Der ZKL-Abschlussbericht und die Reaktionen
Landwirtschaft
Wie praxisnah ist der ZKL-Abschlussbericht?
Die zuverlässige Versorgung der wachsenden Bevölkerung bei steigendem Wohlstand hat auch eine Kehrseite, wie der Abschlussbericht der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL), der heute vom Vorsitzenden Peter Strohschneider an die Bundeskanzlerin Angela Merkel übergaben hat, in seinem Vorwort konstatiert: „Formen der Übernutzung von Natur und Umwelt, von Tieren und biologischen Kreisläufen bis hin zur gefährlichen Beeinträchtigung des Klimas.“
Darüber sind sich die 40 Akteure der fast ein Jahr lang tagenden Kommission und die meisten Menschen außerhalb einig. Doch über das „Wie“ wird gestritten. Das hat zu führendem nicht-landwirtschaftlichen Unmut bei den Bauern geführt, deren große Berliner Demonstration Ende 2019 schließlich zur Bildung der ZKL geführt hat. Kurz vor Ende hat sich „Land schafft Verbindung“ einmal mehr geteilt. Außerhalb der bestehenden Organisationen finden die Landwirte keine gemeinsame Linie und haben vor dem Bundestagswahlkampf die Chance verpasst, sich mit einer Stimme zu Wort zu melden. Politik und Verbände werden die Ergebnisse der ZKL in den kommenden Wochen zu nutzen wissen.
Die Worte der Kanzlerin
Die Balance zwischen den vielen sehr unterschiedlichen Interessen nach weniger als einem Jahr zu finden und zu formulieren sei „wegweisend“ betonte die Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der Bericht „ist ein schöner Packen für alle, die potenziell regierungsfähig sein werden, die kommen daran nicht mehr vorbei.“ Die gerade verabschiedete Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik in Brüssel sei zudem nur eine Übergangszeit, der eine feste Perspektive für die nächste Förderperiode folgen werde.
Was ist wirklich neu?
Ökologisch stehen viele konventionelle Landwirte bei Boden- und Artenschutz gut da. Die Extensivierung des Ökolandbaus geht nur mit einer veränderten Ernährungsweise der weltweiten Bevölkerung. Die Weiterentwicklung vom Greening zu den Eco-Schemes hat die Flächenförderung schon mehr als aufgeweicht. In intensiven Ackerbauregionen könnte sich eine Beteiligung an der GAP schon nicht mehr ökonomisch lohnen.
Die seit Monaten hohen Getreide und Co. sehen die Landwirte mit schiefem Blick, weil die Kosten für Betriebsmittel ebenfalls steigen und die Gewinnmarge kaum verändern. Wenn der Lebensmitteleinzelhandel aus dem „Einfachsegment“ der Tierhaltung aussteigt, können Tierhalter weder oftmals den Stall nicht umbauen, noch sicher sein, dass die doppelt so hohen Kosten am Ende vom Verbraucher auch bezahlt werden.
Mit zwölf „Leitlinien für den Transformationsprozess“ will die ZKL den gordischen Noten lösen. Dahinter stehen Begriffe wie ökologische Verträglichkeit, Diversität der Betriebsformen, Vermeidung negativer Externalitäten, faire Lebensmittelpreise, knappe Transformationszeit, große Werkzeugkiste (Recht, Auflagen, Subventionen, Zertifikate, Ausbildung, Forschung), politische Kohärenz, Honorierung für öffentliche Güter, Kooperation, Reallabore und Diskussionsprozesse.
Wie sieht die Umsetzung aus? Einige Bewertungen
Nach der ordentlichen akademischen Zusammenfassung stehen auch Aufgaben und Handlungsempfehlungen im Vordergrund.
Beispiel Betriebsstrukturen: Die vorhandene Vielfalt der Betriebe solle ausgebaut werden. Dann folgt ein erster Schritt in die Praxis. Da viele Betriebe nicht mehr kostendeckend wirtschaften, müssten Geschäftsfeldanalysen neue Betriebszweige und Vermarktungswege erschließen. Nur: Wer sagt einem Betrieb, es lohnt sich keine Diversifizierung mehr und entzieht dem unwirtschaftlichen Betrieb die Fördergelder aus öffentlichen Kassen?
Beispiel Bodenmarkt: Seit Jahren versuchen Bundesländer ihre Grundstücksverkehrsverordnung so zu ändern, dass sie den Landwirten zugutekommt und die Preise für Pacht und Kauf von Land in Grenzen hält? Die ZKL empfiehlt: Anzeigepflicht von Pachtverträgen, Absenkung der Schwelle zur Grunderwerbssteuerpflicht, Absenkung der Spekulationsschwelle, Förderung von Junglandwirten beim Zugang zum Bodenmarkt. Punkt zwei ist gerade im Bundestag gescheitert.
Beispiel Arbeitskräftesituation: Tariflöhne für eine Arbeit, die körperliche Überlastung vermeidet und die Qualität der Arbeitsplätze verbessert. Aber: Ein Großteil der aus Deutschland eingesprungenen Saison-Arbeitskräfte bei der Obst- und Gemüseernte haben nach wenigen Tagen die Betriebe wieder verlassen. In der aktuellen Bauernzeitung berichtet ein Bestandskontrolleur, der für die Gesundheit von Saat- und Pflanzgut verantwortlich ist, dass kaum einer täglich viele Kilometer Fußweg durch Getreide- oder Kartoffelfelder für die Auswertung und Bonitierung der Pflanzen übernehmen will. Demnächst hört der auf die 70 Jahre zugehende Bestandsprüfer auf. Die mit Mühe und Not durchgesetzte soziale Konditionierung der GAP-Gelder wird ins Leere laufen. Das beschreibt auch die ZKL. Nur noch 36 Prozent der Haupterwerbsbetriebe haben eine gesicherte Betriebsnachfolge. Ob die ZKL-Empfehlungen Beratung und Finanzhilfen eine Trendwende einleiten, bleibt fraglich.
