Der Weg zum Tierwohl bleibt strittig

Landwirtschaft

Hohe Qualität oder breite Umsetzung einfacher Standards?

Es gibt hochqualitative Siegel für den Tierschutz. Die sichern aber nur wenigen Tieren auf wenigen Betrieben eine artgerechte Haltung und erschließen seit Jahrzehnten keine neuen Marktanteile. Auf der anderen Seite werden Tiere millionenfach nach gesetzlichem Standard und leichten Zusatzkriterien gehalten, stehen deswegen aber ständig in der Kritik.

Die Brancheninitiative Tierwohl ist mit einem neuen Konzept angetreten, über eine Massenbilanz, Tierschutz in die Breite zu tragen. Weil das Budget zu gering ist, gab es Wartelisten für teilnehmende Betriebe und ständige Diskussionen über die Fortführung des Projektes. Darüber feixt der Tierschutzbund, der mit Unterstützung des Bundeslandwirtschaftsministeriums ein anspruchsvolleres Siegel auflegte. Parallel hatte sich mit dem Motto „Eine Frage der Haltung“ das Bundeslandwirtschaftsministerium in die Diskussion eingeschaltet und plädiert für ein nationales Tierschutzlabel. Eine ordnende Hand könnte dem Thema eine Richtung geben, ohne dass ein Wettbewerb ausgelöst wird, der Verbraucher am Ende an allen Siegeln zweifeln lässt. Derzeit herrscht jedoch eine Kakophonie.  

Je näher die Vorstellung eines nationalen Siegels rückt, desto mehr bekriegten sich aber die zwei bedeutendsten Protagonisten, um beim Start als „Sieger“ das inhaltliche Gerüst für das Berliner Siegel zu stellen. Mühsam hat die Initiative Tierwohl eine Verlängerung über 2018 hinaus erkämpft, da droht der Deutsche Tierschutzbund aus dem Beirat auszusteigen, weil die Kriterien viel zu gering seien. Das hat nun den Deutschen Bauernverband auf die Palme gebracht, der „sein“ Tierwohlzeichen gefährdet sieht. „Für den erneuten Versuch des Tierschutzbundes, die Initiative Tierwohl auszubremsen, habe ich überhaupt kein Verständnis“, sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied am Mittwoch. Die Initiative Tierwohl sei gegenwärtig der einzige Ansatz, der die Ziele auf wirtschaftliche Basis umsetze.

Wer am Ende das Rennen macht bleibt offen, wie Dr. Hermann Onko Aeikens, Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, auf der Agrarministerkonferenz vergangene Woche zu Herd-und-Hof.de sagte.

Abschlussbericht Kompetenzkreis Tierwohl

Vor diesem Hintergrund hat der Kompetenzkreis Tierwohl am Mittwoch seinen Abschlussbericht an das Bundeslandwirtschaftsministerium übergeben. Der Vorsitzende Gert Lindemann [1] hat darin Vorschläge zusammen gefasst, ohne deren Umsetzung „die Nutztierhaltung nicht aus der permanenten Defensive“ herauskommt. Der Abschlussbericht begrüßt zwar die verschiedenen Initiativen, schränkt aber ein, dass ohne Abstimmung kein zeitnaher Fortschritt und kein langfristiger Entwicklungspfad zu erreichen sei.

Ohne einem nationalen Tierschutzlabel das Wort zu reden, soll der Bundestag eine Enquete-Kommission über die Zukunft der Tierhaltung einrichten. Um im internationalen Wettbewerb nicht alleine zusätzliche Vorgaben schultern zu müssen, sollten die wichtigsten Tierhaltungsländer gemeinsame Standards entwickeln und die EU nach Wegen suchen, internationale Ware, die gegen die neuen Standards verstößt, zurückzuweisen. Auseinanderstrebende Initiativen sollen in einem gemeinsamen Bund-Länder-Tierschutzplan nach gemeinsamen Zeitplan umgesetzt werden.

Was bedeutet das?

Auf Dauer haben weder der Deutsche Tierschutzbund noch die Brancheninitiative alleine eine Chance. Da der Handel mit eigenen Vorgaben zum Ferkelschwanz, Hennenschnabel und zur Ebermast eine eigene Agrarpolitik umsetzt, liegt die Messlatte für ein nationales Tierschutzlabel bereits über der Brancheninitiative, dessen Vertreter aus dem Lebensmittelhandel sich offenbar selbst nicht an die Spielregeln halten.

Das bringt Bauernpräsident Joachim Rukwied erneut in Rage: Zahlreiche Forderungen hätten noch keine praxistaugliche Lösung für die Tierhaltung hervorgebracht. Thomas Schröder, Präsident des Tierschutzbundes hingegen, will mit den Ideen gleich aufs Gaspedal drücken. Die „Zeit des Redens ist vorbei“.

Welche Wahl hat der der Bundeslandwirtschaftsminister? „Deutschland muss Vorreiter in Sachen Tierwohl werden“, sagte er anlässlich der Übergabe des Berichtes. Das Geheimnis wird spätestens zur Grünen Woche gelüftet.

Lesestoff:

www.bmel.de/Abschlussbericht-Tierwohl

[1] Gert Lindemann zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Roland Krieg

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