Deutschland über Agrarpolitik völlig uneins

Landwirtschaft

Agrarpolitik im Bundestag-Agrarausschuss

Die Beschlüsse der Agrarministerkonferenz müssen einstimmig sein. Trotz Verschiebungen der Parteifarben hat die AMK immer noch eine Formel für eine „gemeinsame Stimme“ gegenüber Brüssel gefunden. Der Bundestagagrarausschuss hatte am Montag das Thema Agrarpolitik auf dem Programm, bei dem acht Sachverständige ein Gutachten zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) vorlegten. Fazit: Deutschland spricht mit vielen Zungen.

Agraropposition

Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), machte zunächst auf die Unterschiede zwischen den bäuerlichen Familienbetrieben und der so genannten Agrarindustrie aufmerksam. Die Förderziele seien so angesetzt, dass die Familienbetriebe, die in der jüngeren Vergangenheit höherpreisige regionale und biologische Märkte haben erschließen können, im Wettbewerb gefährdet seien. Die Geldvergabe sei nicht gerecht zwischen den Betrieben verteilt. Die GAP formuliere im Wesentlichen die Ziele der AbL, während die Agrarindustrie das Greening zu Fall bringen wolle. Baringdorf sprach sich für schärfere Kappungsgrenzen aus.

Deutschland ist „green“ genug

Demgegenüber begründet Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), sein Engagement über die Vertretung von mehr als 90 Prozent aller Bauernhöfe – ob Voll- oder Nebenerwerb, ob konventionell oder ökologisch. Die GAP müsse für einen ordentlichen Finanzrahmen sorgen, damit der vor 20 Jahren beschrittene Weg der Globalisierung fortgeführt werden kann. Die Kappung würde den Betrieben und dem ländlichen Raum in Ostdeutschland die Chancen für eine Entwicklung nehmen.
Rukwied spricht sich gegen die sieben Prozent ökologische Vorrangfläche aus. Für Deutschland würden 600.000, in Europa mehr als sechs Millionen Hektar aus der Produktion genommen werden, was angesichts der steigenden Bedürfnisse nach Lebensmittel und Energie vom Acker die Versorgungssicherheit gefährde. Gerade Deutschland sei ein klimatischer Gunststandort, ohne den der künftige Bedarf nicht gedeckt werden könne. Im Gegenteil würde die Flächenstilllegung sogar die Nahrungsmittelpreise nach oben treiben, denn in Europa würden rund 30 Millionen Tonnen weniger Getreide geerntet.
Die Landwirtschaft in Deutschland habe schon mehr Greening-Maßnahmen als andere gemacht. Ohne Direktzahlungen würden die meisten Betriebe vor dem Aus stehen.

Das Ende der Genossenschaften?

Vergleichbar äußerte sich auch Dr. Volker J. Petersen, stellvertretender Generalsekretär des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV). Die großen Betriebe im Osten sind Mehrfamilienbetriebe, die durch die Kappung diskriminiert werden. Entsprechend der französischen Gruppenlandwirtschaft [1] sollten die deutschen Genossenschaften einen vergleichbaren Schutz erhalten. Bei den Franzosen berechnen sich die Direktzahlungen per Kopf und nicht auf die Gruppenlandwirtschaft.

GAP ist völlig untauglich

Einen radikalen Ansatz verfolgt Prof. Dr. Folkhard Isermeyer vom Johann Heinrich von Thünen-Institut (vTI). Er widerspricht Rukwied, das die Bauern Direktzahlungen brauchen. Während der letzten 20 Jahre haben sich die Erzeugerpreise vervierfacht. Auch wenn die Betriebskosten angestiegen sind, so zeichne sich auch für die Zukunft wegen der steigenden Nachfrage ab, dass die Erlöse je Hektar tendenziell angestiegen sind. Die EU sollte daher mit der jetzigen GAP-Reform ein Signal setzen, dass nach der nächsten Förderperiode ab 2020 die Direktzahlungen zu Ende gehen. Eine Auswertung der Betriebsdaten habe gezeigt, dass das obere Drittel der Betriebe so viel Markterlöse erzielt, dass sie bereits auf die Direktzahlungen verzichten könnten. Das untere Drittel allerdings hänge am Tropf der Subventionen. Sie verdienen so wenig, dass sie dauerhaft nicht am Markt bleiben können.
Gerettet werden die Direktzahlungen für die nächste Förderperiode ab 2014 nur über den Aspekt des Greenings. Doch reichen die Maßnahmen für eine Umkehr des Klimawandels bei weitem nicht aus. Das Greening werde höchsten so viel Fläche vom Markt nehmen, wie vor 20 Jahren aus Gründen der Marktbereinigung Flächen stillgelegt werden mussten. Sinnvoll wären gezielte Maßnahmen, die in der zweiten Säule angesiedelt werden sollten.

