Die intelligentere GAP
Landwirtschaft
Hogan diskutiert im Agri seinen ersten GAP-Entwurf
Reformen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) wollen stets eine Verbesserung sein und stehen vor allem für die Zeit, in der sie debattiert werden. Mit Marktordnungen wurde Landwirtschaft nach dem zweiten Weltkrieg hochgepäppelt. Die durch technischen Fortschritt bedingten Überschüsse ging 1992 die McSharry-Reform schrittweise in Richtung Marktwirtschaft an. Der Wandel von der vollen politischen Unterstützung in die reine Marktwirtschaft ist bis heute noch nicht vollzogen. Vor allem, weil es neben vielen wirtschaftlich orientierten Betrieben auch noch sehr viele Kleinbetriebe in der EU gibt, den den ländlichen Raum und die Vorstellungen der Verbraucher füllen.
Die Balance zwischen Bewahrung und Veränderung zu finden, dauert Jahre. Deswegen hat EU-Agrarkommissar Phil Hogan den ersten Entwurf der neuen GAP für die Zeit ab 2020 schon jetzt vorgestellt. Und am Mittwochabend in Brüssel mit den Mitgliedern des EU-Agrarausschusses diskutiert.
Das neue Konzept
Das die neue GAP mit Begriffen wie „Energieunion, Kreislaufwirtschaft, Umweltpflege, Klimaschutz, und digitale Wirtschaft daherkommt ist sicher keine Überraschung und entspricht dem Zeitgeist, demn isch die Landwirte stellen müssen. Dennoch geht es auch landwirtschaftlich in der GAP zu: Beschäftigung, Wachstum und Innvovation sind auch mit dabei. Das die beiden „Weltverträge“ des Pariser Klimaschutzabkommens“ und die „UN-Agenda 2020 der nachhaltigen Ziele“ das politische Dach der GAP bilden, daran werden sich Politiker gewöhnen müssen.
Die Konsultation über die GAP im ersten Halbjahr 2017 habe gezeigt, dass die bisherige Agrarpolitik den neuen Herausforderungen „nur bis zu einem gewissen Grad erfolgreich bewältigt“ habe. Da muss also noch mehr kommen. Daher steht das mächtigste Element der GAP, die Direktzahlungen, auf dem Prüfstand.
Mit der REFIT-Plattform steht den Landwirten ein Instrument zur Verfügung, dass endlich die Bürokratie wirksam abbauen soll. Vor allem hat die EU gelernt, dass sie nicht mehr so detailliert vorgehen will. „Zur Umsetzung der künftigen GAP sollte die Union lediglich die grundlegenden Parameter festlegen“. Die Mitgliedsländer bekommen mehr Verantwortung übertragen. In der Summe will die GAP „intelligenter, moderner und nachhaltiger“ werden.
Greening abschaffen und Politik renationalisieren?
Die Reform 2020 geht an die Basistexte der Reform aus dem Jahr 2013 nicht heran. Das EU-Agrarkommissar Phil Hogan am Abend im Agri noch einmal dargestellt. Daher ist sein Entwurf 32 Seiten schlank. Im Ausschuss nutzte Hogan die Gelegenheit, die ersten Missverständnisse auszuräumen. Das unbeliebte Greening wird nicht abgeschafft. Die „Grenning-Architektur“ soll aber durch eine schlankere Version ersetzt werden. In diesem Sinne wird es auch keine Renationalisierung der Agrarpolitik geben, selbst wenn die Aufgaben subsidiär verteilt werden. Die EU will nicht mehr über die Länge und Breite von Hecken richten oder entscheiden wie viele Bäume auf dem Feld stehen bleiben müssen, sagte Hogan.
Die Umweltziele werden nach wie vor von der EU festgelegt und mit Indikatoren gemessen. Die Länder können für die Umsetzung der Ziele Pläne zur Notifizierung in Brüssel vorlegen. Individuell und flexibel. Solange die EU-Ziele erreicht werden können, sollen die nationalen Pläne umgesetzt werden. Damit will Hogan eine „ergebnisorientierte Umwelt- und Klimapolitik“ erreichen, die den nationalen Bedürfnissen mit deutlich weniger Bürokratie entsprechen soll. Die EU will an dem Aspekt der „Gemeinsamkeit“ der Agrarpolitik festhalten. Und achtet weiterhin auf Wettbewerbsverzerrung und funktionierenden Binnenmarkt.
