Die Bändigung landwirtschaftlicher Großinvestoren
Landwirtschaft
Welche Regeln kontrollieren Investoren in der Landwirtschaft?
Seitdem das Kapital die Landwirtschaft als lohnendes Objekt entdeckt hat, ist die bäuerliche Welt zwischen Stall und Scheune nicht mehr in Ordnung. Das außerlandwirtschaftliche Kapital sucht seit der Finanzkrise und in Zeiten niedriger Zinsen sichere Häfen. Die Gewinne sind lohnend und die Verdichtung von Tierhaltung und Biogasanlagen hat zu einer nicht gedachten Ausnutzung des EEG geführt. In Ostdeutschland kommt nach Werner Schwarz, Präsident des Bauernverbandes Schleswig-Holstein, noch die Vergabepraxis der BVVG hinzu. Das 5. Berliner Forum des Deutschen Bauernverbandes beschäftigte sich am Mittwoch mit „Investoren in der Landwirtschaft – Chancen und Risiken für den Agrarstandort Deutschland“. Wichtig ist auch, so Schwarz: Die Banken wollen solche Investitionen auch finanzieren.
Kasse machen
Im eigenen Interesse der Landwirtschaft müssen
spekulative Übertreibungen vermieden werden. Hedgefonds haben sich derzeit noch
nicht in Deutschland breit gemacht, aber, so Schwarz, die ersten Neueinrichter
aus den 1990er Jahren wollen in Ostdeutschland jetzt „Kasse machen“ und bieten
Betriebe und Beteiligungen feil. Schwarz warnt vor der Veräußerung an Dritte,
denen die ursprünglichen Aufgaben der Landwirtschaft fremd sind.
Die neuen Kapitalbewegungen sind nicht nur eine Domäne
des Ostens. Auch die westdeutschen Veredelungsstandorte ziehen bei vertikaler
Integration nichtlandwirtschaftliches Kapital an, ergänzt Dr. Hermann Onko
Aeikens, Landwirtschaftsminister in Sachsen-Anhalt. Dort wurde der
Direktverkauf von Land auf 100 Hektar begrenzt und eine Arbeitsgruppe arbeitet
an weiteren Regulierungsmaßnahmen. Aeikens ist optimistisch, dass Magdeburg
zusammen mit Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg die eigenen Landesflächen
von der BVVG für die weitere Verwendung überschrieben bekommt.
Es haben sich offenbar „Übergrößen“ ausgebildet.
Betriebe, die ihre Maschinen mit Tiefladern anfahren und das Personal gleich
mitbringen. Nach der Ernte verlassen sie die Dörfer wieder. Nichts bleibt, noch
nicht einmal die Gewerbesteuer, beklagt Aeikens. „Die Landwirtschaft muss
wieder zurück ins Dorf uns zusammen mit dem Dorf betrieben werden“, forderte
er. Das ist praktizierte Wirtschafts- und Strukturpolitik. Denn wenn die Dörfer
von den umliegenden Feldern nichts mehr haben, fehlen die „Haltepunkte“ für die
Menschen und sie wandern ab. Das Arbeiten gegen diesen zusätzlichen
demografischen Wandel kostet Steuergelder. Die Gesetze sind nicht mehr auf der
Höhe der Zeit und müssen angepasst werden, forderte Aeikens.
Grundstückverkehrsgesetz
In der öffentlichen Diskussion meinen zwar die meisten
zu wissen, dass Investitionen geregelt werden sollen, doch das Schlüsselelement,
das Grundstückverkehrsgesetz, ist ihnen unbekannt.
Das Gesetz dient der Gefahrenabwehr. Es soll die
Agrarstruktur befördern, eine lebensfähige Landwirtschaft erhalten, Flächen
nicht aufteilen und zersplittern lassen; es soll für ordnungsgemäße Preise
sorgen und insgesamt die Volksernährung sichern. Dazu sind nach Ingo Glas,
Vorsitzender des Ausschusses für Agrarwirtschaftsrecht bei der Deutschen
Gesellschaft für Agrarrecht (DGAR), sowohl ein Genehmigungsprozess für die
Flächenvergabe als auch ein Zuweisungsverfahren für die Hofnachfolge
vorgesehen.
Auch wenn das Gesetz nicht der direkten Lenkung des
Grundstückverkehrs dienen soll, bietet § 9 Versagungsgründe für einen Transfer.
