Die landwirtschaftliche Lage der Nation

Landwirtschaft

Dürrehilfe für betroffene Betriebe

2018 gab es kein journalistisches Sommerloch. Seit Wochen sind Fernsehen und Radio auf dem Land unterwegs und berichten über die Dürre. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner lud wöchentlich zum „Briefing“ über den Stand der Dinge und der Deutsche Bauernverband hat mit seiner Milliardenforderung das Krokodil im Badesee ersetzt.

„Zahlt sie oder zahlt sie nicht“, war offensichtlich die Kernfrage, auf die Journalisten für diesen Mittwoch hingearbeitet haben. Entscheidet die Antwort über eine gute oder schlechte Story? Verbraucher schieben nach wie vor volle Einkaufswagen aus den Lebensmittelläden, ob Spätkartoffeln ausreichend vorhanden sind oder nicht, spielt bei dem geringen Verzehr eine untergeordnete Rolle, die Konsumenten stehen noch immer vor vollen Regalen und haben die Qual der Wahl bei Käse, Wurst und Bier. Selbst in diesem Sommer kaufen sich die Bundesbürger über Klimawandel und Missernten hinweg. Es bleiben Zweifel, ob trotz Medienechos am Ende die richtigen Schlüsse aus dem Hochsommerjahr 2018 gezogen werden.

Julia Klöckner

Notstand ausgerufen

Die für Mittwoch wichtigste Antwort: „Sie hat“. „Ich erkläre die diesjährige Trockenphase zu einem Witterungsereignis von nationalem Ausmaß – auf Grund des länderübergreifend hohen  Schadensumfangs. Julia Klöckner war nach der Kabinettssitzung eindeutig und belegte die die Entscheidung zweifach. Die Hitzewelle mit einer ausgeprägten Trockenheit ist die höchste Temperaturanomalie seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881. Zweitens: Im Bundesdurchschnitt liegt die Getreideernte 16 Prozent unter dem dreijährigen Mittel mit sehr großen Unterschieden zwischen und innerhalb der Bundesländer. Nur das Saarland und Rheinland-Pfalz haben keine Schäden gemeldet und bei Getreide und Raps zum Teil sogar mehr als im Vorjahr geerntet. Die größten Schadensmeldungen kommen aus Schleswig-Holstein (- 31 Prozent), Brandenburg (- 27 Prozent), Sachsen-Anhalt (- 26 Prozent) und Mecklenburg-Vorpommern (- 25 Prozent).

Das Herunterbrechen auf die einzelnen Betriebe ergibt nach vorläufigen Berechnungen rund 10.000 Höfe, die Schäden von mindestens 30 Prozent gegenüber dem dreijährigen Mittel aufweisen und daher als „betroffen“ gelten. Beim letzten nationalen Notstand im Jahr 2003 waren 4.400 Betriebe betroffen.“ Die Bundesländer müssen nun als zweites Kriterium noch die Bedürftigkeit anhand von beispielsweise Steuerunterlagen ermitteln, ob der Landwirt in seiner Existenz bedroht ist, also bedürftig ist. Das kann sehr unterschiedlich sein. Viehhaltende Betriebe mit eigenem Futter haben keine Rechnungen wie Betriebe, die Futter generell zukaufen. Innerhalb der beiden nächsten Monate sollen Betroffenheit und Bedürftigkeit festgestellt sein.

Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) kommt auf eine Schadenssumme von 680 Millionen Euro. Der Bund schlägt vor, die Hälfte davon zu ersetzen. Nicht rückzahlbar. Ein großer Unterschied zu den drei Milliarden Euro, die der Deutsche Bauernverband (DBV) zusammenrechnete. Während die Landesbauernverbände alle Schäden auf allen Betrieben gemeldet haben, hat das BMEL nur die Schäden berechnet, die über der 30-Prozent-Marke liegen. Abzüge gibt es auch noch anhand der gestiegenen Preise. Wer Weizen geerntet hat, der kann ihn derzeit für über 200 Euro verkaufen. Ein Plus von rund 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Die 680 Millionen werden durch Länder- und Bundesanteil geteilt, so dass der Bund etwa 340 Millionen außerplanmäßig aus dem Etat zur Verfügung stellen wird. Zunächst wird die Summe aus den Etatresten des BMEL zum Jahresende gespeist. Das waren im vergangenen Jahr etwa 70 Millionen Euro aus nicht abgerufenen Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK). Die Gelder fließen in dem Moment, sobald die Bundesländer ihre Hilfsprogramme bis zur Summe von 340 Millionen Euro aufgestellt haben. Einen Vorschuss vom Bund gibt es nicht, aber die Länder werden Abschlagszahlungen an Betriebe vornehmen, bis Betroffenheit und Bedürftigkeit endgültig festgestellt werden. Klöckner fordert die Länder auf, zunächst die tierhaltenden Betriebe zu prüfen, weil das Fehlen des Grobfutters diese in ärgste Bedrängnis bringt. Im September bereits soll die entsprechende Verwaltungsvereinbarung mit den Ländern unterzeichnet sein.

Wetterdaten Brandenburg 2018

Beispiel Brandenburg

Die Ackerbaubetriebe in den von Trockenheit betroffenen Regionen hatten nach nicht immer durchschnittlichen Ernten und niedrigen Preisen der letzten Jahre auf eine Erholung für die gestresste Liquidität gehofft. „Die diesjährige Witterung von April bis Juni hat jede Erwartung an eine gute Druschernte zerstört“, vermerkt der Landesbauernverband Brandenburg in seinem Erntetelegramm kurz und knapp. Die Grafik des Landesbauernverbandes zeigt, wie die Schere zwischen Verdunstung und Nachlieferung durch Niederschläge seit März auseinander gegangen ist. Aktuell ist für das Land noch immer kein Regen in Sicht, so dass an eine Aussaat gar nicht denken ist.

Hinzu kommt, dass die Betriebe mit einer tierischen Veredelung weder aus der Milch noch aus den Schlachtpreisen höhere Erlöse erwarten dürfen. Viele Betriebe im Land, so befürchtet der Verband, werden über eine Einschränkung ihrer Tätigkeit nachdenken. Investitionen werden nicht getätigt, möglicherweise Arbeitskräfte entlassen. Einige Betriebe stehen vor dem Aus.

Da hilft es nicht, dass sich die Getreidepreise während der kurzen Ernte „bemerkenswert erholen“ konnten. Vor steigenden Preisen kann nicht jeder Betrieb profitieren. Wer zuvor größere Teile seiner Ernte am Terminmarkt verkauft hat kommt genauso wenig in den Genuss höherer Preise wie Betriebe mit geringen Lagermöglichkeiten.  Für Brandenburg verrechnet der Bauernverband Ertragsausfälle bei den Hauptkulturen von 371 Millionen Euro. „Die von Land zugesagte Unterstützung in Höhe von fünf Millionen Euro sehen wir als Zeichen dafür, dass sie die Landesregierung der Brisanz der Lage bewusst ist“, sagte Landesbauernpräsident Hendrik Wendorff Ende der letzten Woche.  

Gute Getreideernte in NRW

Wie widersprüchlich die Erntemeldungen sind, zeigt der Bericht aus Nordrhein-Westfalen. Winterweizen wurde mit 79,8 dt/ha, Roggen mit 64,1, Wintergerste mit 69,5 und Hafer mit 56,1 dt/ha eingefahren. Die Erträge reichen nahe an die Ernteergebnisse der beiden Vorjahre heran. Kritischer hingegen ist es bei Mais, Raps. Zuckerrüben und Spätkartoffeln. Die frühen Sorten kamen noch mit guten Erträgen auf den Markt. Die betrieblichen Unterschiede sind aber auch in NRW enorm und variieren je nach Bodenbeschaffenheit und Niederschläge. Oder durch Beregnungsmöglichkeiten bei Kartoffeln.

Das Gegenbeispiel zu Brandenburg zeigt, wie wichtig das Zögern bei finanziellen Zusagen von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner in den letzten Wochen gewesen ist. Mit dem Motto „Ohne Daten keine Dürrehilfe“ bewahrte sie kühlen Kopf im Rennen um Steuergelder.

