Deutschland nach Flusslandschaften
Landwirtschaft
Bund hilft Ländern beim Hochwasserschutz
Ministerpräsidenten konnten durch das Verteidigen eines Deiches zum Helden werden. Dennoch haben die Hochwasserereignisse der letzten Dekaden Schäden in Milliardenhöhe verursacht. Grimma an der Mulde wurde gleich zweimal aufgebaut. Bald soll damit Schluss sein. Das Wort „Jahrhundertflut“ hat Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt aus dem Wortschatz seines Ministeriums gestrichen. Der Klimawandel droht mit immer neuen Hochwasserständen. Durch die Flut im Jahr 2013 aufgeschreckt, hat die Politik Nationale Hochwasserschutzprogramm aufgelegt. Zusammen mit Barbara Hendricks, Ressortchefin im Bundesumweltministerium, stellte Schmidt die ersten Maßnahmen vor. Bis zum Abschluss aller Baumaßnahmen werden 15 Jahre vergehen.
Flusssysteme
Rhein, Donau und Elbe, Weser und die Oder: Deutschland wird unter dem Hochwasser-schutzprogramm neu definiert. Vor allem zeigt die Karte, dass für den Hochwasserschutz nahezu das ganze Land in der Pflicht steht. Das ist zwar Länderhoheit, so Hendricks, aber weil die Auswirkungen erheblich das Gemeinwesen betreffen, müsse der Bund ebenfalls seine Pflichten beitragen. Die Länder erhalten aus der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) quotierte Gelder für den Bau von Deichen, Deichverlegung und zur Mäandrierung von Flüssen. Der Bund werde über den zugeteilten Durchschnitt der letzten Jahre darauf achten, dass dieses Engagement nicht verloren geht und die neue Hilfe zusätzliche Verwendung findet.
Dafür hat der Bund zunächst einmal 20 Millionen Euro in diesem Jahr und weitere 100 Millionen Euro in den Folgejahren bis 2018 eingestellt. Inklusive Sonderrahmenplan „Präventiver Hochwasserschutz“ stehen 4,5 Milliarden Euro bereit.
In Planung oder schon in Umsetzung sind die ersten zehn Polder und fünf Deichverlegungen für umgerechnet 500 Millionen Euro. Es eilt. Schon im letzten Jahr drohte wieder eine Flut. Wie das Wetter in den nächsten Monaten wird, ist ungewiss.
Polder und Deiche
Ziel sind vor allem konzertierte Aktionen. In Sachsen-Anhalt brachen 2013 die Deiche, weil Sachsen die Erdwälle höher baute und das Wasser schneller in das benachbarte Bundesland floss und die Deiche aufweichte. Daher soll das Prinzip Oberlieger und Unterlieger gemeinsam wieder in Gang gesetzt werden. Wer als Oberlieger Flüssen mehr Raum gibt, entlastet die Unterlieger.
Zwei Maßnahmen stehen im Vordergrund. Es werden Polder gebaut, in die Hochwasser nach Durchstich der Deiche enorme Wassermengen aufnehmen können und den Hochwasserscheitel brechen. Die Polder werden daher in Kubikmeter Wasseraufnahme vermessen. Geplant sind 1.118 Millionen Kubikmeter so genannter Retentionsfläche.
Als zweite Möglichkeit werden Deiche zurückverlegt, um über einen breiteren Querschnitt mehr Wasser, aber langsamer Flussabwärts zu führen. Der Deichrückbau wird im Flächenmaß angegeben. Rund 20.000 Hektar sollen bundesweit vor die neuen Deiche kommen.
Landwirte haben damit ein Problem. Sie stellen die Fläche zur Verfügung. Ackerbau wird kaum mehr möglich sein. Sie sind als Wiesen und Weiden zu nutzen, was einen geringeren Ertrag bringt. Von „nasser Enteignung“ ist schnell die Rede.
Doch Schmidt hat darüber nachgedacht. Die benötigten Flächen werden vom Bund aufgekauft und als verbilligte Pacht für Deich- und Polderdienstleistungen wieder vergeben. Vor allem an Elbe und Oder ist die BVVG in Besitz möglicher Flächen, die nicht mehr privat veräußert werden dürfen. Über einen Ausgleich muss Schmidt noch mit den Bauern reden. Doch zeigt er sich optimistisch, weil es sich um Flächen handelt, die öfters überschwemmt werden und die Bauern einen Nutzungsverlust einfahren. „Aus Sicht der Landwirte ist es erträglich, aber im übergeordneten Interesse bleibt nichts anderes übrig, als die Natur als Auffangfläche zu nutzen.“ Die Festlegung der Flächen bleibt Aufgabe der Bundesländer.
International
Am Rhein gibt es eine internationale Zusammenarbeit der Rheinanlieger. Für die Donau ist Deutschland sowieso der Oberlieger und hauptverantwortlich für den Abfluss nach Österreich. Probleme gibt es aber an Elbe und Oder, wo mit Tschechien und Polen die Zusammenarbeit erst in den Anfängen stehe. Schmidt will sich mit den Nachbarn darüber austauschen.
Hochwasserschutz ist mehr
Das die Bundesregierung sich bei der Umsetzung des Hochwasserschutzes so beeilt, ist ein Zeichen für die Dringlichkeit. „Die Bundesregierung hat ein hartnäckiges Interesse, dass das Hochwasserschutzprogramm nicht in den Akten verschwindet“, sagte Schmidt. Die Schäden sind auf Dauer nicht mehr zu bezahlen. Doch Hochwasserschutz fängt nicht in der Aue und beim Deich an. Der oberirdische Abfluss von Starkregen auch in größerer Entfernung eines Flusses ist bedeutsam. Die Flächenversiegelung muss nach Schmidt in die erweiterte Betrachtung einbezogen werden. Hendricks ist zudem sicher, dass die Länder in hochwassergefährdeten Regionen keine Baugebiete mehr ausweisen.
Lesestoff:
Maßnahmenliste im Hochwasserschutzprogramm: www.bmub.bund.de
Roland Krieg; Fotos: roRo