Deutsch-chinesische Konsultation
Landwirtschaft
Chinas Herausforderungen
Chinas
Ministerpräsident Wen Jiabao reist das erste Mal mit 16 Ministern. Entsprechend
umfangreich sind die Abkommen der 1. deutsch-chinesischen
Regierungskonsultationen: 20 an der Zahl, die heute in Berlin unterzeichnet
wurden. Für Wen Jiabao genauso wichtig: Es wurden Geschäftsbeziehungen mit
einem Volumen von 15 Milliarden US-Dollar eingeleitet.
Bundeskanzlerin
Dr. Angela Merkel sieht „ein neues Kapitel in den deutsch-chinesischen
Beziehungen“, die vor allem strategischer Natur seien. Mit Blick auf die
Elektromobilität sollen jeweils drei Modellregionen gegründet werden:
Rhein-Ruhr, Bremen-Oldenburg und Hamburg sowie Wuhan, Dalian und Shenzhen in
China.
Deutschland
könne auch bei der Energieeffizienz helfen. In China werden jedes Jahr rund 20
Millionen Wohnungen gebaut. Im Bereich von Schulen hat die Deutsche Energie-Agentur (dena) schon bei einer Schule mitgeholfen.
Abkommensvielfalt
Regierungssprecher
Steffen Seibert teilte die Vielfalt der unterzeichneten Abkommen mit. Darunter
ist die Erklärung zur Erleichterung gegenseitiger Investitionen, der Aufbau
einer Deutsch-Chinesischen Kommission zur Zusammenarbeit in der Normung (beide
mit dem Wirtschaftsministerium), die Errichtung eines Generalkonsulats
(Auswärtiges Amt), Zusammenarbeit bei der Energieeffizienz im Gebäudebereich
(Bauministerium), die Gründung einer deutsch-chinesischen Arbeitsgruppe zur
beruflichen Bildung und Gründung einer Innovationsplattform Lebenswissenschaften
(beide mit dem Forschungsministerium).
Im
Bereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (BMELV) wurde die Erklärung über die weitere Intensivierung
der landwirtschaftlichen Zusammenarbeit unterzeichnet.
Landwirtschaft
Staatssekretär
Dr. Gerd Müller aus dem BMELV sieht unter anderem die Lebensmittel- und
Produktsicherheit als Kerngebiete der Zusammenarbeit. Er führte die Gespräche
über eine bilaterale Kooperation. „In Zeiten des globalisierten Handels sind
Lebensmittel- und Produktsicherheit von überragender Bedeutung“, so Müller.
Gemeinsam werden Fragen der Qualitätssicherung und -kontrolle in der gesamten
Produktionskette erörtert, aber auch die Hygieneüberwachung, Risikoanalyse und
das Risikomanagement. Dabei stehen vor allem das Bundesamt für
Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und das Bundesinstitut für
Risikobewertung (BfR) im Vordergrund. Um den Handel zu erleichtern sollen
elektronische Veterinärzertifikate genutzt werden.
Nach
Dr. Müller wollen auch beide Länder im Bereich der weltweiten
Ernährungssicherheit zusammenarbeiten. So werde bereits an einem gemeinsamen
Arbeits- und Aktionsplan für die nächsten fünf Jahre gearbeitet. „Herzstück“
ist die nachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft, so Müller. Im Bereich der
Agrartechnik gibt es bereits eine 30-jährige Zusammenarbeit. Konkret wird an
der Einrichtung eines deutsch-chinesischen Zentrums für innovative Technologien
der Tierzucht und die Ausweitung der Zusammenarbeit im Bereich der erneuerbaren
Energien insbesondere bei der Biomasse beschlossen.
Vor
zwei Jahren besuchte Dr. Müller bereits die Versuchsfarm Ganhe.
Links neben ihm auf dem Foto steht Landwirtschaftsminister Changfu Han, rechts
Zhi Shuping, Minister der Generalverwaltung für Qualitätsüebrwachung,
Inspektion und Quarantäne.
