„Die europäische Agrarpolitik ist besser als ihr Ruf“

Landwirtschaft

Wie weit ist die GAP-Reform?

Europaparlament

Bis 2008 war Josef Miller zehn Jahre lang Landwirtschaftsminister in Bayern. Er muss es wissen: „Die europäische Agrarpolitik ist besser als ihr Ruf.“ Das sagte er am Dienstag im Agri-Ausschuss bei einer Anhörung zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) in Brüssel. Auch John Bryan vom Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss bezeichnet die Landwirtschaft als einer der erfolgreichsten Politiken in der Ländergemeinschaft. Sie hat zur Kohärenz, Nachhaltigkeit und Ernährungssicherheit geführt. Heute steht die Agrarpolitik vor neuen Herausforderungen, wie dem Klimawandel und der Ernährung von zehn Milliarden Menschen im Jahr 2050.

Agrarpolitik noch gemeinsam?

Bei bald nur noch 27 Mitgliedsstaaten mit unterschiedlichen Ausgangsbedingungen von hochindustrialisierten Betrieben in Nordfrankreich und Niedersachen, bis zur kleinbäuerlichen Bewirtschaftung in Bayern und Baden-Württemberg oder gar zu den zahllosen Mini-Betrieben in Rumänien, ist eine gemeinsame Politik alles andere als leicht zu gestalten. Die Kommission will mit dem neuen Delivery Model mehr Subsidiarität in die GAP bringen. Das allerdings bezeichnet Jacques Carles, Vorsitzender der EU-Thinktanks „Agriculture Strategies“,  das allerdings als „Ohnmacht“, eine gemeinsame Politik zustande zu bringen. Carles befürchtet, wie viele Europaabgeordnete auch, die Übertragung der Verantwortung resultiert in wachsende Divergenz der Landwirtschaftspolitik.

Die Anhörung schien Ulrike Müller von den Liberalen mehr zu einer „Grundsatzdiskussion“ geworden zu sein. Die Experten und Abgeordneten kreisten um dieselben Begriffe wie „echte Landwirte“ „Konditionalisierung“ oder „Entbürokratisierung“ herum, ohne das Lösungen für die Probleme genannt wurden. Daher ist derzeit kaum absehbar, wie weit die Reform der GAP ist. Ende Oktober veröffentlicht die Kommission technische Details für die Umsetzung. Die spanische Christdemokratin Esther Herranz Garcia kündigte jedoch schon zahlreiche Änderungsanträge an. Eric Andrieu (französischer Sozialist) und Luke Flanagan (von den irischen Linken) schlugen der Kommission einen ganz neuen GAP-Ansatz vor.

Hört die Kommission den Parlamentariern zu? Werden diese trotz großer Gegensätze, eine Reform wirklich einmal blockieren? Zumindest will das Parlament, so Müller, noch vor der Europawahl gewisse Vorgaben machen. Ganz wollen die aktuellen Politiker den im Mai neu gewählten Vertretern die GAP offenbar nicht übergeben.

Sorgen um Nebenerwerbslandwirte

Bayern fürchtet durch neue Umweltmaßnahmen eine Schwächung der bestehenden Programme, die auch in Baden-Württemberg, Österreich und Südtirol Landwirte ertüchtigt haben, führt Matthias Bost, stellvertretender Generalsekretär des Bayerischen Bauernverbandes, an. Dazu gehört auch die Definition des „echten Landwirts“. Albert Dess (CSU) und Herbert Dorfmann (Südtiroler Christdemokrat) wollen Bergbauern und Nebenerwerbslandwirte in der Förderung behalten, obwohl sie ihr Haupteinkommen durch die Vermierunt von Ferienwohnungen erzielen. Sonst aber geben sie die Lanwirtschaft auf und stellen die Pflege der Berglandschaft ein. Nach Bost wäre es zielführender Nicht-Landwirte über das Boden- und Grundstücksverkehrsrecht vom Bodenbesitz auszuschließen.

Raumpolitik und Geldvergabe

Die Agrarpolitik hat sich in den letzten Dekaden grundlegend gewandelt, weil sie mehr Verantwortung für den ländlichen Raum übernimmt, erklärte Ulrike Müller. Die müsse sich noch verstärken, ergänzt Guillaume Cros aus dem EU-Ausschuss der Regionen. Die Menschen auf dem Land haben das Gefühl, vergessen zu werden. Das führe zu Euroskepsis. Die von der Kommission geplante Änderung  der Strukturpolitik sei eine Zerschlagung der Politik für den ländlichen Raum.

In der Kritik steht auch die Geldvergabe. Lediglich drei Prozent der Mittel sind für eine Risikovorsorge vorgesehen, während in der zweiten Säule Finanzhilfen für Versicherungslösungen bereitgestellt werden, die bei den Landwirten nicht ankämen. Zu mehr Gleichheit bei den Bauern führten Kappung und Degression, sagte Cros.

Diskussion gab es wieder um die Konditionalisierung der Gelder. Zuviel Umwelt, zu wenig Markt? Maria Noichl von der SPD versteht den Wirbel nicht. Im Grunde sind alle Gelder der ersten Säule konditionalisiert: An die Fläche. „Warum ist eine Änderung an eine Leistungsbindung so furchtbar“, fragte sie.

Roland Krieg

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