Dezember-Rat für Landwirtschaft und Fischerei
Landwirtschaft
Letzter Agrarrat 2019 in Brüssel
Diesen Montag hielt der finnische Landwirtschaftsminister Jari Leppä seinen letzten Ratsvorsitz im Jahr 2019. Mit dem Januar geht die Ratspräsidentschaft für sechs Monate nach Kroatien, bevor Deutschland in der zweiten Jahreshälfte vorsitzt. Mit den Themen Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), Waldwirtschaft und Fischerei waren die wichtigsten Themen am Montag besetzt.
GAP
Basis für die Diskussion über die GAP ist der zehnseitige Fortschrittsbericht des finnischen Präsidenten. Die GAP sieht für die neue Förderperiode 2021 bis 2027 einen Übergang von einem System mit Vorschriften zu einem leistungsbasierten System, das grundsätzlich von allen Mitgliedsländer getragen wird. Abweichungen von Zielvorgaben sollen abgestuft verfolgt werden. Nach dem Greening der letzten Förderperiode sollen neue Agrarumweltmaßnahmen (AUM) umgesetzt werden. Die Mitgliedsländer bekommen mehr Verantwortung. Vielmehr steht aber auch kaum auf der Liste der Gemeinsamkeiten. Jari Leppä sieht zwar eine Mehrheit für die GAP-Reform, aber wegen fehlendem Etat keine Umsetzungsmöglichkeiten. Um den neuen Anforderungen gerecht zu werden hat Finnland mit einem Länder-Budget von 1,07 Prozent des jeweiligen Bruttosozialproduktes wenigstens noch einen Vorschlag für das kommende Jahr aufgelegt. Aktuell sind es 1,00 Prozent, die Kommission will 1,14 und das Parlament 1,3 Prozent. Der Haushaltsausschuss des Europaparlamentes hat in der vergangenen Woche der Planung eine Abfuhr erteilt [2].
Finnland hat zwar den Agraretat weniger gekürzt, aber dem neue Agrar-Kommissar Janusz Wojciechowski reicht das noch nicht. Die GAP will er im Sinne der alten Kommission weiterführen. Hinzu kommen mit dem Green Deal neue Aufgaben für die Landwirtschaft hinzu. Trotz aller Bemühungen ist es der EU nicht gelungen, ausreichend Hofnachfolger zu werben. Im Agrar-Rat betonte Wojciechowski, dass er das aktuelle Etat-Niveau verteidigen will. Kommission und Rat gehen hier schon auseinander.
Zwischen den Ländern unterscheiden sich ebenfalls die Details trotz gemeinsamer Worte. Die österreichische Ministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus (Agrar ist darin enthalten), Maria Patek, will ebenfalls keine Abstriche bei den Finanzmitteln hinnehmen. AUM soll es in beiden Säulen geben, eine flexible Ausgestaltung zwischen den Säulen sei notwendig und die Aufnahme der Forstwirtschaft in den Green Deal wird vom Alpenland als gelungen bezeichnet. Aber die „GAP-Reform ist noch nicht auf der Ziellinie“, sagte Patek.
Auch der ungarische Agrarminister Istvan Nagy spricht von einem straken Budget. Die verschiedenen Positionen zwischen den Ländern seien schwer unter einen Hut zu bekommen und gibt selbst ein Beispiel dafür. Die Landwirte können nicht Mehr machen für weniger Geld. Umweltleistungen sind eher sekundär. Die gekoppelten Zahlungen sollen für die Landwirte auf gleichem Niveau bleiben. Eco-Schemes sollen freiwillig bleiben. Nagy sieht im polnischen Agrar-Kommissar einen richtigen Vertreter für die osteuropäischen Vorstellungen. Kaspars Gerhards aus Lettland wird noch deutlicher: Die EU müsse die Angleichung der Direktzahlungen zwischen Ost und West schneller umsetzen.
