Deutschland braucht neue Visionen für das Land

Landwirtschaft

Zukunftsforum Ländlicher Raum auf der IGW

Ganz neu ist es nicht. Die OECD hatte bereits im Jahr 2006 einen Paradigmenwechsel für den ländlichen Raum eingefordert [1]. Die Forderung scheint aber noch zeitgemäß und wurde zur Eröffnung der „Zukunftskonferenz Ländlicher Raum“, das vom Bundeslandwirtschaftsministerium auf der Grünen Woche durchgeführt wird, vom ehemaligen EU-Agrarkommissar Dr. Franz Fischler erneut eingefordert. Sogar spezifiziert: „Deutschland braucht eine neue Vision für die ländliche Entwicklung“.

Prinzip Gemeinsamkeit

Während seiner Amtszeit wurde die zweite Säule in der Agrarpolitik eingeführt, die speziell für die Entwicklung des ländlichen Raumes Fördergelder bereitstellt.
Die Stärke des ländlichen Raums ist seine „Gemeinsamkeit“ zwischen den Akteuren. Die Menschen haben sich in Notzeiten schon immer gemeinsam zu helfen gewusst. Nach dem Zweiten Weltkrieg sind die ersten Maschinenringe entstanden, so Fischler, und haben das Prinzip der Selbsthilfe formalisiert.
Diese Organisation müsse auf neue Fundamente gestellt werden. Erzeugergemeinschaften, intersektorale Organisationen, Produktions- und Veredlungsketten, Dorf- und Regionalgemeinschaften, verschiedene Fonds von lokaler bis zur europäischer Ebene sowie vertikale Verbindungsglieder zwischen Kommunen, Länder, Bund und Brüssel müssen auf neue Herausforderungen eingestellt werden. Die alleinige Ausrichtung der Raumpolitik auf die Landwirtschaft hält Fischler für falsch. In den meisten Räumen habe sie nur einen geringen Anteil an der Wertschöpfung und weise sogar negative Wachstumsraten auf.
Fischler ist da auch schon bei seinem zweiten Punkt: Es kann keine einheitliche Politik für den ländlichen Raum geben, denn es gibt viele verschiedene ländliche Räume. Diese unterscheiden sich nach Urbanisierungsgrad, Entwicklungsdynamik und Wirtschaftsorientierung. Einzelne Regionen sind weiterhin agrarisch geprägt, andere industriell, als Wohnort für Pendler oder durch die Fokussierung auf den Tourismus.

Gemeinschaftsaufgabe Entwicklung ländlicher Raum

Vor allem leide die Politik, so auch die der OECD, dass es keine einheitliche Definition für den ländlichen Raum gibt. Daran aber will die neue Bundesregierung arbeiten, versprach Staatssekretär Dr. Robert Kloos aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium.

Die neue Agrarpolitik sei gut auf die Herausforderungen der ländlichen Räume aufgestellt. Der zentrale ELER-Fonds hält für Deutschland in der Zeit bis 2020 rund 8,3 Milliarden Euro bereit. Die sollen vor allem für Klimaadaptionen, neue Wirtschaften und Infrastruktur eingesetzt werden. Es kommen weitere Gelder hinzu. Die beiden Gemeinschaftsaufgaben Verbesserung der regionalen Wirtschaft und Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) aus dem Bundesetat halten zusammen weitere 600 Millionen bereit und die Umschichtung der Gelder aus der ersten in die zweite Säule in Höhe von 4,5 Prozent erhöht das Etatvolumen um weitere 1,1 Milliarden in der Zeit zwischen 2015 und 2020.
Deutschland will ein Land mit starken Regionen werden und dieses Leitbild mit einer Weiterentwicklung der GAK zu einer Gemeinschaftsaufgabe für die ländliche Entwicklung auf neue Fundamente stellen. Vier neue Pfeiler sollen die neue Politik tragen. Die Verbesserung der Daseinsfürsorge, die Unterstützung der kleinen und mittleren Unternehmen, eine neue Form der interkommunalen Zusammenarbeit und die flächendeckende Versorgung des Landes mit einem Breitband von 50 Mb bis 2018.
Die Menschen fordern vor allem die Beibehaltung und den Wiederaufbau der Infrastruktur. Für dieses Ziel hofft das BMEL auf weitere Gelder aus dem Verkehrsministerium, das rund fünf Milliarden Euro zur Verfügung halten will.
So ausgerüstet will Deutschland dem demografischen Wandel begegnen. Dr. Kloss führt die Offenhaltung der ostdeutschen Sparkassen als Modellbeispiel an, wie die Daseinsvorsorge zusammen mit weiteren neuen Nutzern Dörfer lebendig halten kann. Das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung will ein „Wirtschaftsministerium für den ländlichen Raum“ werden, erklärte Dr. Kloos und setzt dabei auf die Menschen vor Ort, die mit Herz und Verstand effektiver arbeiten könnten als die Politik mit neuen Verordnungen.
Dabei dürfe es nach Fischler keine Tabus geben. Auch Rückplanungen und Neuaufstellungen müssen Platz in der Politik finden.

Lesestoff:

Paradigmenwechsel für den ländlichen Raum

Die Sonderausstellung „Lust aufs Land“ finden Sie in der Halle 4.2

Roland Krieg; Fotos: roRo

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