„Der Tierschutz wird am Emissionsschutz scheitern“
Landwirtschaft
Änderungen im Baurecht erleichtern keine Stallneubauten
„Stallumbauten, die für mehr Platz und bessere Bedingungen sorgen, sollen für die Landwirte zukünftig ohne großen Aufwand umsetzbar sein.“ Das hat Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner nach der Einigung mit Innenminister Horst Seehofer versprochen, als die Regierung vor einem Jahr Änderungen im Baugesetzbuch beschlossen hat. Auslauf mit Stroh, größere Fenster, oder sogar ein Ersatzbau, weil der alte Stall aus den 1980er Jahren nicht mehr umzubauen ist: Das wollen Landwirte, das fordern Tierschützer und daran messen Verbraucher ihre Akzeptanz. Mit dem Umbau darf keine Bestandsaufstockung verbunden sein. Dann klappt es. Oder doch nicht, wie die Anhörung im Bauausschuss des Bundestages am Montag zeigte. Selbst, wenn baurechtlich alles einwandfrei wäre, wird der Umbau nach Martin Kamp, Sachverständiger für Immissionsschutz bei der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, an den Emissionen scheitern.
Überblick
Im Juni 2013 wurde die Privilegierung von landwirtschaftlichen Bauten für Gewerbebetriebe eingeschränkt worden. Diese Tierhaltungen sind flächenlos, können aber auch ehemals landwirtschaftliche Betriebe sein, die durch Verweigerung der Pachtfortführung, Gewerbeansiedlungen und Flächenknappheit unverschuldet zum Gewerbe, also ohne Flächen wurden, wie Kirsten Tackmann von der Linksfraktion gerade für den Osten unterstreicht. Soll der Stall für mehr Tierwohl umgebaut werden, braucht der Betriebsleiter einen Bebauungsplan Erschließungsplan. Wird das durch die Baubehörde nicht genehmigt, darf auch im Sinne des Tierwohls nicht gebaut werden. Umgebaut werden sollen Ställe, die bis zum 20. Juni 2013 erstellt wurden. Von neueren Ställen wird ein höheres Tierwohl unterstellt.
Zuletzt hat die Borchert-Kommission als Kompetenznetzwerk für den Umbau der Tierhaltung den notwendigen, jährlich rund drei bis fünf Milliarden Euro kostenden Umbau der Ställe empfohlen. Die verschiedenen Tierwohllabel und das staatliche System bauen auf veränderte Haltungsbedingungen, die baulich vorhanden sei müssen. So wird allein das Ende des Kastenstandes im Deckzentrum den Flächenbedarf in einem vorhandenen Gebäude nahezu verdoppeln. Ein Neubau plus Ausbau mit Freilauf im alten Stand kann gerade einmal die vorhandene Tierzahl fixieren. Eine Aufstockung ist gar nicht erst möglich.
Vor diesem Hintergrund sinkt der Bestand an Tierhaltungen in Deutschland und vor allem im Schweinebereich. Seit 2010 hat ein Drittel der Betriebe aufgegeben, weil sich Umbauten nicht mehr lohnen. Es gibt kaum zusätzliche Entlohnungen über den Markt und selbst wenn wegen eines Umbaus keine Bürgerinitiative gegen den Stallumbau agiert, dauert eine Baugenehmigung auch mehrere Jahre. Dabei kommt es darauf an, ob in einer Region erstmals ein Stall gebaut wird, oder ein Neubau in einer bereits viehdichten Region geplant ist, erklärt Torsten Mertins vom Deutschen Landkreistag.
Die FDP verlangt in einem Antrag, den Ausschluss der Bau-Privilegierung grundsätzlich zu beseitigen. Begleitend soll auch das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImschG) für eine erleichterte Baugenehmigung für mehr Tierwohl geändert werden. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung könne entfallen und vor allem die Technische Anleitung Luft (TA Luft) soll auf Schutzvorschriften zu Bio-Aerosolen und neue Grenzwert zu Ammoniak (von zehn auf drei Mikrogramm pro Kubikmeter Luft) verzichten.
