Der Streit um die Biokraftstoffe

Landwirtschaft

iLUC bleibt im Hinterkopf der Kommission

Der Transportsektor verschlingt 32 Prozent des europäischen Energiekonsums. Zu 94 Prozent basieren die Treibstoffe auf der Basis von Erdöl und er verursacht 22 Prozent der Treibhausgasemissionen Europas – mehr als im Jahr 1990. Die individuelle Mobilität und der Güterverkehr werden in absehbarer Zeit nicht weniger. Doch die Substitution durch Biokraftstoffe scheint gescheitert. Die EU hat in ihrem „Winterpaket“ Ende 2016 ein Auslaufen der Biomasse für Biokraftstoffe vorgeschlagen. Die Branche sieht sich vor dem Aus.

Handlungsbedarf

Dabei werden Lkw, Flugzeuge und Schiffe noch sehr lange auf flüssige Treibstoffe zurückgreifen müssen, sagte Bernd Kuepker von der EU-Generaldirektion Energie auf dem Biokraftstoffkongress zur Grünen Woche. Die umstrittenen indirekten Landnutzungsänderungen (iLUC) sind keine belastbaren Fakten, sagte Kuepker, aber es sind Schätzungen, die große negative Auswirkungen erreichen können. Mit den iLUC im Hinterkopf will die Kommission die Biokraftstoffe auslaufen lassen und ab 2020 langsam ersetzen. In der Positivliste stehen Abfall und neue Biokraftstoffe aus Algen. Feldfrüchte für die Lebensmittelindustrie wie Stärke-, Zucker- und Ölpflanzen sollen nicht mehr verwendet werden. Zwischen 2020 und 2030 soll dieser Anteil von sieben auf 3,8 Prozetn zurückgeführt werden: „Es ist kein Bann“, wehrt sich Kuepker. Und „Es ist kein abrupter Politikwechsel!“. Die EU sieht Handlungsbedarf durch die steigenden Importmengen an Palmöl.

Abschied von den Erneuerbaren

Für Staatssekretär Peter Bleser aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium ist das ein Abschied vom Konsens über die erneuerbaren Energien. Mit Raps werde eine Koppelproduktion zu Futtermitteln und Speiseöl vergeben. Ohne Biokraftstoffe werden die Klimaziele in Deutschaland nicht erreicht. Das sagt auch Unionspolitiker Artur Auernhammer. Es gebe eine Technologie, die in die Breite funktioniert, weil sie für alle Verbrennungsmotoren nutzbar ist. Zumal habe die Elektromobilität bislang Verbraucher weder vom Komfort noch von der Reichweite her überzeugt.

Einfache Berechnungen gibt es nicht

Die Berechnungen der EU sind für den FAO-Experten Olivier Dubois zu einfach gestrickt. Das Beispiel Brasilien zeige, dass Biokraftstoff aus Nahrungsmittelpflanzen nicht per se schlecht und aus Bioabfall per se gut seien. Das südamerikanische Land nutzt preisabhängig Zuckerrohr für die Zucker- oder Ethanolgewinnung. Koppelprodukte wie beim Raps entlasten den Flächenbedarf an Biomasse um zehn bis 30 Prozent. Nur die Monokultur für den Treibstoffmarkt erhöhe die Flächenkonkurrenz. Energiepflanzen in integrierten Anbausystemen mit Nahrungspflanzen bieten große Einkommenschancen für Kleinbauern. Wichtiger als iLUC sind Fragen, wem das Land gehört und wo das Land liegt, auf dem Energiepflanzen angebaut werden. Die Ernährungssicherheit müsse zuerst geklärt werden. Dann aber gebe es Länderindividuell genug Raum für den Anbau von Energiepflanzen. Eine gute Regierungsführung und Monitoring der guten fachlichen Praxis können die Nachhaltigkeit sicher stellen.

Zwei Mrd. ha

Jeffrey Skeer von der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA) rechnete vor, wie viel Anbaufläche für Biomasse noch möglich sei. Die viel zu niedrigen Erträge in den Entwicklungsländern erfordern einen extensiven unproduktiven Anbau. Die Steigerung der Produktivität auf die regional maximal möglichen nachhaltigen Ertragsstufen würde weltweit rund 500 Millionen Hektar Fläche frei geben. Eine effektivere Nutzung von Grünland gäbe 950 Millionen Hekatr frei, die Verringerung von Ernteverlusten weitere 270 Millionen und das Aufforsten marginaler Standorte mit einer Biomassenutzung noch einmal 350 Millionen. Weltweit stünden zwei Milliarden Hektar Fläche zur Verfügung, die energetisch genutzt 300 Exajoule Energie erzeugen könnten. Im Jahr 2030 hat die Welt einen Bedarf von knapp 100 EJ.

Wettbewerbsfähig sind erneuerbare Energien aus Pflanzen aber nur, wenn der Ölpreis über 80 US-Dollar pro Barrel liegt. Technisch gesehen gibt es genug Pilotprojekte, nahezu jede Form der Biomasse in Energie und Wärme zu verwandeln. Bislang fehle es an kommerziellen Großanlagen.

Roland Krieg

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