Dicke Luft um saubere Luft

Landwirtschaft

Saubere-Luft-Paket der EU bringt Bauern auf die Palme

Luftverschmutzung wird jenseits von Smog unterschätzt. Die EU hat berechnet, dass Luftverschmutzung jährlich 23 Milliarden Euro an Schäden hervorruft und mehr Tote verursacht als der Straßenverkehr. „Die Luft, die wir heute atmen, ist viel sauberer als in den vergangenen Jahrzehnten. Jedoch ist die Luftverschmutzung nach wie vor ein „unsichtbarer Mörder“, der viele Menschen daran hindert, ein aktives Leben zu führen“, führte EU-Umweltkommissar Janez Potocnik aus. Zusammen mit Verbraucherschutzkommissar Tonio Borg hat er am Mittwoch ein umfangreiches Paket für saubere Luft geschnürt. Borg ergänzte: „Durch die neuen Maßnahmen zur Luftreinhaltung werden die europäischen Bürger und Bürgerinnen gesünder und länger leben: weniger Kinder werden Asthma oder andere Atemwegsbeschwerden entwickeln, weniger Menschen werden an Krebs, chronischen Atemwegserkrankungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden und letztlich werden weniger Menschen an den Folgen der Luftverschmutzung sterben.“

Das Maßnahmepaket

A: Ein neues Programm „Saubere Luft für Europa“ mit Maßnahmen, durch die sichergestellt wird, dass bestehende Ziele kurzfristig erreicht werden, und neuen Luftqualitätszielen für den Zeitraum bis 2030. Das Paket umfasst auch Unterstützungsmaßnahmen zur Senkung der Luftverschmutzung, mit Schwerpunkt auf der Verbesserung der Luftqualität in Städten, der Förderung von Forschung und Innovation sowie der Förderung der internationalen Zusammenarbeit,

B: eine überarbeitete Richtlinie über nationale Emissionshöchstmengen mit strengeren nationalen Emissionshöchstmengen für die sechs wichtigsten Schadstoffe,

C: ein Vorschlag für eine neue Richtlinie zur Verringerung der Verschmutzung durch mittelgroße Feuerungsanlagen, wie z. B. Kraftwerke für Straßenblöcke oder große Gebäude sowie kleine Industrieanlagen.

Werden die Anforderungen umgesetzt würden 58.000 vorzeitige Todesfälle vermieden, eine Fläche von 123.000 qkm, mehr als die Hälfte Rumäniens, und 56.000 qkm Natura-Flächen in der Größe Kroatiens von übermäßiger Stickstoffbelastung befreit sowie 19.000 qkm Wald vor der Versauerung bewahrt werden [1]. Die eingesparten Gesundheitskosten beziffert die EU auf 40 bis 140 Milliarden Euro.

Die EU orientiert sich an den Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation WHO, die von vielen Mitgliedsstaaten nicht eingehalten werden.

Um was geht es?

Die Liste der unerwünschten Stoffe und vor allem ihrer Quellen ist lang. Zunächst einmal geht es um den Feinstaub, der von Fahrzeugen, Schiffen, Hausbrand und Kraftwerken in die Luft gepustet wird. Dabei handelt es sich um Teilchen, die kleiner als zehn Mikrometer und vor allem kleiner als 2,5 Mikrometer sind [2].
Bodennahes Ozon wird durch die Einwirkung von Sonnenlicht auf Stickoxide und Methan gebildet. Ferner geht es um die üblichen Verdächtigen Schwefeldioxid, Ammoniak, das vor allem aus der Landwirtschaft stammt, und weitere flüchtige organische Komponenten.

Abschied von der Tierhaltung?

Im Detail sollen beispielsweise die Emissionen von Ammoniak und Methan bis 2030 in Deutschland um 39 Prozent sinken. „Diese Ziele sind nicht erreichbar, ohne die Rinder-, Schaf- und Schweinehaltung in Deutschland und Europa in weiten Teilen aufzugeben und hierdurch die Importabhängigkeit Europas drastisch zu verschärfen“, beklagte Bernhard Krüsgen, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV). Die EU-Pläne stellten die Landwirtschaft und die Tierhaltung gänzlich in Frage. Krüsken verweist auf die vorliegenden Erfolge der Luftreinhaltung. Zwischen 1990 und 2010 wurden die Ammoniakemissionen bereits um 23 Prozent gesenkt. Die Erfolge wurden durch den Rückgang der Tierbestände, Effizienzsteigerungen in der Tierhaltung und emissionsmindernder Ausbringtechnik von Gülle erreicht. Der EU-Plan für saubere Luft erforderte neue und hohe Investitionen.
Der DBV kritisiert auch die schärferen Vorlagen für kleine Biomasseheizwerke zwischen einem und fünf MW, die kaum nachzurüsten seien. Sie sparten aber bereits 36 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalent Treibhausgase ein.

COPA-COGECA, der europäische Bauern- und Genossenschaftsverband hat die gleichen Befürchtungen. Die EU-Kommission habe zwar Abstand von noch schärferen Grenzwerten genommen, trifft aber noch immer die Landwirtschaft, die in diesem Jahr mit einem Einkommensminus von 1,3 Prozent kämpfe. Neben Deutschland haben auch Dänemark mit 40, Belgien mit 44, die Niederlande mit 67, Estland mit 58 und Großbritannien mit 22 Prozent Rückgang Fortschritte bei den Ammoniakemissionen gemacht. Die EU hätte das honorieren müssen. Der EU-Rat und das Europaparlament sollten das Paket entsprechend korrigieren.

Auf dem Weg zum Null-Emissions-Stall

Forscher haben die Tierställe schon länger im Fokus. Rinder sind als Steppentiere weniger empfindlich gegen Temperaturen als Hühner. Moderne Milchviehställe haben daher meist keine Seitenwände mehr, sondern nur noch einen Windschutz. Unter dem Aspekt der artgerechten Tierhaltung ist das eine bevorzugte Haltungsform – trägt aber auch Emissionen in die Umgebung. Das Leibniz-Institut für Agrartechnik (ATB) in Potsdam-Bornim hat unter anderem deswegen mit einem erst im letzten Jahr eingeweihten Grenzschichtwindkanal die Möglichkeiten geschaffen, der Ausbreitung von Gasen und Gerüchen auf die Spur zu kommen [3]. Mit Hilfe sichtbar gemachter Verwirbelungen können die Experten Grundlagen für neue Bauvorschriften, Emissionsobergrenzen und Luftreinigungstechniken legen. Da nächste Projekt soll ein „Null-Emissionen-Wohlfühlstall“ werden.

Lesestoff:

[1] Die Bundesländer kalken ihre Wälder, um der Versauerung der Böden entgegenzuwirken

[2] Die kleinsten Partikel kommen vor allem in den Großstädten vor und gelangen von der Lunge aus direkt in die Blutbahn. Das Forschungsjournal der Leibniz-Institute hat in seiner aktuellen Ausgabe der verschmutzten Luft das Titelthema eingeräumt: Leibniz-Journal 4/2013 www.leibniz-gemeinschaft.de

[3] „Die Windmacherin“. Bericht über den neuen Windkanal im ATB

Roland Krieg

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