Das unterstützt der CSU-Abgeordnete Albert Dess, der ebenfalls die Gemeinsamkeit der Agrarpolitik als Erfolgsfaktor der EU sieht. Zudem kann Hogans Vorschlag auf die parallel laufende Omnibus-Verordnung die Vereinfachung der Agrarpolitik verweisen. Gerade Deutschland ist mit seinem föderalem System nach Ulrike Müller von den Liberalen nicht gefeit vor komplexen Umsetzungen von EU-Vorgaben.
Hogan setzt bei den Kontrollen auf die Digitalisierung. Drohnen und Satellitenbilder können Papier ersetzen.
Einen Eingriff in die Direktzahlungen wird es direkt nicht geben. Hogan kann dem Mehrjährigem Finanzrahmen nicht vorgreifen und daher über die finanzielle Ausstattung des EU-Haushaltes nichts sagen. Die Umwelt- und Klimabedingungen sollen aber mehr an die Direktzahlungen geknüpft werden. Ob es dann zu Kappungen und Degressionen kommt, scheint in den Händen der Länder zu liegen. Einen konkreten Entwurf mit knappen 100.000 Euro Obergrenze hat die Kommission in den letzten Wochen zurückgezogen. Hogan erinnert daran, dass zwar flächenbedingt die meisten Gelder an große Betriebe gehen, doch von 72 Prozent der Zahlungen eben auch Familienbetriebe profitieren und die Hälfted der Zahlungen an Kleinbetriebe unter fünf Hektar gehen. Zur Stärkung dieser Betriebe können die Länder auf Kopplung und Umschichtung zurückgreifen.
Die europäischen Landwirte haben ein Altersproblem. Nur sechs Prozent der Bauern sind jünger als 35 Jahre. Die Länder sollen nach ihren individuellen Bedingungen Programme für die Junglandwirteförderung ergreifen. Instrumente wie Besteuerung oder Landbesitz wird demnach Ländersache; die EU helfe mit Geldern für eine Betriebsaufnahme.
Weil die Reform insgesamt kleiner als die vorige bleibe, glaubt Hogan, dass noch im nächsten Jahr ein Legislativvorschlag vorliegen kann und die GAP pünktlich im Jahr 2020 startet.
Grundsätzlich hinterfragte der grüne Abgeordnete Martin Häusling, ob das schmale Heft ausreiche, den Agrar-Etat zu erhalten. Es fehlten jegliche Konkretisierungen. Generell gab es Kritik am fortschreitenden Strukturwandel und Export von Agrargütern, wie von Maria Lidia Senra Rodriguez von den britischen Linken. Der französische Sozialdemokrat Eric Andrieu vermisst neue und ergänzende Krisenelemente als Hilfe für die Landwirte. Ob wirklich Neues erwartet werden kann, bleibt offen. Zumindest über eins ist sich Hogan sicher: Eine Hilfe in Höhe von einer Milliarde Euro für die Milchbauern in der Krisenzeit 2015/2016 wird es künftig nicht mehr geben.
Wie kommt das Papier an?
Für den Bundesagrarminister Christian Schmidt nimmt die GAP „Fahrt auf“. „Ich begrüße es sehr, dass die Kommission den europäischen Mehrwert der GAP – bei der Sicherung der Ernährung, beim Umwelt- und Naturschutz, bei der Einkommenssicherung und der ländlichen Entwicklung, aber auch bei Klimaschutz, Bioökonomie, gesunder Ernährung und Migration – in den Mittelpunkt stellt. Die Kommission weist zutreffend auf die großen Herausforderungen hin, welche die GAP in den nächsten Jahren zu bewältigen hat. Damit die Landwirtschaft und die ländlichen Räume die vielfältigen Aufgaben meistern können, brauchen wir eine starke und finanziell gut ausgestattete GAP“. Nachdem Brüssel jetzt das erste Papier vorgelegt hat: „Zum Feinschliff wartet noch viel Arbeit auf uns. Deutschland wird sich einbringen“.
