Die Ästhetik der Energiewende

Landwirtschaft

Das gestalterische Element der Energiewende

„Die Kulturlandschaft ist mehr als nur die Summe der visualisierten Elemente“, sagte Dr. Stephan Lütgert, Geschäftsführer der Deutschen Stiftung Kulturlandschaft. Am Dienstagabend hat die Stiftung in Kooperation mit dem aid infodienst in Berlin über gestalterische Herausforderungen und Chancen der Energiewende diskutiert.

Die Veränderung der Kulturlandschaft nimmt heute in Geschwindigkeit, Massivität und Umfang zu, ergänzte Prof. Dr. Susanne Hauser vom Institut für Geschichte und Theorie der Gestaltung an der Universität der Künste in Berlin. Soziologisch gibt es verschiedene Theorien für die Kulturlandschaft, doch gemeinsam ist ihnen eine Eigenart und die lokale Identität.

Heute beschreiben Begriffe wie „Verspargelung“ und „Vermaisung“ den Eingriff in die Landschaft, allerdings mit medial wirksamer negativer Prägung, erläuterte Landschaftsarchitekt Claus Hermann aus Berlin die aktuelle Auseinandersetzung um die Akzeptanz der Energiewende. Um Gestaltung geht es dabei nicht. Regionen werden mit Verbotszonen markiert. Nach dem FFH-Gebiet, dem Vogel- oder Wasserschutzgebiet bleiben für Windräder in der Planung nach dem Ausschlussprinzip nur noch wenige Gebiete übrig. Diese Tabuzonenverwaltung sei das Gegenteil einer Gestaltung im Sinne der Kulturlandschaft.

Beispiel Morbach

Dabei gibt es bereits viele Elemente, mit denen auch die Energiewende den Raum gestalten kann. Alley Cropping mit streifenartigem Anbau von Bäumen und Getreide, kleinteilige und im Zeitablauf versetzte Kurzumtriebsplantagen und ganze agro-silvo-pastorale Anbausysteme mit Windrädern und Flächen für die Solarenergie. So feiert am kommenden Wochenende der Energiepark Morbach im Hunsrück sein zehnjähriges Bestehen. Auf dem Gelände eines ehemaligen Munitionsdepot produzieren Biomasse, Wind und Sonne Energie [1].

Neben dieser flächigen Gestaltung der Energiewende könnte nach Hermann ein Gestaltungswettbewerb neue Strommasten in die Landschaft stellen. Es müssten nicht immer die Gitterkäfige sein. Die Leitungen könnten auch an einem Mast hängen, der an einen hochgestreckten Schwalbenschwanz erinnert.

Prof. Ulrich Riedl von der Hochschule Ostwestfalen-Lippe zeigte am Beispiel verschiedener Biomassepflanzen eine abwechslungsreiche Landschaftsgestaltung. Um Farbe auf den Acker zu bringen müssten jedoch Agrarumweltmaßnahmen und das Kulturlandschaftsprogamm KULAP angepasst werden. Bauern würden andere Pflanzen anbauen, wenn die Förderungen höher und der Bürokratieaufwand niedriger wäre. Lösungen gibt es genug, doch fehle die Umsetzung in der Praxis. Prof. Riedl zeigte anhand einer langfristigen Untersuchung, dass die Landschaft seit den 1930er Jahren rund die Hälfte ihrer Kleinteiligkeit verloren hat. Nicht nur die Biomasse ist daran schuld.

Windräder für alle

Bayern und Baden-Württemberg holen im Windbereich auf. Doch nach Prof. Dr. Sören Schöbel-Rutschmann vom Fachgebiet für Landschaftsarchitektur regionaler Freiräume an der TU München „kocht“ der Freistaat. Derzeit warnen prominente Windradgegner in Tageszeitungen gegen Anlagen im Voralpenraum. In Süddeutschland entstehen Anlagen mit einer Nabenhöhe von 205 Metern, die ihre nördlichen Komplementäre in den Schatten stellen.

Sein Plan ist eine gerechte Verteilung von Windanlagen nach ästhetischen und morphologischen Erwägungen. Sie sollten nicht nur im Münchener Norden in den Gewerbegebieten, sondern auch im Süden aufgebaut werden, von wo die Villenbesitzer ihren Blick auf die Alpen genießen. So könne ein Windrad auch in einem geschützten Gebiet einen Hügel betonen, oder mehrere Anlagen hintereinander die geologische Formation eines Tales unterstreichen.

Ästhetik ist käuflich

Der Münchener Landschaftsarchitekt will eine morphologische Matrix aufstellen, in der verschiedene Modelle für Windparkanlagen für ein Urstromtal, eine Hochebene oder eine Platte definiert werden. Damit würde sich auch ein Problem lösen, dass er für die nahe Zukunft prognostiziert. Falle die Auswahl rein aus wirtschaftlichen Überlegungen und Entschlussfreudigkeit, profitieren nicht alle gleichmäßig von der Energieerzeugung.

Klaus Peter von der Bürgerwind Region Freudenberg GmbH zweifelt jedoch, ob für eine gestalterische Planung der Energieproduktion noch genügend Zeit bleibe. Zum einen entstehe Druck aus den zeitlichen Zielen der Energiewende, zum anderen von den Grundstückseignern, die für jedes Windrad rund 35.000 Euro im Jahr erhalten.

Am Ende hatte sich die Diskussion von der Ästhetik der Energiewende entfernt und rangelte wieder um Standortfaktoren und Bürgerbeteiligungen. Denn: Wenn Bürger an den Windrädern oder der Biogasanlage beteiligt sind, dann erhöht sich auch die Akzeptanz. Gleichzeitig stören sich dann weniger an den Landschaftseingriffen.

Baukultur ist Lebensqualität

Im Mai 2012 verabschiedeten der Bund der Landschaftarchitekten und die Bundesingenieurkammer eine Gemeinsame Erklärung zum Abschluss des Kongresses „Infrastruktur in der Landschaft“. Darin heißt es unter anderem: Baukultur basiert auf den Säulen der Nachhaltigkeit. Baukultur ist Lebensqualität und Planungskultur ist Baukultur und gründet auf der Beteiligung der Bürger [2].

Lesestoff:

www.landschafft.de

[1] Energielandschaft Morbach: www.energielandschaft.de

[2] www.bdla.de Pressemitteilung 16. Mai 2012

Roland Krieg

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