Für den französischen Minister Didier Guillaume sollen hingegen die starken AUM bleiben und brauchen deshalb ein starkes Budget. Er will die gekoppelten Zahlungen begrenzen. Nach Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner spüren alle Länder, dass die gesellschaftlichen Anforderungen an die Landwirtschaft größer werden und warnte davor, dass nicht alle Lösungen auf die Landwirtschaft abgewälzt werden dürfen. „Das ist weder fair, noch für junge Landwirte motivierend.“ Klöckner forderte ein Mindestniveau für Standards, damit die Wettbewerbsfähigkeit zwischen den Landwirten gewährleistet wird. Auch für die Umweltstandards n beiden Säulen müssten verpflichtende Mindeststandards definiert werden. Die Reform sieht zwar einen Mindestetat für die zweite Säule vor, Klöckner findet die Idee, das Prinzip auf die Direktzahlungen zu übertragen „bedenkenswert“. Während Osteuropa unter großen Holdings leidet, hat Klöckner die großen Mehrfamilienbetriebe in Ostdeutschland im Blick. Eine verpflichtende Kappung lehnte sie erneut ab. „Ein höheres Umweltniveau ist nicht an die Betriebsgröße gekoppelt.“
Für die GAP ist noch viel Arbeit aufzuwenden.
Fischerei
Während es heute um den Nordatlantik und die Nordsee geht, waren die Dorsch- und Heringsbestände in der Ostsee Thema am Montag. Der gerade veröffentlichte Bericht über die Eutrophierung europäischer Gewässer der Europäischen Umweltagentur [1] zeigt die besonderen Probleme der Ostsee. Bereits im Oktober dieses Jahres hatte die EU-Kommission neue Fangquoten für die Ostsee festgelegt. Genauer gesagt: Wegen des äußerst schlechten Zustandes der Fischpopulation wurde der Fang in der Ostsee untersagt. Kommission und Agrarrat sind sich der sozio-ökonomischen Auswirkungen wohl bewusst. Mit dem Parlament stehen Verhandlungen über eine Förderung für die Küstenfischerei an. Die ursprünglich nur für die östliche Fischerei vorgesehen Förderungen bei der Stilllegung hat Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner auf die westliche Küstenfischerei ausdehnen können. „Fangquoten müssen zur Erholung der Bestände beitragen, aber immer auch die Anliegen der Küstenfischer und deren Familien berücksichtigen - sie leben davon. Mit der Einigung ist hier eine Balance gefunden worden, die aber Einschnitte bedeuten. Deshalb müssen wir auch den Fischern, gerade den kleinen, zur Seite stehen. Das gilt auch für den Fall von Stilllegungen“, sagte sie in Brüssel. Die Fangquoten in der westlichen Ostsee sind in den vergangenen Jahren immer wieder von Kürzungen betroffen. Auf absehbare Zeit, werden sich die Bestände in der Ostsee nicht erholen. Darüber hinaus bat Klöckner um eine Überprüfung des Artikels 25 Absatz 5 des Europäischen Fischereifonds (EMFF). Danach werden Zahlungen bei einer vorübergehenden Stilllegung auf eine mögliche endgültige Stilllegung angerechnet. Nach Klöckner handelt es sich aber um zwei verschiedene Phasen, die auch getrennt bewertet werden sollten.
Bio-Ökonomie
Spätestens der Green Deal der Kommission hat die Bio-Ökonomie in die Mitte der europäischen Politik getragen. Die Kreislaufwirtschaft sei sogar wichtig für den Erfolg des grünen Europas, sagte Leppä. Es sei Zeit, dem Bürger zu zeigen, wie sie die Bio-Ökonomie zu ihrem Vorteil nutzen können. Die Grundlagen gehen bereits auf das Jahr 2012 zurück und bekamen im Oktober 2018 ein Update. Das Thema komme nach Wojchiechowski zum richtigen Zeitpunkt. Die künftige GAP soll die Transformation flankieren und das regionale Umsetzungsmodell sorge für maßgeschneiderte Lösungen. Für die Bürger müsse das Thema stärker kommuniziert werden, ergänzte Julia Klöckner und verweist auf die Überarbeitung der nationalen Bio-Ökonomie-Strategie in Deutschland. Zusammen mit dem Bundesforschungsministerium sollen die Ziele der UN-Agenda 2030 eingearbeitet werden. „Es seien nicht die Ziele, die zu Problemen führen, wie es manchmal in der öffentliche Debatte manchmal gesagt werde, sondern sie lösen die Probleme.“
Der Wald
Auf Stippvisite besuchte der neue Generaldirektor für den Wald bei der FAO den Agrarrat. Qu Dongyu lobte die gute Zusammenarbeit mit der EU, die als Partner der FAO Aufgaben und Mittel fristgerecht zur Verfügung stelle. Das magere Ergebnis der Weltklimakonferenz in Madrid hatte er vor Augen, als er die Unterstützung der EU bei der FAO-Waldpolitik als „Weihnachtsgeschenk“ bezeichnete. Jari Leppä will die europäische Waldpolitik mit ihren Zielen der Aufforstung nicht nur europäisch, sondern auch international verbinden. Die Wälder seien verletzlich geworden. Daher sei es nur richtig, den Wald in den Green Deal eingebunden zu haben.