Umweltministerin Barbara Hendricks ist auch zufrieden: „Zukünftig sollen EU-Zahlungen an die Landwirtschaft dann gewährt werden, wenn nachweislich öffentliche Leistungen insbesondere im Umwelt-, Klima- und Tierschutz durch die Landwirte erbracht werden. Angesichts wachsender Anforderungen an die EU sehe ich schwarz, dass sich das hohe EU-Agrarbudget länger rechtfertigen lässt, wenn die notwendigen Hausaufgaben im Bereich Artenvielfalt, Klima- und Umweltschutz nicht gemacht werden.“
Die Pläne zur Vereinfachung und zu größerer Verantwortung der Mitgliedsstaaten stoßen bei der neuen niedersächsischen Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast zwar auf offene Ohren. „Jetzt kommt es aber darauf an, wie dieses Vorhaben konkret umgesetzt werden soll“, so die Ministerin. Die Kommission wäre dann für die Genehmigung dieser Pläne verantwortlich, die Mitgliedstaaten hingegen für die gesamte Umsetzung und Kontrolle der Fördermaßnahmen. „Entscheidend ist auch hier, wie dieses Verfahren konkret ausgestaltet wird“, so Ministerin Otte-Kinast. „Nur wenn es unter dem Strich wirklich einfacher und effektiver wird, ist ein solcher Ansatz sinnvoll. Noch ist das in den Vorschlägen nicht erkennbar.“
Der Deutsche Raiffeisenverband sorgt sich um die Mehrfamilienbetriebe: „Die Kommission spricht erneut die Option einer Kappung bzw. Degression hoher Direktzahlungen an. Der DRV weist erneut auf die spezielle Situation der als Mehrfamilienbetriebe geführten Agrargenossenschaften in Ostdeutschland hin, die auf jeden Fall angemessen behandelt werden müssen. Viele Aussagen der Kommission zur künftigen Ausgestaltung der GAP bleiben in der Mitteilung recht allgemein, was insbesondere den noch ausstehenden Vorschlägen zum künftigen EU-Agrarbudget geschuldet ist. So fehlen Hinweise zur künftigen Ausgestaltung der aus Sicht der vermarktenden Genossenschaften relevanten Instrumente der Gemeinsamen Marktorganisation.“
Der Bauernpräsident Joachim Rukwied mahnt gleichzeitig eine konsistente Gestaltung an. „Die Gemeinsamkeit der europäischen Agrarpolitik als zentrales Element der EU dürfen wir künftig nicht in Frage stellen. Renationalisierung oder Ansätze für erweiterte nationale Spielräume dürfen nicht das Prinzip einer gemeinschaftlichen 1. Säule in Frage stellen. Die Agrarpolitik darf nicht zum Steinbruch werden, aus dem sich Mitgliedstaaten oder Regionen nach Belieben bedienen können. Eine Renationalisierung würde zudem im gemeinsamen Markt zu neuen Wettbewerbsverzerrungen führen.“ Der DBV spricht sich für eine Vollfinanzierung der 1. Säule „als Herzstück, Stabilitätsfaktor und Überlebensanker“ auch in der künftigen GAP aus und fordert zugleich eine klare Abgrenzung von Maßnahmen und Programmen der 1. und 2. Säule in deren bewährter Struktur.
Als Präsident des europäischen Bauernverbands Copa ergänzt Joachim Rukwied: „Wir brauchen eine starke und wettbewerbsfähige GAP in der Zukunft, mit gemeinsamen und einfachen Regeln für die ganze EU. Wir begrüßen das Ziel der Kommission, die GAP-Regeln zu vereinfachen, im Hinblick auf das in dieser Mitteilung vorgestellte Ergebnismodell befürchten wir jedoch, dass eine echte Vereinfachung ausbleiben wird. Es ist darüber hinaus von entscheidender Bedeutung, beide Säulen der GAP zu erhalten und die Direktzahlungen in der ersten Säule der GAP und in der aktuellen Höhe ohne Kofinanzierung beizubehalten. Dies ist die beste Art und Weise, das Einkommen der Landwirte zu stabilisieren und ihnen dabei zu helfen, Einkommensrisiken besser zu bewältigen. Eine Deckelung oder Degressivität der Zahlungen, wie von der Kommission vorgeschlagen, lehnen wir ab“. „Notwendig sind außerdem neue und verbesserte Maßnahmen für ein besseres Risikomanagement, sodass die Landwirte gegen die zunehmende Marktvolatilität gewappnet sind. Wir begrüßen, dass die Kommission in ihrer Mitteilung den Fokus stärker auf intelligente Landwirtschaft und Risikomanagementmaßnahmen legt. Risikomanagementmaßnahmen müssen nach Ansicht Copas und Cogecas jedoch in der zweiten Säule der GAP verbleiben und ihre Nutzung muss für die Erzeuger weiterhin freiwillig sein. Auch die Marktsicherheitsnetze müssen erhalten und weiter ausgebaut werden“, so Rukwied.