ZKL und Praxis
Einige Empfehlungen der ZKL folgen den Wünschen von Verbrauchern und Politik, ohne das neue Lösungswege aufgezeichnet wurden. Das Studieren des 190-Seiten-Textes aber lohnt. Es gibt auch konkretes, was die nächste Politik noch mehr beachten kann: So soll die Flächenbindung der Tierhaltung nicht auf den einzelnen Betrieb, sondern für eine Region gelten. Das entbindet Nutztierhalter von der vergeblichen Suche nach Land. Gerade in der Tierhaltung kann die Förderung regionaler Schlachtungs- und Verarbeitungsbetriebe die Entzerrung viehdichter Regionen und dem Wunsch der Verbraucher nach regionalen Produkten helfen. Die dadurch steigenden Lebensmittelpreise könnten für die ZKL „durch eine Erhöhung des ernährungsbezogenen Satzes bei Transfereinkommen und durch jährliche Kompensationszahlungen bei der Anhebung von Verbrauchssteuern erfolgen.“ Für gesunde Produkte wie Obst und Gemüse empfiehlt die ZKL die Senkung der Mehrwertsteuer.
Der landwirtschaftlichen Besonderheit, mit der „Ernährungssicherheit“ eine oft vernachlässigte öffentlich Leistung zu erzielen, kommt die ZKL mit der Forderung nach einem eigenem Wettbewerbsraum nach. Da sollen eine Verstetigung der Produzenteneinkommen, die Abfederung von Risiken, Mengenplanung und Festpreismodelle als Ersatz der staatlichen Dauersubvention sowie eine zeitlich begrenzte Mengenreduzierung möglich sein. Die ZKL verspricht dabei auch eine Beförderung regionaler Wettbewerbsstrukturen.
Neidisch haben die Mitglieder auf den Ökolandbau geschaut: „Ökolandbau ist das einzige Nachhaltigkeitsprogramm, das über einen nennenswerten und äußerst dynamischen eignen Markt verfügt.“ Ein Grund sind die definierten Prozessqualitäten.
Elf Milliarden Euro pro Jahr
Zur GAP: Die 1992 als Kompensation zum Abbau der Interventionspreise gezahlte Flächenförderung gilt als Auslaufmodell. Ab 2028 sollen zweckgebundene Fondslösungen Erschwernisse ausgleichen und die treibhausgasmindernde Landbewirtschaftung befördern. Die ZKL hat sogar berechnet, welche Kosten für eine nachhaltige Landwirtschaft notwendig sind. Die Förderung des Ökolandbaus und der Umbau der Tierhaltung schlagen mit mehreren Milliarden Euro pro Jahr am meisten zu Buche. Die Gesamtkosten beziffert die ZKL auf sieben bis elf Milliarden Euro – pro Jahr. Damit kommt die ZKL zu dem bekannten Ergebnis, dass die GAP alleine niemals für die Transformation der Landwirtschaft alleine ausreicht. Die Lücke von fünf bis neun Milliarden Euro pro Jahr müssen sich Staat und Verbraucher irgendwie aufteilen.
Die Abschlussmatrix der ZKL beschreibt vier verschieden intensive Entwicklungen der nächsten zehn Jahre und ordnet sie Themenabhängig für die Politikberatung. bestimmten Aufgaben zu.
Reaktionen
Der Deutsche Bauernverband (DBV) begrüßt den Bericht und konstatiert, dass jede nächste Regierung an den Inhalten nicht herumkomme. Der Deutsche Tierschutzbund spricht von „Rückenwind“ nach politischem Stillstand und von „Hoffnung“ für den Tierschutz. Den im Bericht beschriebenen Marktmaßnahmen wie freiwillige und zeitlich begrenzte Mengenreduktion zur Begrenzung von Überschüssen kann die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft „AbL“ viel abgewinnen. Stephanie Franck vom Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter würdigt festgelegte Bedeutung des Züchtungssektors. Die ZKL hat den Vorschlag zur Gründung einer Senatskommission zum Thema Pflanzenzüchtung bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gemacht. Der agrarpolitische Sprecher der FDP, Gero Hocker, kritisiert, dass die große Koalition nicht von selbst und schon früher eine vergleichbare Kommission eingerichtet haben. Diese hätte „unsachliche Regelungen wie das Insektenschutzpaket oder die Düngerverordnung niemals auf den Weg gebracht.“ Kirsten Tackmann, agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion, hat die Finanzierung als „Gretchenfrage“ ausgemacht. Die Finanzierung könne nur gemeinsam von Bauern, Verbrauchern und Staat gestemmt werden. Damit die Finanzierung fair wird, müssten auch die Konzerne an dem Umbau beteiligt werden.
Lesestoff:
Den Bericht der ZKL finden Sie unter https://www.bmel.de/DE/themen/landwirtschaft/zukunftskommission-landwirtschaft.html
Roland Krieg
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