Der „verkannte Systemwechsel“
Landwirtschaft
Klöckner fordert „Fairness bei der GAP-Bewertung“ ein
Die Ratspräsidentschaft Deutschlands nähert sich dem Ende. Portugal wird am 01. Januar 2021 das Heft in die Hand nehmen. Zuvor zog die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner, am Donnerstag Bilanz und übergab den Staffelstab virtuell an ihre Amtskollegin Maria do Céu Antunes, die per Video ins Berliner Ministerium zugeschaltet war.
„Treibe und Taktgeber“
Mitten in der Pandemie ist die Ratspräsidentschaft alles andere als einfach. Dennoch trafen sich die Agrarministerin vier- von sechsmal plus einem informellen Treffen in Koblenz, auf Präsenszveranstaltungen. Deutschland war „Treiber und Taktgeber Europas“, und Klöckner selbst wollte die in Luxemburg erreichte Einigung bei der Vorlage für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) nicht klein geredet wissen. Neben den Agrar- und Umwelt- sowie Klimamaßnahmen hat der Agrarrat Ende Oktober auch erstmals das Tierwohl konditioniert und ein Mindestbudget für ökologische Maßnahmen geschaffen [1]. Soweit liegen die Vorschläge von Rat und Europaparlament nicht auseinander. Die Kommission steht mit ihren 2018 gefassten Vorgaben weit zurückgelassen da.
Dennoch sind die Kritiken an den GAP-Vorschlägen von Rat und Parlament von Umweltverbänden und -parteien eher größer als kleiner geworden [2]. Klöckner fordert „Fairness bei der Bewertung“ ein. Die Landwirtschaft in Europa ist heterogener als die zwischen Mecklenburg-Vorpommern, Bayern und Schleswig-Holstein, sagte sie. Der Kompromiss stand lange auf der Kippe und wurde dennoch „im Geiste Europas“ gefunden.
Mehr erreicht
„Wie haben einen Systemwechsel erreicht“, unterstrich sie in Berlin und wehrte sich gegen die Kritiken, dass die neue GAP ökologisch hinter den alten Vorgaben zurückfielen. Selbst in der vielfach zitierten Farm-to-Fork-Strategie werden Zielkonflikte zwischen Umwelt und Ökonomie ausbalanciert und die Landwirte bekämen das Geld nicht per se pro Hektar Fläche, sondern pro Hektar Bewirtschaftungsausrichtung. Das Cross Compliance der alten GAP sei viel weniger gewährleistungspflichtig. Klöckner sieht den Kompromiss als Zeichen der Stärke. Und einen echten Systemwechsel in der Agrarpolitik.
Mehr Geld
Mit Blick zurück auf die Ausgangssituation 2018 erinnerte sie an die drohenden Einschnitte im Agrarbudget für die erste und zweite Säule. Niemand wäre noch vor der Pandemie von einem vergleichbaren Niveau, ohne die zusätzlichen Gelder aus dem Recovery Fond, ausgegangen. Für Deutschland steht eine Milliarde Euro mehr für ökologische Leistungen zur Verfügung, was sicherlich nicht ohne eine Einigung über den Mehrjährigen Finanzrahmen auf dem letzten Europäischen Rat möglich gewesen wäre. Alleine das wäre Anlass für ein tieferes Durchatmen.
Mehr Subsidiarität
Die Trilogverhandlungen über die GAP gehen weiter und werden wohl eher zu Pfingsten 2021 abgeschlossen sein. Der Abschluss zählt für Maria do Céu Antunes zu den wichtigsten Aufgaben. Das Programm für die portugiesische Ratspräsidentschaft liegt noch nicht vor. Die Ministerin hat aber schon die Eckpunkte verraten: Europa wird resilienter, sozialer, solidarischer, grüner, digitaler und globaler. Die grüne Architektur in der GAP habe Priorität und soll so abgeschlossen werden, dass sie pünktlich zum 01. Januar 2023 beginnen kann. Dazu gehört die Balance, mehr Regionalität in der Landwirtschaftspolitik zuzulassen, ohne den gemeinsamen Binnenmarkt zu stören, sagte do Céu Antunes.
Denn Portugals Schlussstrich unter der GAP ist noch nicht das Ende. Die einzelnen Länder arbeiten an vorgesehenen nationalen Strategien für die Umsetzung der GAP. Julia Klöckner betont, dass die Instrumente als Bausteine für die von der EU vorgegebenen Ziele ausformuliert werden. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe wartet daher auf die Feinheiten, die im Trilog festgelegt werden. Die Instrumente sind für Deutschland so zu gestalten, dass die Bundesländer ihre regionalen Besonderheiten in der GAP berücksichtigen können.
Damit aber nicht alle 27 EU-Länder in verschiedene Richtungen ausbrechen, werde ein transparenter Prozess, die Einhaltung der Kommissionsvorgaben monitoren, so Klöckner.
Tiertransporte
Um das Thema Tiertransporte kümmert sich derweil der EU-Sonderausschuss „Anit“. Die Regeln sollen einheitlicher und Verstöße härter sanktioniert werden. Für Klöckner müsse es keine Lebendviehtransporte in Drittstaaten geben. Züchterischer Fortschritt könne alternativ über Reproduktionsmaterial statt über Zuchttiere weiter gegeben werden. Der Transport gehört, nachdem sich der Agrarrat auf ein EU-einheitliches Tierwohllabel verständigt hat, zur Tierwohl-Lebensspanne dazu und rundet die Qualitätsanforderungen von der Geburt bis zur Schlachtung ab.
Fischerei
Am Morgen legten die Agrarminister in Brüssel noch die Fangquoten für die Nordsee und den Atlantik fest. Gerade diese Seegebiete sind durch den Brexit überschattet. Daher gibt es vorläufige Fangquoten für die ersten drei Monate 2021 damit die Fischer am 01. Januar noch wissen, welche Quote ihnen zur Verfügung steht. Erreicht wurde das mit einem Rollover der Fangquoten von 2020, die 25 Prozent der diesjährigen Fangquote umfasst. Lediglich bei Makrele, Blauem Wittling und Stöcker wurde eine vorläufige Quote von 65 Prozent festgesetzt. Am 22. Dezember verteilt die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) die deutsche Quote auf die Bundesländer. Für die Kutterfischerei wird die Quote auf die Erzeugerorganisationen festgelegt, da sie zum Teil länderübergreifend fischen. Die legen dann die Quote für die Mitgliedsbetriebe fest.
Lesestoff:
[1] GAP-Verhandlungsmarathon in Luxemburg: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/gap-die-harte-nuss.html
[2] Echogramm zur GAP: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/echogramm-zur-gap.html
Roland Krieg; Fotos: roRo
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