Der Weltmarkt muss neu definiert werden

Landwirtschaft

Landwirtschaft: Der Weg aus der Sinnkrise

Hinter dem Strukturwandel in der Landwirtschaft steckt im Kern die Sinnfrage, ob sich das weitermachen noch lohnt. Kann der Betrieb noch wachsen, in welche Richtung und womit? Zudem fühlen sich Landwirte durch eine zunehmende Anzahl an Auflagen schikaniert, weil sie aktuell ihre Rechnungen nicht bezahlen können. Bauerndemonstrationen, der Borchert-Plan für den Umbau der Nutztierhaltung und die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) sind Zeichen auf dem Weg, sich Klarheit zu verschaffen. In Brüssel haben neben der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Green Deal, die Biodiversitätsstrategie und die Strategie „From-Farm-to-Fork“ (F2F) auf der Bühne der Agrarpolitik Platz genommen.

Warnungen vor der Extensivierung

Vor diesem Hintergrund konnte der europäische Abgeordnete Herbert Dorfmann von der EVP in Südtirol am Mittwochmorgen das aktuelle Abstimmungsergebnis für die F2F-Strategie verkünden. Das Parlament hat sie mit 452 Stimmen angenommen. Dorfmann war auf dem Hohenheimer Hochschultag live aus Straßburg zugeschaltet. Die neue GAP ändert entgegen ihrer Kritiker viel, hat aus dem unbeliebten Greening Eco-Schemes gemacht und passt zum Green Deal und dem Klimapaket der EU. Dorfmann hat auch Stellung zu den Kritikern genommen, die sich nach dem Bericht der Gemeinsamen Forschungsstelle und der Universität Wageningen bestätigt fühlen, das der Weg in die Extensivierung die Produktion in Europa verringern werde. Die Kritik wurde von den Altvorderen der Agrarökonomie Ulrich Koester und Michael Schmitz diese Woche gegenüber der ZKL wiederholt. Die Umsetzung der Empfehlungen würde die Agrarpolitik außer Kraft setzen und nicht kalkulierbare Kosten hervorrufen. Die Welternährung sei in Gefahr.

Den Wandel richtig verstehen

Die Kosten der Landbewirtschaftung werden steigen, sagte der ZKL-Vorsitzende Peter Strohschneider diese Woche [1]. Aber die Kosten der Klima- und Gesundheitskrise werden noch teurer. Nach Dorfmann würden sich viele Landwirte über eine Reduzierung der Produktion freuen. Die Last der Überproduktion entlastet die Preise. Schon eine Reduzierung der Lebensmittelverschwendung von aktuellen 25 Prozent der tatsächlichen Erzeugung würde den Druck der Intensivierung verringern und Raum für neue Bewirtschaftungsformen geben.

Agrarökonom Sebastian Hess von der Universität Hohenheim ging in die Tiefenanalyse. Die Erzeugerpreise auf dem aktuellen Schweinemarkt bilden sich unabhängig von den Verbraucherpreisen. Dafür sind sie eng an den Ausfuhrpreis gekoppelt. Ein Teil der Milch- und Schweinemenge, die mit Versiegen von Exportmärkten auf die Preise drücken sind nach seiner Analyse erste in den vergangenen 15 Jahren entstanden.

Sein Beispiel über den schwedischen Schweinemarkt zeigt, dass es Platz für eine Mengenreduzierung gibt. Die Schweden hatten vor Beitritt zur EU im Jahr 1995 hohe Tierschutzstandards, die auf dem Binnenmarkt nicht wettbewerbsfähig waren. Bei nahezu gleichem Konsum an Schweinefleisch brach die eigene Erzeugung zu einem Drittel ein. Die Produktionslücke wurde von Dänen und Deutschen gefüllt. Im Jahr 2020 hat die schwedische Erzeugung zwar das hohe Niveau von 1995 nicht erreicht, aber da der Konsum zurückgeht nähern sich Produktion auf nach wie vor hohem schwedischen Standard und Konsum einander an. Das wurde nach Hess durch einen intensiven Mediendiskurs, der 2. Säule der GAP, einer Änderung des Beschaffungskonzeptes des LEH und durch eine Veränderung der Konsumeinstallung bei Verbrauchern erreicht.

Hess hat auf virtuell im Handbuch der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) aus dem Jahr 1999 zurückgeblättert. Für den Ausblick auf die Landwirtschaft 2010 kamen die Autoren zu dem Schluss, dass für die deutsche Landwirtschaft der internationale Wettbewerb für den deutschen Schweinehalter nicht über den Preis zu gewinnen ist.

Die damalige Empfehlung lautete, hohe Produktionsstandards als Marktstrategie für den Weltmarkt zu proben. Das aber hat die Landwirtschaft verfehlt, wenn nicht überhaupt, als Erkenntnis ignoriert.

Der Welthandel bietet Chancen. Das Abkommen mit Kanada (CETA) führt Hess als Positivbeispiel an. Das nordamerikanische Land hat ebenfalls hohe Standards. Die EU hat nach Inkrafttreten im Jahr 2017 ihre Käseexporte durchschnittlich mehr als verdoppelt. Die deutschen Käseexporteure hingegen haben an diesem Trend keinen Anteil genommen und treten nur gelegentlich als Exporte auf. Dafür haben sich die deutschen Molkereien für China als Exportmarkt entschieden, der 30 bis 40 Prozent des Exportkäses aufnimmt.

„Der Weltmarkt“ muss nach Hess vor den Hintergründen der Umwelt- und Klimakrisen neu definiert werden. Als Benchmark für den niedrigsten Preis tauge er nicht. Das deutsche Agrargewerbe müsse lernen, Exporte nach Segmentierung in verschiedene Standards wahrzunehmen und könne sich auf die EU als Handelspartner für Freihandelsabkommen verlassen. Die weltweiten Unternehmen können mit freiwilligen Standards Einfluss auf ihre eigenen Exportmärkte nehmen.

Perspektiven für die Landwirte

Den preiswertigen Weltmarkt werde es weiterhin geben. Aber wer dort verkauft muss mit begrenzten Märkten rechnen. Regionale Märkte als Alternative legen den Fokus auf die hohe Zahlungsbereitschaft der Kunden. Für einen Teil der Landwirte funktioniere as, aber die abzusetzende Menge ist begrenzt.

Landwirte müssen sich flexibler aufstellen und sollen über Verbundeffekte wachsen. Neue Märkte mit Pioniergewinnen sind zwar zeitlich begrenzt, bieten aber Differenzierung der Produktion und neue Standbeine an.

Lesestoff:

[1] Es war nötig: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/der-testlauf-fuer-das-agrar-ampelgespraech.html

Roland Krieg

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