Die großen Schatten der kleinen Insekten

Landwirtschaft

Insektenschutz teilt Agrar und Umwelt

Die Abgeordneten des Bundestages am vergangenen Donnerstag hatten vor, die erste Lesung zum Insektenschutzgesetz zu schlabbern und wollten den Gesetzesentwurf ohne Aussprache gleich in den Umweltausschuss verweisen. Am Ende wurde dann doch rund 40 Minuten debattiert und die Störfeuer zwischen rot und schwarz, grün gegen alle, Agrar und Umwelt wurden sichtbar. Das Gesetz mit Verboten von Pflanzenschutzmitteln in geschützten Regionen hat die Landwirte mehr zu politischem Handel gebracht als die Düngeverordnung. Die Union verliert ihre bäuerlichen Stammwähler.

Insekten und Pflanzenschutz

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat die Paketlösung des Insektenschutzes mit der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung durchgesetzt. Letztere wird im BMEL verantwortet, beim Insektenschutz hat das Bundesministerium für Umweltschutz die Federführung.

Beispielhaft für Baden-Württemberg und Brandenburg hat Niedersachsen bereits seinen Niedersächsischen Weg der Kooperationen von Landwirten und Umweltschützern eingeschlagen und will die regionale Verantwortlichkeit nicht wieder an ein Bundesgesetz abgeben. Während Rainer Spiering (SPD) die Länderstaatlichkeit gegeben sieht, will Silvia Breher (CDU) die Länderöffnungsklausel in das Gesetz einschreiben – sie sei nicht vorhanden. Problematisch bleibt einmal mehr die Frage nach dem Ausgleich, wenn Landwirte keine Pflanzenschutzmittel mehr in geschützten Regionen einsetzen dürfen. Eine Aufwandsentschädigung kommt auf dem Einkommenszettel nicht an. Bündnis 90/Die Grünen sehen im dem Insektenschutzpaket weder einen Nutzen für die Landwirte noch für die Insekten und wollen noch schärfere Vorschriften.

Bauernpräsident Joachim Rukwied fordert praxisnahe, sinnvolle und verhältnismäßige Regeln. Kooperationen sollen Ordnungsrecht ersetzen.

Anhörung im Umweltausschuss

Die Zeit drängt, damit vor Ende der Legislaturperiode ein Gesetz noch beschlossen wird. Die neue Bundesregierung verspricht keine Aufweichung mehr. Deshalb fand am Montag gleich die Anhörung im Umweltausschuss statt.

Für Carsten Brühl vom Institut für Umweltwissenschaften an der Universität Koblenz-Landau ist das Insektensterben ausreichend wissenschaftlich belegt. Es findet „in der vom Menschen geprägten Kulturlandschaft“ statt. Die intensive Landwirtshaft halte ihre Aktien daran. Die neueste Studie seines Instituts führe an, dass die Pflanzenschutzmittel in geringeren, aber toxischeren Dosen ausgebracht werden. In der Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes werden neben der Landwirtschaft auch die Lichtverschmutzung adressiert [1]. Brühl bedauert, dass die Flora-Fauna-Habitate vom dem Verbot von Pflanzenschutzmittel  Quadratkilometer gelten und damit ausgenommen sind. Die Verbote würden lediglich auf 470 Quadratkilometer und damit auf 0,35 Prozent der Ackerfläche treffen. Damit sei zwar nicht die gesamte Fläche betroffen, aber der Rückgang der Insekten auch nur marginal korrigiert. Die FDP hat einen Antrag für die Kooperation gestellt, was Brühl ausdrücklich begrüßt.

Dr. Holger Hennies vom Landvolk in Niedersachsen hat den so oft benannten Niedersächsischen Weg näher beschrieben. Mit Ausnahmekulissen sind 15 Prozent der Biotopverbundfläche im Programm, das freiwillig genutzt werden kann. Es gibt einen dauerhaften Pflichtausgleich. Es gibt einjährige und mehrjährige Programme für ein Basisprogramm, das mit Erweiterungen der Pflege- und Nutzungseinschränkung erhöht werden kann. Neben einigen ausgearbeiteten Modellen in Niedersachsen, wie dem zehn Meter breiten Pufferstreifen an Gewässern erster Ordnung verlöre der Niedersächsische Weg vor allem die verankerte Ausgleichsverpflichtung des Landes zu Lasten der Landwirtschaft. Auch Hennies besteht auf eine festgeschrieben Länderöffnungsklausel und setzt auf Belohnung für Maßnahmen statt auf Sanktionen.

Ge- und Verbote enthält nach Dr. Sabine Schlacke, Direktorin der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster, nicht. Der Entwurf schreibe mit Anreize und repressive Verbote mit Erlaubnisvorbehalten die Zielsetzung des Bundesnaturschutzgesetzes fort. Das Konzept „Natur auf Zeit“ sei ein neuartiger Anreiz, der aber noch weiter präzisiert werden sollte. Für Schlacke ist der Entwurf eine Modernisierung des Naturschutzrechtes.

Georg Mayerhofer von der Mayerhofer Agrar GmbH aus Niederbayern erkennt in der Vorlage doch mehr Gesetze und Regelungen, die zum Teil an der landwirtschaftlichen Praxis vorbeigehen. Dieser Auffassung ist auch Steffen Pingen vom Deutschen Bauernverband, der angesichts mehrerer Ursachen für den Insektenschwund alle Gesellschaftsgruppen und nicht nur die Landwirte einbeziehen will.

Die Kooperation befürwortet auch Dr. Jürgen Metzner vom Deutschen Verband für Landschaftspflege. Basis seien Freiwilligkeit und Praxisorientierung. Die Landwirte müssten auf ein qualitatives Beratungsnetz zurückgreifen können. Den Umweltwissenschaftlern gibt Metzner Recht. Der Zustand der Natur verschlechtere sich seit Jahren und die Ziele zur Biodiversität werden trotz Gemeinsamer Agrarpolitik (GAP) nicht erreicht. Er fordert die Politik auf, die Rahmenbedingungen für mehr kooperative Ansätze aufzustellen. Zum Insektenschutz gehören aber auch eine bessere Siedlungspolitik und das Zerschneiden von Landschaften durch Straßen zu verhindern.

Dr. Torsten Mertins vom Deutschen Städtetag unterstreicht die Inhalte der Naturschutznovelle, befürchtet aber, dass auf die Kommunen neue Aufgaben hinzukommen. So müssen neue Biotoptypen registriert, erforderliche Ausnahmen genehmigt und eine Kontrolle auf Verstöße durchgeführt werden. Die Umsetzung des Gesetzes erfordere neue Mittel für die Kommunen. Für die „gute fachliche Praxis“ in der Landwirtschaft müssten strengere Auflagen erteilt werden. Eine höhere Agrarfinanzierung könnte weniger beachtete Lebensräume, wie Streuobstwiesen und Magerrasen attraktiver machen.

Den Fokus auf die Nutzung von Pflanzenschutzmitteln legte Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz. Der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung im BMEL-Ressort komme eine Schlüsselrolle zu.

Lesestoff:

[1] Zu viel Licht ist Verschmutzung: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/es-werde-licht.html

Roland Krieg

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