Sozialpolitik

Dr. Peter Weingarten, ebenfalls vom vTI, sieht in der Ausgestaltung der GAP für die Sicherung eines Grundeinkommens mehr eine Sozial-, denn eine Agrarpolitik, die doch eher von den Mitgliedsländern gestaltet werden sollte. Dr. Weingarten spricht sich für eine Anerkennung der Agrarumweltmaßnahmen in das zweiten Säule aus, was das Greening verstärken könnte.
Wenn beim Greening der Naturschutz im Vordergrund stehe, dann reichen einzelne Hecken, Büsche und Gewässer nicht aus. Eine sinnvolle Maßnahme wäre die großflächige Wiedervernässung der Niedermoorstandorte.

Schwache Trennlinien

Deutliche Definitionen seien erforderlich, führte Dr. Klaus Müller vom Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) aus. Das Greening werde mal aus der Sicht des Ressourcenschutzes, mal der Versorgungssicherheit mal als Transaktionsposten bewertet. Das führe zwangsweise zu verschiedenen Bewertungen. Hier sei deutlich die Politik gefordert, Prioritäten zu setzen.
Die sieben Prozent Vorrangfläche brauchen nach Dr. Müller ein Flächenmanagement. Wenn sich die Politik danach richten würde, wäre auch die Diskussion um die Kappung überflüssig.

Bürokratiemonster GAP

Dr. Hermann Onko Aeikens, Landwirtschaftsminister in Sachsen-Anhalt, hält Direktzahlungen weiterhin für unverzichtbar. Ein Gleitflug wäre für die Betriebe verheerend. Aeikens will die erste von der zweiten Säule deutlicher trennen. Direktzahlungen und ein allgemeines Greening sollen in der ersten Säule bleiben, die zweite Säule könnte ein spezielles für die jeweilige Region angepasstes Greening beherbergen. Aeikens größte Sorge ist die Bürokratie, die bei der Umsetzung der GAP auf die Bauern und Ämter zukomme.

GAP ist bürokratiefrei

Lutz Ribbe von EuroNatur verweist auf einen internen Vermerk des Bundeslandwirtschaftsministeriums, dass die derzeitige Form der GAP mit drei Greening-Kriterien problemlos und unbürokratisch umgesetzt werden könne. Auch die Agrarministerkonferenz kommt zu dem Schluss, dass drei Greening-Maßnahmen bürokratisch zu bewerkstelligen sei.
Ribbe hat noch einmal erinnert, warum das Greening durchgeführt wird: Es gehe um die Erhaltung der Ressourcen und Biodiversität und damit um die Sicherung der Überlebensgrundlage.

Lesestoff:

[1] Die Gruppenlandwirtschaft in Frankreich ist etwas sehr spezielles. Mehrere Bauern bewirtschaften viele Hektar Land oder teilen sich als mehrere Eigentümer einen Stall. Bei der Mitgliedschaft in einer „Groupement agricole d´exploitation en Commun (GAEC)“ bleiben die einzelnen beim Status Bauern, müssen sich aber ganz in die Bewirtschaftung des Betriebes einbringen. Außerdem müssen sie eine Einlage für die Gruppenlandwirtschaft leisten, so dass sie einmal eine Vergütung für den Kapitaldienst und einmal eine für die bäuerliche Arbeit erzielen. Bei dieser Form der Kooperation ist es den Mitgliedern nicht erlaubt eine weitere Tätigkeit als Bauer auszuüben.

Roland Krieg

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