Tierwohl und Baurecht
Verwaltungsexperte Peter Kremer ist skeptisch, ob das Vorhaben gelingt. Das Vorhaben sei zwar begrüßungswert, aber es gebe im Baurecht keine Definition des Begriffes Tierwohl. Daher könne die Baubehörde weder Kapazitäten noch Expertisen. Die Verknüpfung sei auch verfassungsrechtlich bedenklich, weil der Rechtsbegriff „Tierwohl“, im Grundgesetz verankert mit herkömmlichen Mitteln angewandt werden muss. Das nennen Juristen „Bestimmtheitsgrundsatz“. Genau das, was eine Verbesserung des Tierwohls ist, kann die Baubehörde nicht festlegen.
So äußerte sich auch Lothar Saewert vom Ministerium für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung aus Mecklenburg-Vorpommern. Die Verknüpfung von Tierwohl und Baurecht sei in der Praxis kaum möglich.
Der Leitende Ministerialrat Jens Meißner aus dem Bauministerium in Thüringen ergänzt, dass Verknüpfungen an beispielsweise Label alles andere als konkret sind. Deren Kriterien sind „wandelbar“ und veränderten sich im Zeitablauf.
Gleichwohl möchte Saewert die Entscheidung auch bei den Kommunen als gewählte Volksvertretungen belassen. Sonst hätten die Menschen das Gefühl, eine ferne Behörde entscheide über ihren Kopf hinweg. Landrat Johann Wimberg aus Cloppenburg berichtete aus dem kommunalen Nähkästchen. Sein Landkreis regelt mehr als 4.000 Stallanlagen. Aber es dürfe keine Bauleitplanung geben müssen. Da sei ein Instrument zur Gestaltung der Gemeinde zum Wohle der Bürger. Bei einer Bauleitplanung für Tierställe ändere sich ja nichts, weil der Tierbestand gleich bleibe. Die Baubehörden würden solche Anträge eher nachrangig bearbeiten.
Rechtsanwältin Petra Nüssle vom Deutschen Bauernverband hingegen sieht die Verküpfung unkritisch. Zwar sei „Tierwohl“ im Baugesetzbuch nicht definiert, aber im Fachrecht der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung. Es sei üblich, bei fehlenden Definitionen auf das Fachrecht zu verweisen. „Die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung ist Tierwohl pur!“.
Emissionen
Meist wird über das Baurecht diskutiert. Doch Martin Kamp hatte den Blick auf die Umweltverträglichkeitsprüfung und das BIschmG geweitet. Auch wenn die Zahl der Tiere in dem ausbauenden Betrieb nicht erhöht wird, berühre das nicht das Immissionsschutzgesetz. Bodennahe Zwangsentlüftung und Auslauf verändern die Ströme von Aerosolen, Gerüchen und Ammoniak. Die Verwaltungsvorschrift TA Luft befindet sich in der Reform. Bislang haben Leitlinien bundesweit allerdings zu einer stetigen Verschärfung geführt und damit für Landwirte die Rechts- und Planungsunsicherheit unverändert gelassen. Die geplante Änderung des Baurechts werde daran nichts ändern. Selbst die Bindung an Futterflächen sei alles andere als planungssicher. Der Futteranbau muss anerkannt sein und derweil ist beispielsweise unsicher, ob Soja in ausreichender Qualität in Norddeutschland wachsen kann. Tiere im Außenbereich haben definitiv Auswirkungen auf die Emissionen. Welche aber, ist durchaus strittig. Wie werden subjektive Gerüche bewertet? Aerosolen und Ammoniak sind zwar messbar, aber haben sie beispielsweise wirklich einen Effekt auf angrenzende Schutzgebiete? Hier werden Argumente angeführt, die nach Kamp Bewohner, Behörden und Landwirte verunsichern. Ganz entscheidend ist die geplante Verschärfung des Grenzwertes von zehn auf drei Mikrogramm Ammoniak pro Kubikmeter Luft in der TA Luft: „Dann ist keine Genehmigung mehr möglich“, warnte Kamp. Die TA Luft stehe sowohl dem Gedanken an mehr Tierwohl auch den geplanten Veränderungen im Baurecht entgegen.
Roland Krieg
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