Die Gucci-Tasche auf dem Acker

Landwirtschaft

Gefälscht wird, was sich lohnt

Seit dem reißerischen Artikel der Wochenzeitung „Die Zeit“ über die Bio-Lüge hat es vereinzelt auch aus dem konventionellen Lager kritische Berichte über die Aufmachung  gegeben. Meist aber hauen nahezu alle in die gleiche Kerbe, ohne sich offenbar grundlegende Gedanken gemacht zu haben. „Die Zeit“ hat den Nerv getroffen, den „Goldstandard“ in der Landwirtschaft zu entzaubern. Das Einreißen von Helden wird selbst als Heldenhaft angesehen.

Doch um was geht es? Eine kleine Schultertasche von Gucci im Verkaufswert von über 2.000 Euro mit Billigtextilien für 100 Euro zu fälschen verspricht einen satten Gewinn. Dagegen lohnt sich der kriminelle Aufwand für ein gefälschtes Primark-T-Shirt für drei Euro Verkaufspreis eher nicht. Dann reißt auch die Menge den Aufwand nicht in die Gewinnzone.

Das ist bei Lebensmittelfälschungen nicht anders. Alles was hochpreisig ist und nur mit Isotopenanalysen überprüft werden kann, ist fälschungsanfällig. Je höher die Ware auch noch emotionsbeladen ist, desto einfacher ist es. Das gilt für den konventionell wirtschaftenden wie auch für den ökologisch wirtschaftenden Betrüger. Abgelaufene Pflanzenschutzmittel aus noch vorhandenem Lagerbestand einzusetzen, ist verführerisch, wenn die Kontrolldichte gering ist. Kein Mensch wird zwei Gala-Äpfel am Geschmack zwischen konventionell und ökologisch unterscheiden können. Die TV-Testköche zeigen immer wieder, dass billige Lebensmittel aus dem Discounter bei Blindverkostungen in den Kunden-Charts ganz oben landen.

Es gibt aber auch noch einen zweiten Aspekt: Solange sich die Verbände-Ökologie im engsten Familienkreis von Kleinproduzenten, Naturkostfachhandel und treuen Kunden aufgehalten hat, war der Betrug als Ehrenkodex nicht vorgesehen. Mit steigender Produktion und Nachfrage vergrößert sich die „Familie“, deren Mitglieder sich untereinander nicht mehr kennen. Naturgemäß vergrößert sich die Wertschöpfungskette, selbst im engsten Raum von Metropolen vergrößert sich der Warenfluss. Der Grad an Anonymität nimmt zu. Wenn die Ampel-Koalition bis 2030 tatsächlich 30 Prozent Ökolandbau bei ausreichender Deckung der Nachfrage erreicht hat – dann sind hohe Preise für Ökoprodukte mengenmäßig kaum mehr zu halten. Das zeichnet sich schon heute ab. Und wenn doch, dann steigt das Betrugspotenzial. Der riesige Warenstrom bietet Ecken und Nischen für lohnende Fälschungsgeschäfte.

Das hat nichts mit Öko oder konventionell zu tun. Goldstandardengel sind halt auch nur Menschen.

Roland Krieg

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