Für Qu Dongyu war die Pressekonferenz allerdings kein Weihnachtsgeschenk. Seine Wahl im August könnte den chinesischen Einfluss in den UN-Organisationen vergrößern, hieß es. Danach befragt, antwortete Qu, dass die Vorwürfe seit Aufnahme seiner Arbeit verstummt seien. Ein anderes Problem wollte Qu nicht kommentieren. In Italien wird dem stellvertretenden FAO-Direktor Roberto Ridolfi unerlaubte Lobby-Arbeit für die ExCo 2019 im Ausstellungszentrum Fiera di Roma vorgeworfen. Ein italienischer Energiekonzern soll die Messe für Netzwerke nachhaltiger Firmen unerlaubt gesponsort haben, wie „Italian Insider“ seit Monaten berichtet und aus FAO-E-Mail-Accounts von Ridolfi zitiert. Nach Qu ist die Ermittlung in diesem Fall nicht seine Aufgabe. Zuerst müssten Gerüchte von Fakten unterschieden werden.
Der Agrar-Rat hat mit einem Maßnahmenpaket eine Verringerung des Flächenverbrauches angenommen und will international mit anderen Ländern Kooperationen für den Waldschtz angehen.
Pflanzenschutz
Spezielle Feldfrüchte wie Gemüse oder Obst erzielen in der EU rund 70 Milliarden Euro Umsatz und stellen damit 22 Prozent des pflanzlichen Produktionswertes. Dennoch sind die Anbaumengen gering. Gegen Schaderreger werden oftmals keine neuen Wirkstoffe mehr entwickelt, weil sich die Refinanzierung wegen der kleinen Menge kaum mehr rechnet. Seot 2015 kümmern sich vor allem Frankreich, die Niederlande und Deutschland um die so genannte Lückenindikation [3]. Das Ländertrio hat seit April 2018 einen Fonds für die Erforschung von Pflanzenschutzmengen mit geringem Gebrauch gegründet. Die Mitgliedsländer wurden in drei Kategorien eingeteilt und sollen den Fonds füllen. Doch bislang sind nur 15 Länder an der Einzahlung beteiligt und die Zahlungen für 2020 noch nicht gesichert. Geplant sind 2,5 bis 2,7 Millionen Euro für eine Fünf-Jahres-Periode. Ohne den notwendigen Pflanzenschutz ist der Anbau nach Klöckner „gefährdet und sogar unmöglich“. Die über den Fonds finanzierten gemeinschaftlichen Projekte kommen allen Ländern zu gute. Weil der Fonds eine langfristige Finanzierung brauche, appellierte Klöckner an die Länder, ihre Beiträge zu zahlen. Auch das sei ein Aspekt der Nachhaltigkeit.
Strafzölle
Die USA haben nach dem WTO-Schiedsspruch zu unerlaubten Airbus-Subventionen Strafzölle gegen einige EU-Agrarprodukte erhoben. Frankreich und Spanien sind alarmiert, nachdem die USA Anfang Dezember eine Revision sowohl der Liste als auch der Höhe der Strafzölle vornimmt. Beide Länder fordern eine private Lagerhaltung für Olivenöl.
Herkunft ohne Diskriminierung
Zu einem Dauerthema hat sich die Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln entwickelt. In einigen Ländern laufen Pilotprojekte mit nationalen Herkunftsangaben. Das entspreche Verbraucherwünschen, unterstrich Julia Klöckner und würde das auch gerne verpflichtend für verarbeitete Produkte einführen. Das aber dürfe innerhalb des Binnenmarktes nicht einer Diskriminierung von Produkten aus anderen Ländern führen. Die EU müsse dazwischen eine gute Balance finden.
Tierwohl
Im Bereich Tierwohl fordert der Agrarrat die Kommission zu neuer Gesetzesinitiative auf, die alle Nutztierbereiche, Hunde, Katzen und Fisch aus Aquakulturen abdeckt
Lesestoff:
[1] Eutrophierung: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/eutrophierung-europaeischer-meere.html
[2] Finnlands MFR-Vorschlag wackelt: https://herd-und-hof.de/handel-/finnlands-eu-finanzvorschlag-wackelt.html
[3] Quantifizierung der Lückenindikation: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/quantifizierung-der-lueckenindikation.html
Roland Krieg