Joachim Rukwied

Das Gesamtbild

„Das Wort Missernte muss man verwenden“, sagte Landesbauernpräsident Wolfgang Vogel aus Sachsen bei der Vorstellung des Ernteberichtes 2018. Gegenüber der durchschnittlichen Erntemenge zwischen 2013 und 217 von 47,9 Millionen Tonnen haben die Landwirte in diesem Jahr nur 35,6 Millionen Tonnen eingefahren, führte Präsident Joachim Rukwied aus. Das sind 12,3 Millionen Tonnen weniger. Rukwied multipliziert diese Menge mit aktuellen Weizenpreisen von 200 Euro/Tonne und kommt damit schon auf seine Schadenssumme von 2,4 Milliarden Euro. Wer aber Vorkontrakte hatte, der muss sein Getreide zu niedrigeren Preisen verkaufen. Der jetzt fällige Kontrakt für Futtergerste bringt nur 134 Euro/t ein. Die Entschädigung für das Jahr 2003 lag bei 70 Millionen Euro. Das wäre eine Zahlung von rund 20 Euro /ha, obwohl Landwirte, denen drei Tonnen fehlen, einen Verlust von 500 Euro einfahren. „Das reicht nicht“, sagte er und hatte mehr erwartet, als die 340 Millionen. Die oft angeführten Preiserhöhungen würden niemals für eine Kompensation ausreichen. Dennoch wolle er keine Vollkompensation.

Die Milchviehhalter reagieren auf die angespannte Situation mit einer Reduzierung des Viehbestandes, was aber die Preise für Schlachtkühe nach unten zieht. Innerhalb von vier Wochen haben sie elf Prozent an Wert verloren. In der Summe liefert Ostdeutschland durch hohe Temperaturen und eine geringere Kuhzahl zehn Prozent weniger Milch als üblich an.

Der Blick nach vorne ist nicht gut. Im Osten soll es in den beiden nächsten Wochen weiterhin nicht regnen und noch einmal eine Hitzewelle kommen. Im ausgetrockneten Boden kann nichts gesät werden und falls die Saat durch eine Bewässerung keimt, finden die Wurzeln in der Tiefe keine Wasservorräte. Die Oberkrume ist zu Staub zerfallen. „Hier wächst nichts mehr“, sagte Vogel. Auf den Anbau von Sommerzwischenfrüchten für neues Grobfutter sind die Rinderhalter auf die Solidarität ihrer Kollegen in den regenreicheren Regionen angewiesen.

Wolfgang Vogel

Die Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau in Sachsen-Anhalt hatte zuletzt den Winterweizen als Getreideleitkultur in den Trockenregionen Ostdeutschlands in Frage gestellt [1]. Wolfgang Vogel ist in seiner Meinung eindeutig: „Das ist Quatsch.“ Mit Frühsaat und großer Sortenvielfalt könne der Weizen weiterhin angebaut werden. Die Wintergerste passe nicht in die Fruchtfolge. Demgegenüber könne der Roggen eine Renaissance im Osten erleben. 

Für die Landwirte ist mit der Nothilfe noch gar nichts vorbei. Die Rapsaussaat im September ist real in Gefahr und für Wintergetreide verbleiben dann auch nur noch drei Wochen. Wer in diesem Jahr keine Winterkultur in den Boden bringt, den treffen im nächsten Jahr weitere Auswirkungen des Sommers 2018.

BVVG

Die Bundesregierung hat aber in der Dürrehilfe neben den Bundesländern auch einen Rettungs-Trumpf in der Hand. Die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) verpachtet ehemals volkseigene Flächen im Auftrag der Bundesregierung. Pachten werden bereits gestundet und der Bund prüft noch weitere Maßnahmen, wie beispielsweise der Verzicht auf Stundungszinsen. Die agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Kirsten Tackmann, fordert gezielt ein Aussetzen der Pachterhöhungen für Staffel-Pachtverträge. Diese gehören aber nicht zu den Standardverträgen der BVVG, teilt das Finanzministerium der Politikerin mit. Sie wurden lediglich im Einzelfall eingeführt, um deutlich unterdurchschnittliche Pachten langsam an das aktuelle Pachtniveau heranzuführen. Von den aktuell vorhandenen 6.340 Pachtverträgen sind lediglich 79 Staffel-Pachtverträge. Dennoch kein Grund, sie nicht zu berücksichtigen, erklärte Tackmann am Dienstag. Für von der Existenz bedrohte Betriebe sind 79 Staffel-Pachtverträge schon zu viel, um nicht beachtet zu werden. „Der Verzicht auf Stundungszinsen bei BVVG-Pachtverträgen ist für von der Dürre betroffene Pächterinnen und Pächter kein Angebot für weitere Hilfe, sondern eine Selbstverständlichkeit“, kritisiert Tackmann.

