Der Weg aus dem Fischnetz

Landwirtschaft

Der lange Weg zur selektiven Fischerei

Die Fischerei versorgt Milliarden Menschen mit Lebensmittel und sorgt für Beschäftigung. Voraussetzung sind gesunde Ökosysteme und ausreichende Fischbestände. Daran mangelt es aber. Überfischung kostet die Länder nach Berechnungen der WTO mehr als 50 Milliarden US-Dollar im Jahr. Rund die Hälfte davon sind Schäden aus illegalem Fischfang. Im Rahmen der Europäischen Fischereipolitik, die kurz vor der Agrarpolitik in die neue Förderperiode bis 2020 gegangen ist, steht der unerwünschte Beifang auf der Agenda ganz oben.

Bei jeder Ausfahrt werden nicht nur der Zielfisch, sondern auch Jungfisch, der den Bestand erhalten soll und andere Arten mitgefangen. Früher ging der als „Beifang“ wieder über Bord. Seit Anfang 2015 wird ein Anlanden des kompletten Fangs in der EU schrittweise eingeführt [1]. Ein Anfang. Und war am Montag Thema im EU-Fischerei-Ausschuss.

Merkmale für selektiven Fang

Es weilte mit Christopher Zimmermann auch ein Wissenschaftler des Thünen-Instituts für Ostseefischerei in Brüssel, der das neue Netz „Freswind“ vorstellen konnte [2]. Die Deutschen sind nicht die einzigen die daran forschen. So bestimmen Maschenweite, die Lage von veränderten Maschen entlang des Netzes, Leitplanken und andere Modifikationen im Netz, welche Fische am Ende gefangen sind und welche Arten wieder flüchten können. Dabei spielt das arteigene Verhalten und die Morphologie der Fische eine entscheidende Rolle. Die einen weichen Garnfäden zur Seite aus und entdecken das für sie vorgesehene Fluchtfenster im Netz, die anderen kümmern sich nicht darum und landen auf dem Speiseteller. Schollen flüchten auch wieder ins Netz wenn sie nach Durchschwimmen des Fluchtfensters kein Netz mehr unter ihrem Bauch spüren. Um sie wirklich in die Freiheit zu entlassen, haben Wissenschaftler das Netz unterhalb des Fluchtfensters einfach ein Stück verlängert.

Historische Diskussion

Dudley Marjoribanks, der spätere 1. Baron von Tweedmouth, beklagte schon 1898 die Schwemme kleiner Fische auf dem Londoner Markt. Ursache war der eigentlich brave Wunsch, kleine Fische wieder dem Meer zu überlassen. Dadurch aber, so der Tierzüchter, der den Golden Retriever „erfand“, bildeten immer kleinere Fische den Bestand. Und wurden gefangen und verkauft.

Darüber berichtete im EU-Fischerei-Ausschuss Michael Heath von der schottischen Universität in Strathclyde. Auch die Vergrößerung der Maschen in der modernen Fischerei führt zu einem größeren Bestandteil an kleinen Fischen in den Beständen der EU-Gewässer. Auf Dauer kann das keine Lösung sein.

Das Zurückwerfen unerwünschter Fische wirke ebenfalls negativ auf das Ökosystem Meer. Dadurch werden Seevögel und aasfressende Lebewesen am Meeresgrund in der Nahrungsversorgung bevorzugt. Werden die nicht gewünschten Fische durch selektive Fangmethoden lebend im Gewässer belassen, verbessere sich die Gesamtmortalität des Ökosystems. Von einer Erholung der Bestände profitieren am Ende auch die Fischer.

Wie geht es weiter?

Nur technische Maßnahmen und Regelungen werden die Fischer nicht zufrieden stellen. Zumal sie auch nicht immer sinnvoll gewesen sind, beklagte Clara Ulrich vom Dänischen Institut für Meeresressourcen. Sobald nicht der gewünschte Effekt eintritt, erfinde die EU neue Maßnahmen und habe ein Wettrüsten zwischen technischen Regelungen und Politik in Gang gesetzt. Wünschenswert wäre ein richtiges Bestandsmanagement, das auch mit weniger technischen Modalitäten auskomme. Dafür seien aber exakte Daten notwendig. Das fange bei der Dokumentation im Logbuch über die gefangenen Fische an und binde die exakte Bestandsschätzung eines Seegebietes ein. Mehrjahresbewirtschaftungspläne sind in der Praxis über verschiedene Arten hinweg nicht leicht umzusetzen. Neben den Grunddaten, sind Fragen nach Kontrollen und Sanktionen offen. Die Meereswissenschaftlerin warnte die EU, solche Mehrartenbewirtschaftungspläne ohne Übergangszeit einzuführen.

Pim Visser, Direktor des niederländischen Verbandes VisNed, führte die Problematik des Kompromisses aus: Die wertvolle Seezunge kann nur mit einer Maschenweite von 80 mm gefangen werden. Die kleinen Schollen aber, die aus den Netzen entweichen sollen, bräuchten für ihre Flucht Maschenweiten von 120 mm. Erste technische Lösungen seien aber in Arbeit .Denn: Das Ziel der Fischer, Fische zu fangen, dürfe in der Diskussion nicht vergessen werden.

Lesestoff:

[1] Rückwurfverbot

[2] Das Freswind-Netz gibt der Scholle eine Chance

Roland Krieg

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