Milchqualität
Der Melamin-Skandal hat den Ruf der chinesischen Milchproduktion beschädigt. Noch heute geht der Streit um die Milchqualitäten weiter. Das chinesische Gesundheitsministerium kritisiert die Kritiker, die dem Land eine schlechte Milchqualität bescheinigen. Vielmehr gebe es, so berichtet die China Daily aus dem Ministerium, verschiedene Qualitäten je nach späterer Nutzungsrichtung2). Die Zeitung zitiert ein Mitglied der Arbeitsgruppe für den Sicherheitsstandard in der Milchproduktion, der auf die seit März 2010 geltenden strengeren Regeln verweist. Es seien jetzt nur noch zwei Millionen Keime je Milliliter erlaubt. Im Vergleich: Milch der höchsten Güteklasse hat in Deutschland maximal 100.000 Keime je Milliliter.
Chinas Landwirtschaft
China
steht vor großen Herausforderungen. Stadt und Land driften immer weiter
auseinander. Die ländlichen Einkommen liegen jährlich bei 660 Euro, das
städtische Durchschnittseinkommen bei 2.130 Euro. Noch aber sind 45 Prozent der
Erwerbstätigen in der Landwirtschaft tätig und China wandelt sich nur langsam
von einer Agrar- zu einer Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft1). Staatssekretär Chen Xiaohua aus dem chinesischen
Landwirtschaftsministerium sagte vor zwei Jahren auf der Grünen Woche, das rund
200 Millionen Menschen auf dem Land „zu viel“ leben. Für die insgesamt 500
Millionen Menschen auf dem Land müssen Arbeitsplätze geschaffen werden, damit
sie nicht in die Städte wandern. Die Bauern haben zwar inzwischen die
Möglichkeit, Land für eine private Wirtschaft zu pachten, doch was angebaut
wird entscheide noch immer das Kollektiv. Diese Menschen zu ernähren bleibt die
Hauptaufgabe Chinas.
So
sollen Genossenschaften und Dienstleistungen den Organisationsgrad in der
Landwirtschaft erhöhen und damit die ländliche Infrastruktur verbessern helfen.
Als Mindestgetreideernte gelten in China 540 Millionen Tonnen und die
Anbaufläche ist seit 2003 ständig gestiegen.

Auf
der anderen Seite steigt der Flächenbedarf für Siedlung und Verkehr enorm an.
Als „rote Linie“ gelten 108 Millionen Hektar Ackerfläche, die für die Aufgabe
der Ernährungssicherung nicht unterschritten werden dürfen.
Um
den wachsenden Nahrungsbedarf zu decken dürfen die Amerikaner seit dem letzten
Jahr erstmals seit 15 Jahren wieder Mais nach China liefern. Die
ersten Maisfrachter sind nach Angaben des US Grains Council in diesem Jahr auch
schon wieder eingetroffen.
Schweinefleisch ist derzeit teuer
In China ist Schweinfleisch derzeit teurer als im wirtschaftlichen Krisenjahr 2008. Damals kostete ein Kilogramm Schweinefleisch 26 Yuan, heute kostet es nach Angaben der China Daily3) 27,67 Yuan. Hauptursache ist der Anstieg des Maispreises, der zu 60 Prozent das Futter stellt. Aber auch die Arbeitskosten seien um 20 Prozent gestiegen. Viele kleine Schweinehalter hätten wegen Verlusten schon im letzten Jahr den Betrieb aufgegeben und die Schweinepest in diesem Jahr verschärft den Engpass. Weil der Höhenflug beim Schweinepreis bis Jahresende anhalten könnte, fürchten Analysten, dass auch Getreide und Gemüse teurer werden könnte. Die Konsumenten, denen das Schweinefleisch zu teuer geworden ist, fragten verstärkt nach Gemüse.
Lesestoff:
1) Stephan Brosig: Strukturwandel im Land der Mitte – die Bauern
halten nicht Schritt, Forschungsreport 2/2009
2) China Daily 27.06.11
3) China Daily 23.06.11