Rauhfuttererträge 2018

Weitere Ideen

Neben der aktuellen Dürrehilfes des Bundes haben die Länder mit Pachtstundungen, Futternutzung auf ökologische Vorrangflächen oder Transporthilfe für Futter vielfältige Programme gestartet. Nach der aktuellen Hilfe schimmern auch bereits konkrete Ideen für langfristige Möglichkeiten durch.

So sieht Ministerin Julia Klöckner neben Versicherungslösungen auch die neuen Züchtungsmethoden als Hilfe für bessere Sorten an. Auch Bauernpräsident Joachim Rukwied will auf das Genom Editing nicht verzichten. Martin Häusling von den Europagrünen fordert Fördermittel für eine bessere Lagerhaltung für Grobfutter, damit die Betriebe größere Vorräte in guten Jahren anlegen können.

Das Land Hessen will seine landwirtschaftlichen Maßnahmen des „Integrierten Klimaschutzplans“ zeitlich priorisieren und finanziell aufstocken. Das Dürrejahr 2018 soll auf regionale und produktspezifische Auswirkungen evaluiert werden.

Mehr Solidarität der verarbeitenden Industrie fordert die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). „Über faire Preise ließe sich die existenzgefährdende Situation in den Griff bekommen“, sagte Bundesgeschäftsführer Georg Janßen. Er hält Preise wie 32 Cent für ein Kilo Milch oder 1,47 Euro für ein Kilo Schweinefleisch für verantwortungslos. 

Rainer Spiering fordert als agrarpolitischer Sprecher der SPD die Fokussierung der laufenden Reform zur europäischen Agrarpolitik ab 2020 auf nachhaltige und umweltfreundliche Bewirtschaftungsformen, so dass die Betriebe mit derartigen Dürreperioden in Zukunft besser umgehen können. „Es muss ein Maßnahmenpaket geschnürt werden, in dem die dringend benötigten Ackerbau- und Nutztierstrategien sowie die Neuaufstellung der EU-Agrarsubventionen enthalten sind. Ebenfalls Teil der Lösung ist die Nutzung moderner Landtechnik im Zusammenspiel mit einem digitalen Betriebsmanagementsystem bei den Landwirten.“

Gero Hocker

FDP-Antrag Risikoausgleichsrücklage

Der agrarpolitische Sprecher der FDP will die Landwirte unabhängiger von politischen Entscheidungen machen und die unternehmerische Verantwortung durch eine steuerfreie Vorsorge der Landwirte stärken. Dr. Gero Hocker stellte am Mittwoch ein Positionspapier vor, das nach der Sommerpause in einen Antrag für den Bundestag formuliert wird. „Da möchten wir gerne Landwirte in die unternehmerische Verantwortung versetzen, durch eine steuerfreie Vorsorge sich tatsächlich für schlechtere Jahre wappnen zu können. Immer dann, wenn sie ertragsstarke Jahre gehabt haben, gibt es das gegenwärtige Steuerrecht lediglich her, dass man zum Beispiel durch Ersatzinvestitionen die Steuerschuld reduziert. Aber dass man tatsächlich eigenverantwortlich als Landwirt, als unternehmerischer Landwirt, Vorsorge trifft, die man dann auflösen kann, auf die man dann zurückgreifen kann, wenn es ertragsschwächere Jahre gibt, wie das 2018 der Fall ist, wie das auch 2017 wegen der besonderen Feuchtigkeitssituation der Fall gewesen ist, das gibt es bislang nicht.“ Hintergrund ist, dass Banken Unternehmen mit überdurchschnittlichen Pluspunkten im Rating belohnen, wer in guten Zeiten Liquiditätspolster anspart. Für die betriebliche Eigenversorgung allerdings kenne das Steuersystem diese Leistung nicht, weswegen Betriebe Sonderabschreibungen vornehmen oder nicht zwingend notwendige Instandsetzungsmaßnahmen durchführen, um die Steuerlast zu senken. Die FDP fordert die Bundesregierung auf, so ein Instrument für das Volumen eines Durchschnittsgewinns der letzten vier Jahre einzurichten.