Eben wenn ein unangemessener Preis festgesetzt ist, oder wenn Land verkleinert
oder zersplittert wird.
Wie bei allen Gesetzen weist Rechtsanwalt Glas darauf
hin, dass zu den einzelnen Punkten unterschiedliche Rechtsauffassungen und
Urteile existieren. Schon angesichts der zahlreichen Ziele für den Kauf eines
Grundstückes bis hin zu den Motiven des Verkaufs werde es keine einheitliche
Klammer geben, die alle Variationen erfasst. So kann der Käufer tatsächlich vom
Motiv getrieben sein, Landwirtschaft zu betreiben, der Verkäufer sieht wegen
mangelnder Hofnachfolge keine Alternative mehr. Er könnte aber auch auf der
Suche nach Investivkapital sein, und der Käufer nur an einer Rendite
interessiert.
Das Grundstückverkehrsgesetz regelt definitiv nicht die
Veräußerungen von Beteiligungen, so Glas. Es prüft auch nicht, ob bei einem
Landverkauf, die Fläche bei einem anderen Betrieb „besser aufgehoben“ wäre. Die
Herkunft der Finanzmittel spielt bei der Betrachtung keine Rolle. Daher dürfe
bei einer Überarbeitung des Gesetzes nicht zu viel erwartet werden.
Agrarstrukturverbesserungsgesetze
Dennoch sind Überarbeitungen auf dem Weg. Drei Punkte stehen
nach Prof. Dr. Reimund Schmidt-de Caluwe von der Universität Halle-Wittenberg
im Fokus: Begrenzung des Kaufpreises, Vorkaufsrecht für Landgesellschaften und
Reglementierung von Beteiligungsverkäufen.
Baden-Württemberg hat im Rahmen seines Agrarstrukturverbesserungsgesetzes
den Kaufpreis auf 120 Prozent des Verkehrswertes limitiert. In Sachsen gibt es
einen vergleichbaren Entwurf der Linksfraktion und in Niedersachsen haben
Bündnis 90 / Die Grünen ähnliches mit der Fokussierung auf familienbäuerliche Betriebe
vor. Die Preisobergrenze ist einander ähnlich. Prof. Schmidt-De Caluwe hält die
Regelung im Sinne des Gemeinwohls auch mit dem Grundgesetz Artikel 14 vereinbar
(Eigentum verpflichtet im Sinne des Allgemeinwohls). Das ist schon die halbe
Miete. Die zweite ist die europäische Ebene. Doch auch da gibt der Professor,
der in der Arbeitsgruppe von Sachsen-Anhalt für eine landesweite Regelung tätig
ist, Entwarnung. Es gibt ein Vorarlberger Grundstückverkehrsgesetz, dass den
Flächenverkauf sozialverträglich gestaltet und vor dem Europäischen Gerichtshof
Bestand hatte. Ebenfalls gibt es keine Anzeichen, dass die EU Frankreich ins
Visier nimmt. Dort ist der Flächenverkauf über den „code rural“ strenger
reglementiert als in Deutschland. Der Preis ist am Ertragswert gebunden.
Detaillierte Tatbestände schaffen
Doch was sich beim Kaufpreis offenbar gut regeln lässt, ist bei den anderen Aspekten fragwürdig. Jurist Schmidt-De Caluwe warnt davor, dass strengere Regeln für den Landverkauf in eine „Flucht“ zu Beteiligungsverkäufen führen könnte. Die sind im Grundstückverkehrsgesetz nicht geregelt. Das sei auch rechtlich sehr schwierig. Die Bundesregierung könnte das Gesetz mit einer Klausel öffnen, dass die Länder in eigener Kompetenz die Angelegenheit regeln. Es geht aber um direkte Eingriffe in Freiheitsrechte. Wenn das vor dem Bundesverfassungsrecht und vor Brüssel Bestand haben soll, müssten detaillierte Tatbestände geschaffen werden. Das bedeutet aber auch: Eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht.
Lesestoff:
Grundstückverkehrsgesetz www.gesetze-im-internet.de/grdstvg/BJNR010910961.html
Thünen-Studien: Investoren in der Landwirtschaft
Thünen-Studien: Nichtlandwirtschaftliche Investitionen
Roland Krieg