Der Testlauf für das Agrar-Ampelgespräch

Landwirtschaft

Der Weg aus der „Todessemantik“

Wer 1,5 Millionen Euro für einen artgerechten Schweinestall investieren will, dem hilft das Abschlusspapier der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) erst einmal nicht weiter. Weder hat der Nutztierhalter morgen das Geld auf dem Konto, noch derzeit einen Ausblick, dass die Schlacht- und Ferkelpreise in absehbarer Zeit steigen. Im Handel, der kurz bewährte Standardstufen per Federstrich streicht und auf Programmhaltung verweist, findet der Landwirtschaft keine Partnerschaft. Die Stimmung ist so mies, dass immer mehr nicht mehr weiter machen wollen.

Das Abschlusspapier der ZKL [1] ist auch nicht für die Schlepperkabine gemacht, sondern für die Politik. Die erneute Vorstellung des Berichtes am Dienstagabend in Berlin kam zum idealen Zeitpunkt. Die Agrarpolitiker der Bundestagsparteien durften in zwei Diskussionsrunden einen Ausblick auf die jetzt starteten Koalitionsverhandlungen werfen. Im Sondierungspapier gibt es noch keinen Ausblick, wie die Farben rot, grün und gelb mit dem ZKL-Bericht umgehen werden. Die Bauernverbände hingegen haben sich schon für das Papier ausgesprochen.

Es war nötig

Dabei bietet es nach dem Vorsitzenden Dr. Peter Strohschneider einen Ausweg aus der „Todessemantik von Höfesterben versus Klimatod“. Das betreiben der Landwirtschaft wird teurer werden, aber weniger kosten als die Klima- und Gesundheitskrise. Dr. Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) sagte: „Wir leben im Kern von der Substanz.“ Und meinte damit nicht nur die Landwirtschaft. Die Landwirtschaft kann nach Strohschneider froh sein, gegenüber anderen Wirtschaftssektoren so ein Zukunftspapier zu haben und darf jetzt auf Augenhöhe um Ressourcen und Auflagen konkurrieren. Warum? Edenhofer. „Die Kommission hat die Grenzen des politisch Sagbaren verschoben. Die sozialen Kosten der Marktwirtschaft werden in allen Bereichen virulenter.“ Der Transformationsprozess wird nach dem ehemaligen Landwirtschaftsminister der Niederlande, Dr. Cornelis Pieter Veerman, rund 15 Jahre andauern. Das heutige Landwirtschafssystem habe sich abgenutzt. Kathrin Muus vom Bund der Deutschen Landjugend und Myriam Rapior von der Jugend im Bund für Umwelt und Naturschutz haben aus der Sicht der jungen Wilden ihr vielbeachtetes Positionspapier noch einmal vorgestellt [2].

„Der Kampf geht erst richtig los“

Doch was die Ampel aus dem Papier macht, ist noch offen. Der ZKL-Bericht ist für Matthias Miersch (SPD) zumindest eine „hervorragende Grundlage“. Jetzt aber geht es um die Verteilung der Gelder. Zwischen Bund und Länder sei noch vieles offen, aber im Sinne der ZKL gibt sich Miersch optimistisch: „Wir kriegen das hin.“ Was genau? „Viel Arbeit muss in die Gesetzestexte gesteckt werden.“ Und es ist noch nicht gewährleistet, dass das Geld auch bei den Landwirten ankommt.

Die Chance für einen Neustart in der Agrarpolitik sieht auch Elisabeth Fresen, Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Das Sondierungspapier sieht keine Steuererhöhung, aber eine Schuldenbremse vor. Woher soll das Geld kommen. Die Politiker sollten sich bei den Gesetzesvorlagen neu ausrichten und keine Verbändeanhörung mit zeitlichen Fristen von 24 Stunden durchführen. Dabei fühlen sich die Bauern ausgeklammert. International gibt Jörg-Andreas Krüger, Präsident des Naturschutzbundes Deutschlands, die Richtung vor. Das Lieferkettengesetz und die Kohlenstoffabgabe an der EU-Grenze können die hohen EU-Standards absichern.

Es geht ums Geld

Für Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) ist im Bericht zwar zu wenig Ernährungsthema drin, aber grundsätzlich kann sie sich der Einschätzung von Miersch anschließen. Die Empfehlungen sollen schrittweise mit den Ländern umgesetzt werden. Aber sie fragt, ob die Konsumenten vor dem Hintergrund steigender Energiepreise noch die höheren Kosten für die Lebensmittel mittragen können? Es reiche nicht, nur die soziale Grundsicherung zu erhöhen.

Das sagt auch Hubertus Paetow, Präsident der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) und verweist auf den ZKL-Bericht. Er empfiehlt nicht, einfach nur mehr Geld in das System zu speisen. Es müsse sich grundlegend etwas ändern. Unternehmerische Sicherheit und unternehmerisches Handel stehen seit jeher in einem gewissen Spannungsverhältnis. Auch das ZKL-Papier gebe den Betrieben keine Bestandsgarantie, aber weise ihnen eine Zukunftsperspektive zu.

Gerd Hocker (FDP) will von der Marktorientierung nicht abweichen. Er kenne viele Landwirte, die bereit sind, privates Kapital in ihre Betriebe zu stecken und nur durch das Baugesetzbuch und das Bundesimmissionsschutzgesetz daran gehindert werden. Das zu verbessern, sei Aufgabe der Politik. Die Landwirte wollten keine Subventionen. „Die Theorie, der Staat gleiche alles aus, ist endlich.“ Seiner Lesart nach, klammert das Sondierungspapier mehr finanzielle Hilfe für die Landwirte aus.

Klaus Müller widerspricht. Der Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv) erinnert sich and en Wortlaut des Sondierungspapiers: Es werde keine Substanzsteuer erhöht. Das schlage auch die ZKL vor. „Da gibt es keinen Dissens.“ Andere Hilfen sind durchaus zulässig.

Der Ökolandbau bekommt rund 20 Prozent Geld vom Staat und finanziere sich zu 80 Prozent über den Preis, sagte Felix Prinz zu Löwenstein, Vorstand vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Man dürfe aber nicht so lange warten, bis alle Konsumenten für einen höheren Preis bereit sind. Es müsse rentabel sein, das Richtige zu tun.

Der Handel hat die Rolle zwischen Verarbeitern und Kunden. Miriam Schneider vom Lebensmittelverband kann sich mehr Anbaupläne mit den Erzeugern, Abnahme- und Preisgarantien vorstellen.

Lesestoff:

[1] Der Abschlussbericht: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/der-zkl-abschlussbericht-und-die-reaktionen.html

[2] Die jungen Wilden: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/der-dompteur-in-der-zukunftskommission-landwirtschaft.html

Roland Krieg

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