Bauer und Unternehmer

Selbst die Krise bietet Möglichkeiten, über den Beruf des Landwirts und seine Rolle in der Gesellschaft nachzudenken. Landwirte denken nach Julia Klöckner nicht in Quartalsberichten, sondern in Generationen. „Seine Arbeitszeit entspricht häufig nicht dem Mindestlohn. Landwirte die Lebensmittel produzieren sind nicht irgendeine Branche und in großem Maße von Parametern, wie dem Wetter abhängig, dass sie selbst gar nicht beeinflussen können. Mir ist es wichtig auch in dieser Debatte die Empathie für die Betroffenen zu haben. Unser aller Interesse muss es doch sein, dass die junge Generation, die sieht, wie die ältere Generation schuftet und schafft, in Deutschland auch familiengeführte Betriebe flächendeckend bewirtschaftet. Wir wollen regionale Produkte, wir wollen wissen, was da drin ist. Der Beruf hat was mit Deutschland und seiner Kultur und der Kulturlandschaft zu tun.“

Dr. Hocker hat sich gegenüber Herd-und-Hof.de für moderne Unternehmungsführung der Landwirte ausgesprochen und plädiert für eine Abkehr vom Image des Subventionsempfängers: „Ich habe von vielen Betriebsinhabern in den letzten Wochen gehört, dass sie sich gerade nicht hinter der Forderung nach einer Milliarde Unterstützungshilfe versammeln wollten, bevor überhaupt bekannt gewesen ist, wie hoch die Ausfälle tatsächlich sind. Nach meinem Eindruck verstehen sich die Landwirte als Unternehmer und wollen auch so wahrgenommen werden. Was es dazu braucht ist aber auch ein steuerrechtliches Instrumentarium, um diese Verantwortung als eigenverantwortlicher Unternehmer tatsächlich wahrnehmen zu können.“

Verbraucherpreise

Eine der beliebtesten Fragen von Tageszeitungen ist die nach steigenden Verbraucherpreisen. Am Ende wird der Preis eines Gutes immer an seiner Knappheit bemessen. Das ist in diesem Jahr nicht anders. Daher durften sich diesen Sommer die Kunden über preiswerte Kirschen und günstiges Beerenobst freuen. Auch bei Tomaten ist der Preis aktuell niedrig. Bei verarbeiteten Produkten setzt sich der Preis aus weiteren Kostenfaktoren zusammen. Energie, Logistik und Arbeit führen nach wie vor eher zu höheren Verbraucherpreisen als steigende Rohstoffpreise. Der Getreidepreis nimmt am Brotpreis nur einen Anteil von maximal fünf Prozent ein. Der Weizenpreis müsste sich mindestens verdoppeln, bevor das Brötchen wegen der anhaltenden Trockenheit teurer würde.

Frischwaren, die wegen der Trockenheit knapp wird, wie Salate, sind teurer. Milch wird es in den kommenden Monaten wohl auch wieder – obwohl: Das Absacken des Milchpreises um 10 Cent vom Herbst 2017 auf heute wieder 69 Cent pro Liter Vollmilch im Tetrapack war den Medien auch keine Schlagzeile wert. Das Statistische Bundesamt weist für den Juli für Nahrungsmittel ein um 0,1 Prozent niedrigeres Niveau gegenüber dem Vorjahresmonat aus.

