten Lösungen und fragt, „wo sind denn die tollen Koexistenzbeispiele“?
Sechs Fraktionen des Europaparlamentes machen sich stark für eine neue Finanzierung. Man dürfe Prävention und Schutz vor dem Wolf nicht allein den Landwirten aufbürden, weil seine Wiederkehr gesellschaftlich gewünscht ist. Dann müsse die Gesellschaft auch außerhalb der Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) für den Aufwand aufkommen.
In Deutschland dreht sich zudem die Entnahme von auffällig gewordenen Wölfen vor Gericht. Die einen wollen jeden neuen Wolf gleich entnehmen lassen, die Gerichte stellen meist die Habitatrichtlinie in den Vordergrund. Für Janez Lenarčič ist die Aufgabenverteilung klar. Artikel 16 der Habitatrichtlinie erlaubt „zur Verhütung ernster Schäden insbesondere an Kulturen und in der Tierhaltung“ eine Abweichung vom strengen Schutz der Wölfe, „sofern es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt“. Dabei muss der Erhaltungszustand der Population gewahrt werden.
Was so einfach klingt ist so unklar, dass sich seit 30 Jahren keine eindeutige Handlungsrichtlinie ergibt. Die Europaparlamentarier fordern die Kommission zur Klarstellung auf, doch Janez Lenarčič gibt wenig Hoffnung. Die EU schützt die Habitate und habe für die Mitgliedsländer mit Artikel 16 Ausnahmen möglich gemacht.
Der Wolf steht auch auf der laufenden Umweltministerkonferenz in Goslar auf der Tagesordnung. Dann wird sich am Freitag zeigen, wie Deutschland sich entscheidet.
Roland Krieg
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