„Viele kleine und mittlere Betriebe stehen in der Europäischen Union vor dem Aus. Die Pläne der EU-Kommission, diese Firmen in den Mittelpunkt der neuen Agrarreform zu rücken, sind folgerichtig. Denn die Kleinbetriebe sind, wie in anderen Wirtschaftszweigen auch, das Rückgrat unserer europäischen multifunktionalen Landwirtschaft“, so die SPD-Europaabgeordnete Maria Noichl
Die Umwelt- und Bioverbände sind überzeugt, dass neben der Erzeugung gesunder Lebensmittel auch die Ziele des Pariser Klimaabkommens, die Biodiversitätsziele, die europäischen Luftreinhalteziele und die nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) für die EU-Agrarpolitik oberste Priorität haben müssen. „Die jetzige Agrarpolitik fördert mit einem Budget von jährlich rund 59 Milliarden Euro eine Landwirtschaft, die nicht zukunftsfähig ist. Der Rückgang an Insekten und Vögeln, die Belastung der Gewässer mit Nitrat und Pestiziden und die gravierenden Mängel in der Tierhaltung zeigen deutlich, wo jetzt endlich gegengesteuert werden muss“, so Martin Hofstetter von Greenpeace.
„Im Sinne der Klima- und Biodiversitätsziele muss die Agrarpolitik wirksame Instrumente und wirtschaftlich attraktive Anreize schaffen, die eine Abkehr von der intensiven Tierhaltung und klimaschädlicher Überdüngung ermöglichen“, so Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe.
Der NABU übt scharfe Kritik an den Plänen der EU-Kommission zur künftigen EU-Agrarpolitik. Erst vergangene Woche hatte eine Studie ermittelt, dass die Gelder in der Agrarpolitik hochgradig ineffizient und überwiegend umweltschädlich eingesetzt werden. Doch von einer Umkehr in den Plänen der EU-Kommission ab 2020 keine Spur. „Die Pläne der Kommission sind noch wesentlich schlechter als wir befürchten mussten. So sollen weiterhin viele Milliarden in Intensivierung und billige Massenproduktion fließen, die Säulenstruktur der GAP wird nicht angetastet. Das ist pure Ignoranz für den Ernst der Lage. Die Kommission verschließt offenbar völlig die Augen vor der fatalen Umweltbilanz ihrer Agrarpolitik“, kritisierte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.
„Falls der Fokus der GAP laut Agrarkommissar Hogan wie bisher bei der Exportorientierung liegen soll, ist es zweifelhaft, wie das gelingen soll. Die Kommission würde lediglich die Agrarpolitik der vergangenen Jahre fortsetzen, die Umwelt- und Klimaschäden verschärfte und mit dafür sorgte, dass in Deutschland seit 2013 fast 15.000 Höfe für immer schließen mussten“, sagt Jan Plagge, Vorstand des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) mit Blick auf die heutige Veröffentlichung. „Wenn wir Klimakrise, Höfesterben und Artenschwund stoppen wollen, muss die EU-Kommission im kommenden Jahr konkrete und verbindliche Antworten liefern, wie sie mehr Umwelt- und Tierschutz sicherstellen will. Denn ohne konkrete Vorgaben für die Mitgliedsstaaten wird die europäische Landwirtschaft weder umwelt- noch tier- oder klimafreundlicher werden.“
Hermann Schultes, Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich, setzt auf ein ausreichend hohes Budget: „Sicherheit in den Bereichen Ernährung, Erholung und grüner Energie, die die Bauern bieten, muss mindestens so viel wert sein, wie militärische Sicherheit, für die derzeit in den EU-Staaten rund das Dreifache des Agrarbudgets ausgegeben wird.“ Ob die möglichen 50 Milliaren Euro aus London über das schwarze Loch Brexit hinweghelfen, ist nicht sicher. Schultes: „Der Brexit stellt eine echte Bedrohung für die Europäische Union dar. Ein missglückter Ausstieg der Briten aus der EU würde enorme Kosten verursachen, die dann von allen gemeinsam getragen werden müssen, aber keinesfalls als Sonderopfer der Landwirtschaft verbucht werden dürfen. Alles in allem geht ja an einer gelungenen Bewältigung der großen Aufgaben der künftigen Landwirtschaft in der EU mit oder ohne Brexit kein Weg vorbei.“
Lesestoff:
Den GAP-Entwurf in deutscher Sprache finden Sie unter https://ec.europa.eu/agriculture/sites/agriculture/files/future-of-cap/future_of_food_and_farming_communication_de.pdf
Roland Krieg; VLE; Grafik: EU Kommission