Von Sonnentagen zur Hitzewelle

Die Wetterfrösche hatten die anhaltende Trockenheit in diesem Jahr bereits der „ausgeprägten Erhaltungsneigung“ des Azorenhochs zugeschrieben. Die Klimaforscher aus Potsdam haben das Phänomen schon länger im Visier und können es den veränderten Zirkulationsmustern von Luftströmungen hoch im Himmel zuweisen. Diese beeinflussen das Wetter regional und lokal. „Riesige Luftströme umkreisen unsere Erde in der oberen Troposphäre – wir sprechen von planetaren Wellen“, erklärt Hans Joachim Schellnhuber, Direktor Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). In der Regel schieben diese Winde Ketten von Hoch- und Tiefdruckgebiete zwischen dem Äquator und dem Nordpol von West nach Ost. Doch wenn Störungen auftreten velangsamen sich die Winde und ein Hoch oder Tief bleibt über einer bestimmten Region „hängen“. Dann werden aus Sonnentage Hitzeperioden und aus Regenfällen Überschwemmungen.

Winde entstehen durch Temperaturunterschiede. Die durch Treibhausgase aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe verursachte Erwärmung der Arktis verringert die Temperaturdifferenzen zwischen Nordpol und Äquator, was zu der Verlangsamung der Luftzirkulation führt. Dieser Sommer sei ein eindrucksvolles Beispiel, was passiert, wenn ein Hochdruckgebiet über Nordeuropa hängen bleibt. Was in Europa zu einer Dürre geführt hat, verursacht in Indien aus gleichem Grund den starken Monsun mit Überschwemmungen [2]. Die Störung der Zirkulationsmuster hat 2016 im Zusammenspiel mit einem starken El Nino in Kanada zu Waldbränden mit einem Sachschaden von 4,7 Milliarden kanadischen Dollar geführt. „Selbstverständlich war das planetare Wellenmuster nicht die einzige Ursache für das Feuer – aber es war ein zusätzlicher wichtiger Faktor, der zu dieser bedauerlichen Katastrophe beitrug“, sagt Vladimir Petoukhov vom PIK [3].

Beklemmender Sommer

Nicht nur Vogel und Rukwied haben ein beklemmendes Gefühl gegenüber künftigen Wetterlagen. Wie die meisten Bauern gehen sie von einem normalen Witterungsverlauf 2019 aus. Der Sommer 2018 werde kein Beispiel für die Sommer der nächsten 20 Jahre sein, sagte Rukwied – „aber die Wetterextreme nehmen zu.“ Noch so einen Sommer will sich niemand vorstellen. Wer seinen knöchelhohen Mais vertrocknen sieht, der will das auch glauben müssen. Die Landwirte in Deutschland spüren seit längerem die Auswirkungen veränderten Wetters. Für die Konsumenten scheint die Lage beherrschbar, solange die Supermärkte voll sind. Der Sommer 2018 ist aber keine versinkende Pazifikinsel, keine Ausdehnung der Wüste im Sahel oder ein überflutetes Dorf in Bangladesch. „Dürre“ und „Missernte“ sind Badespaß und Feriensommer, Überfluss und Auswahlvielfalt der „Gunstregion“ Mitteleuropa ein Stück näher gerückt.

Lesestoff:

Alle Erntezahlen finden Sie unter www.bauernverband.de

[1] Bilanz zum Trockenjahr 2018: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/bilanz-zum-trockenjahr-2018.html

[2] Im indischen Bundesstaat Kerala sind in diesem Jahrbereits 350 Menschen durch Überschwemmungen gestorben. Die Regierung hat über 5.000 Notlager für fast eine Million Obdachlose aufgestellt. Die Regierung hat den Notstand ausgerufen.

[3] Erster Artikel: D. Coumou et al. (2018): The influence of Arctic amplification on mid-latitude summer circulation. Nature Communications [DOI:10.1038/s41467-018-05256-8] https://doi.org/10.1038/s41467-018-05256-8

Zweiter Artikel: V. Petoukhov, H.J. Schellnhuber et al. (2018): Alberta wildfire 2016: Apt contribution from anomalous planetary wave dynamics. Nature Scientific Reports [DOI:10.1038/s41598-018-30812-z] www.nature.com/articles/s41598-018-30812-z

Roland Krieg; Fotos: roRo; Grafiken: LBV und DBV

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