Der Spatz in der Kolbenhirse

Landwirtschaft

Erntezeit auf dem Weltacker Berlin

Spatz in Kolbenhirse

Fünf Monate nach Eröffnung des Weltackers auf der Internationalen Gartenbauausstellung in Berlin wird geerntet [1]. Die Erntezeit ist besonders lang, da die verschiedensten Feldfrüchte, die weltweit auf mehr als zwei Millionen Hektar angebaut werden, proportional auf den 2000 Quadratmetern Weltacker Platz finden. Da freuen sich auch die Spatzen, die in Marzahn-Hellersdorf intensiv die Kolbenhirse besuchen und schon bei der Aussaat vom „Marienhöher Weizen“ genascht haben.

Weltackerbauer Gerd Carlsson nimmt es gelassen, denn das Projekt hat im Wesentlichen Schaucharakter und bietet einen tiefen Einblick in die Welternährung. Und den leisten sich viele Besucher und Schulklassen. Direkt neben dem Weltacker befindet sich  der IGA-Campus mit mehr als 2.500 ausgebuchten Veranstaltungen – bislang.

Am späten Nachmittag kommen die Dauerkarteninhaber aufs Feld. Sie verfolgen das Wachstum alter Getreidesorten, der Sojabohne, von Reis und Baumwolle. Richtig – die Baumwolle in Marzahn blüht gerade und Besucher haben noch die Chance vor Ende der IGA die Wollpakete an der Pflanze zu sehen.

Rode Eersteling

Vergangene Woche haben Helfer und Gäste gemeinsam die „Rode Eersteling“ geerntet. Diese niederländische Frühkartoffel stammt aus den 1940er Jahren und weist eine dunkelrote Schale auf. So frisch ausgebuddelt freuen sich die Besucher bereits auf den „mildcremigen“ Geschmack.

Es gab aber noch mehr zu entdecken. Als Weizen wurde der „Marienhöher Winterweizen“ angebaut. Dieser Weichweizen kam in den 1940er Jahren aus Bayern auf den Demeterhof ins brandenburgische Seelow. Der 1928 gegründete Betrieb entwickelte den „Inntaler Winterweizen“ zu einer Lokalrasse für die sandigen und kargen  Böden in Brandenburg weiter. Als Weizen haben viele Besucher ihn nicht erkannt, denn er trägt Grannen. Grannenweizen wird auch im konventionellen Landbau wieder interessanter. Die Wildschweine gehen wegen der Grannen nicht so gerne in das Getreide rein und er gilt als auswuchsfest und robust.

Gerd Carlsson an der Dreschmaschine

Das ist dann schon eines Lieblingsthema von Gerd Carlsson, der mit Begeisterung von der alten Dreschmaschine erzählt, die zum Einsatz kam. Der Weltacker bietet Besuchern den Einstieg in die Themen moderne Landwirtschaft, enge Ackerfruchtfolgen, die Nutzung von Nahrungsmittel für die Tierproduktion und der Anbau von samenfesten Sorten. Das Weltackerprojekt, das nach der IGA Mitte Oktober noch ein neues Zuhause sucht, will das Dilemma der Landwirtschaft aufzeigen, aus ökonomischen Gründen auf den Anbau der  meisten Nahrungspflanzen zu verzichten – und damit die Biodiversität auf und unter dem Acker gefährdet. Mittlerweile kommen „alte Praktiken“ wie die Erweiterung der Fruchtfolgen in den Ackerbau wieder zurück. Hintergrund für die Abkehr von den Natürlichen Prinzipien sei ein auf Ertragsmaximierung ausgerichtetes allgemeines Wirtschaftssystem, das die Ressourcennutzung in das Verteilungsdilemma treibt. Wasser, saubere Luft, Ackerfläche und Nahrungsmittel stehen längst nicht mehr allen Menschen gleichermaßen zur Verfügung.

Der Weltacker will den kritischen Blick über den eigenen Horizont hinaus lenken. Carlsson berichtet von vielen „Aha-Erlebnissen“ der Besucher. Er führt sie gruppenweise und auch schon mal Einzeln über den Weltacker in Marzahn und freut sich, dass die Gäste ein haptisches Erlebnis von Themen wie Land-Grabbing, alte Sorten, und Nahrungsverteilung bekommen. „Wir wollen den Leuten die Landwirtschaft der Zukunft zeigen“, sagt Gerd Carlsson.

Helfer und Gäste können die Zukunft beim gemeinsamen ernten und kochen sogar schmecken.

Wie es sich gehört feiert die Zukunftsstiftung Landwirtschaft am 08. Oktober zum Ende des Auftritts in Marzahn auch ein ordentliches Erntedankfest. Alle anderen Termine und Seminare finden Sie auf https://www.2000m2.de

Lesestoff:

https://iga-berlin-2017.de/

[1] Den Teller von 2.000 qm füllen: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/weltacker-auf-der-iga-berlin.html

Roland Krieg; Fotos: ZSL, roRo

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