Der Wolf bleibt Streitobjekt
Landwirtschaft
Unterschiedliche Sprache von Weidetierhaltern und Wolfsmanagern
Obwohl ein Begriff wie der „Problemwolf“ leicht zu definieren scheint, steht die Rechtsprechung den Entnahmeanfragen sehr differenziert gegenüber [1]. Großbritannien zeigt, dass Weidetierhalter auch ohne Wölfe hohe Verluste haben [2].
Risse in Rheinland-Pfalz
Die Änderung des Naturschutzgesetzes zur leichteren Entnahme von Problemwölfen hat die Gemüter nicht beruhigt. Der Wolf breitet sich aus und die Zahl der Nutztierrisse nimmt zu. Erst in dieser Woche hat Rheinland-Pfalz die Nutztierrisse in Großkampenberg und Irrhausen Mitte Juli 2020 dem Wolf GW1554m zuweisen, der aus dem niedersächsischem Rudel in Herzlake stammt. Kotanalysen belegen seinen Aufenthalt selbst in den Niederlanden und Belgien. Seine Anwesenheit in Rheinland-Pfalz wurde im Januar 2020 nachgewiesen. Ob dieser Wolf für die aktuellen Risse bei Roscheid verantwortlich ist, steht noch aus. Der Wolf, der im Dezember 2019 über Kotproben bei Linz am Rhein identifiziert wurde, stammt aus dem Westerwald und trägt die Kennzeichnung GW1159m.
Bundesweite Schadenmeldungen
Die Kurve der wolfsverursachten Nutztierschäden in Deutschland geht sowohl bei der Zahl an Übergriffen, als auch bei der Zahl der verletzten und getöteten Tier nach oben. Das weist der im Juli 2020 veröffentlichte Bericht der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) auf.
Die in Görlitz ansässige Stelle im Senckenberg Museum für Naturkunde weiß: „Mit der Ausbreitung des Wolfbestandes nehmen auch die wolfsverursachten Schäden zu.“ Die Varianz der Fälle sei aber groß. Dafür gibt das DBBW verschiedene wissenschaftliche Analysen wider. In den Ländern, in denen der Wolf bis heute überlebt hat, gibt es eine kontinuierliche Tradition des Herdenschutzes. Die Nutztiere weiden hinter wolfsabweisenden Zäunen oder werden wie eh und je durch Hirten und Herdenschutzhunde überwacht. Für die Dunkelheit gibt es spezielle Nachtpferche.
In den Ländern, in denen der Wolf ausgerottet wurde, hatten die Weidetierhalter schon alleine aus arbeitserleichternden Gründen auf den Herdenschutz verzichten. Daraus folgt, dass die Herdenmanager sich erst wieder an die Arbeitstradition des Wolfsschutzes gewöhnen müssen. Wo das gelingt sind Wolfsrisse weniger häufig und die Schadensumme kleiner: „Vergleiche in verschiedenen europäischen Ländern zeigen, dass das Ausmaß der Schäden an Nutztieren weder von der Größe des Wolfsbestandes in einem Land noch von der Anzahl der Nutztiere abhängen“, heißt es im aktuellen Schadenbericht 2018/19. Das Ausmaß der Schäden hänge allein vom Maß des Herdenschutzes ab. Diese Erfahrungen zeigten sich auch in Deutschland der letzten 20 Jahre. Nach Analyse des DBBW treten die hohen Schäden dort auf, wo in Deutschland der Wolf erstmals auftaucht und die Weidetierhalter sich noch nicht auf die Anwesenheit des Wolfes eingestellt haben.
Aber auch Wölfe, die an nicht ausreichend geschützten Schafen gelernt haben, dass diese eine einfache Beute sind, vergrößern die Schadensummen. Der DBBW kritisiert den in Deutschland eingesetzten Herdenschutzzaun. Der 90 cm hoher Elektrozaun ist Pflicht, um im Schadenfall, Ausgleichsmaßnahmen zu erhalten. Diese Bewehrung sei aber ein politischer Kompromiss „zwischen der Schutzwirkung gegenüber Wölfen einerseits und der bisherigen Praxis der Tierhaltung andererseits.“ Demnach trägt die Politik einen Teil der verursachten Schadenslast.
„Wolfsrisse kaum mehr beherrschbar“
Mit dem reinen Blick auf die Zahlen hält der Deutsche Bauernverband (DBV) die neuerliche Steigerung der Wolfsangriffe und Schäden um 40 von 2017/18 auf 2018/19 für dramatisch. DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken hält die Entwicklung sogar für „vorhersehbar“ und werde von den Naturschützern „mit Achselzucken hingenommen… Die Taktik des Verharmlosens und Verniedlichens der massiven Schäden ist unverantwortlich“, teilte Krüsken am Dienstag mit.
Was der DBBW mit Weidehaltung in Wolfsgebieten meint, hat dieser in seiner Jahresanalyse aufgezeigt. Für den DBV ist das eine fragwürdige Sprachregelung und „verschleiere die Tatsache, dass sich der Wolf in Deutschland in einer dicht besiedelten und von Menschen bewohnten und von Weidetieren genutzten Kulturlandschaft ausbreitet.“
Wo es zwackt
Der ordnungsgemäße Herdenschutz ist beispielsweise in der Richtlinie Wolf in Niedersachsen hinterlegt. Die Analyse der Wolfsangriffen des Landes 2019 zeigt, in 67 Prozent der Fälle war keiner und in weiteren 21 Prozent der Fälle nur ein eingeschränkter Schutz vorhanden. In Schleswig-Holstein ist das ähnlich. Lediglich 15 Prozent der Herden mit Wolfsangriffen hatten den Landesstandard für Wolfsangriffe eingehalten.
Als wirklichen Mindeststandard wird ein 120 cm hoher elektrischer Zaun mit fünf Litzen in den Höhen von 20, 40, 60, 90 und 120 cm empfohlen. Wo die Wölfe ihre Fähigkeiten an nicht oder nicht ausreichend geschützten Herden optimieren können, stellen dieser Mindeststandards auch keine volle Sicherheit da. Offenbar muss auch der Wolf lernen, dass nicht jedes Schaf für ihn erreichbar ist und lässt es dann in Ruhe.
Rechtliche Effekte
Die Änderung des Naturschutzgesetzes ist gerade erst dabei, ihre Effekte zu zeigen (s. oben). Noch sind die Urteile nicht gleichgerichtet und die Judikative nimmt sich noch Zeit, die Fälle bis ins Detail zu überprüfen. „Eine Regulierung des Wolfsbestandes ist unverzichtbar“, sagt Krüsken. Das nach jahrelangen Diskussionen heute auch kaum mehr einer abstreitet.
Keine Frage. Die neue Rechtsprechung ist noch kein halbes Jahr alt. Der Herdenschutz darf nicht an politischen Kompromissen scheitern. Noch ist es zu früh, vom Untergang der Weidetierhaltung in Deutschland zu sprechen, solange Zäune und Urteile ihre Schutzpotenziale noch nicht voll ausgeschöpft haben.
Lesestoff:
[1] Hessen fragt an, Thüringen lehnt ab, Niedersachsen genehmigt: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/stoelzinger-woelfin-soll-entnommen-werden.html
[2] Hunde sind das Problem britischer Schäfer: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/kein-wolf-keine-probleme.html
Roland Krieg
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