Die Last der Krisenprävention

Landwirtschaft

Entwicklungshilfe muss für verfehlte Politik einspringen

Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) erfährt als Bundesunternehmen im Bereich der technischen Entwicklungshilfe die gleichen Probleme wie private und kirchliche Organisationen. Die Krisenbewältigung frisst personelle und finanzielle Ressourcen, die für die langfristige Wohlstandsentwicklung nicht mehr zur Verfügung steht.

Die GIZ in Zahlen ist beeindruckend: Zwischen 2010 und 2015 hat die Projektarbeit in mehr als 120 Ländern 45 Millionen Menschen mit Trinkwasser versorgt, 16 Millionen Menschen den Zugang zu sanitären Einrichtungen ermöglicht, Gesundheitsangebote für mehr als 120 Millionen Menschen geschaffen und für mehr als 300 Millionen Menschen einen Gesundheitsschutz organisiert.

Erfolgreiches Geshäftsjahr

Es gibt viel zu tun, weswegen die GIZ im Geschäftsjahr 2016 einen Budgetzuwachs aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) von 220 Millionen Euro erhielt. Das Budget wuchs auf 1,9 Milliarden Euro an, in denen 286 Millionen Euro von der EU, ausländischen Regierungen und Stiftungen enthalten sind. Insgesamt wuchs das Budget um 12 Prozent auf 2,4 Milliarden Euro. Diese Zahlen stellte Vorstandsprecherin Tanja Gönner am Montag auf der Jahrespressekonferenz in Berlin vor. Auch das BMZ hat seine Mittel erheblich erhöht. Mit nahezu einer Verdoppelung auf 8,5 Milliarden Euro kann das BMZ in dieser Legislaturperiode einen Rekordhaushalt aufweisen. BMZ-Staatssekretär und Vorsitzender des GIZ-Aufsichtsrates Dr. Friedrich Kitschelt rechnet inklusive Flüchtlingshilfe vor, dass die öffentliche Entwicklungshilfe die 0,7 Prozent-Marke erreicht habe. Mit dieser Quote des Bruttonationaleinkommens wollten die Industrieländer 1970 die Welt entwickeln. Ohne Flüchtlingsgelder sind es aktuell nur 0,52 Prozent. Kitschelt will das Ziel ohne Flüchtlingsgelder in der nächsten Legislaturperiode erreichen.

Ob das reicht?

200 Millionen Menschen haben weltweit ihre Heimat verlassen, mehr als 65 Millionen sind auf der Flucht. 84 Prozent der Geflüchteten sind in Entwicklungsländern untergekommen. Alleine der Bürgerkrieg in Syrien hat eine riesige Fluchtbewegung ausgelöst. 5,5 Millionen Menschen haben das Land verlassen. Die Türkei hat 2,9 Millionen Menschen aufgenommen, der Libanon mit sechs Millionen Einwohnern muss eine Million Menschen zusätzlich versorgen. Zahlen, an die Deutschland nicht annähernd herankommt. Die Hälfte der Länder, in denen die GIZ tätig sind, gilt als fragil und instabil. Weltweit leben 1,5 Milliarden Menschen in solchen Staaten.

Ohne einen Friedensschluss in Syrien wird die humanitäre Katastrophe in Nahost nicht enden, beklagte Gönner. Solange muss die GIZ versuchen, die Nachbarländer zu stabilisieren.  Die GIZ versucht Kindern eine Ausbildung zu geben, damit keine „verlorene Generation“ heranwächst. Das an Wasser knappe Jordanien muss die Ressourcen auf noch mehr Menschen verteilen.

Flucht, Klimawandel und Energie sind die Hauptthemen der Entwicklungshilfe geworden – aber es wird auch deutlich, dass das Versagen der internationalen Politik die Last auf die technische Zusammenarbeit abwälzt. Da wird auch noch mehr Geld auf die Dauer nicht reichen.

Weichen stellen

Afrika ist nicht nur ein Chancenkontinent, sondern auch eine Zeitbombe. Bis 2050 wird sich die Bevölkerung verdoppeln. Die Hälfte der Menschen wird jünger als 25 Jahre alt sein und davon die Hälfte ohne Ausbildung, wenn keine Gegenmaßnahmen eingeleitet werden, erklärt Kitschelt. Die G7 und G20-Erklärungen haben zwar den Fokus auf Afrika gelegt, doch Krisenprävention vor Ort ist mühsam und braucht einen langen Atem.

„Wir haben eine neue Dimension der Zusammenarbeit mit Afrika eingeleitet“, interpretiert Kitschelt das G20-Abschlussdokument. Jährlich sollen 20 Millionen Jobs entstehen. „Bildung, Ausbildung, Beschäftigung“ lautet das Motto für die Entwicklungsarbeit. Doch einzeln wird es nicht funktioniere. Wer ausgebildet wird, aber keine Beschäftigung findet, wird dennoch migrieren. Dorthin wo es berufliche Chancen gibt.

Außerdem bedroht neben kriegerischen Auseinandersetzungen das Klima den Kontinent. Werde die Erderwärmung nicht auf 1,5 Grad Celsius gehalten, gehen Afrika rund zwei Drittel der landwirtschaftlichen Flächen verloren, so Kitschelt. Das BMZ koordiniert zu 90 Prozent die Klimagelder der Bundesregierung für Drittstaaten. „Entwicklungsarbeit ist im Kern präventiv!“

Krisenprävention

Äthiopien hat mittlerweile gelernt, besser auf Dürren zu reagieren, Lagerhaltung zu forcieren und erste Signale für eine Trockenheit zu erkennen. „Kapazitätsaufbau“ nennt Tanja Gönner den Erfolg. „Kompass ist die Agenda 2030“ ergänzt Friedrich Kitschelt. Prävention ist auch die Dürreversicherung, die Einkommen und Liquidität für die Trockenheit sicher stellt.

Doch über allem schwebt die weltpolitische Krisenprävention. Wo Sicherheit fehlt, sind Gesundheit und Leben gefährdet, werden Infrastrukturen zerstört oder nicht aufgebaut, die Nahrungsmittelversorgung ist häufig unterbrochen. „Der wirtschaftliche Fortschritt verzögert sich“, heißt es im Jahresbericht.

Die Helfer müssen Vertrauen in die Sicherheitskräfte stärken, soziale Systeme aufbauen, Führungskräfte ausbilden und dezentrale Strukturen für die Bürger schaffen.

Alleine werden die Entwicklungsorganisationen das nicht schaffen.

Lesestoff:

www.giz.de

Roland Krieg

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