Die letzte GAP in dieser Form

Landwirtschaft

„Landwirten vertraue ich mehr als der Kommission“

Seit 60 Jahren gibt es die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union. Nicht immer waren Zielsetzung und Umsetzung einfach. Mit dem Greening 2013 hielt das zarte Pflänzchen der Umweltpolitik Einzug, die in der aktuellen Reform als grüne Architektur den gesellschaftlichen Anforderungen an Umwelt- und Klimaziele deutliche Akzente verleiht. Zum ersten Mal können die Mitgliedsstaaten mit den nationalen Strategieplänen regionalen Einfluss auf die GAP nehmen. Doch der Unmut der Europaabgeordneten ist im gleichen Umfang gewachsen. Dem haben am Dienstag im Agrarausschuss des Europaparlamentes deutlich gegenüber Mihail Dumitru geäußert. Der stellvertretende Generaldirektor der Agrar-Kommission stellte den aktuellen Stand der Strategiepläne vor.

Status quo

19 Mitgliedsländer hatten ihre Pläne pünktlich zum 01.01.2022 eingereicht, bis zum 18. März lagen alle vor. Bis zum 25. Mai hatte die Kommission in ihrem Beobachtungsschreiben alle Pläne kommentiert und tritt in die Verhandlungen mit den EU-Ländern ein. Auf drängendes Nachfragen gab Dumitru zu, dass Portugal bislang keinen formalen Strategieplan eingereicht hat und Italien seine Zustimmung auf das Beobachtungsschreiben zurückhält. Ansonsten sei die Kommission transparent und hat alle Schreiben veröffentlicht, wie auch die allermeisten Länder. „Volle Transparenz“ heißt das. Aber, so muss Dumitru einräumen, die Zahlen sind nur „work in progress“, weil die Strategiepläne noch nicht finalisiert sind. An den Angaben kann es noch Änderungen geben.

Insgesamt seien zehn Länder so weit, dass sie „vor dem Sommer“ mit der Umsetzung beginnen können [1].

Schwierige Entscheidungen

Die zehnprozentige Umverteilung aus den Direktzahlungen sei für die Mitgliedsländer das größte Problem gewesen. Zwischen Übererfüllung in Höhe von 25 Prozent bis zur Bitte um eine Ausnahmeregelung sei in den Vorlagen alles dabei gewesen. Auch die Art und Weise war nicht immer klar. Das Geld sollte nicht nur den kleinen, sondern auch großen Betrieben zugutekommen. Doch stehe das Thema kurz vor Abschluss und einer fairen Verteilung auf möglichst viele und kleine Betriebe sei praktisch schon im Sinne der Verordnung abgeschlossen.

Nicht ganz so klar ist bei den GLÖZ. Die neun Punkte zum „guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand“ sind nach Dumitru ebenfalls heikel. Besonders hob er GLÖZ 2 (Moorschutz), GLÖU 5 (Bodenbearbeitung gegen Erosion) und GLÖZ 7 (Fruchtwechsel im Ackerbau) hervor. Bei GLÖZ 7 wollen einige Länder den Fruchtwechsel von der Betriebsebene auf die Länderebene ziehen.

Intransparenz und Zeitprobleme

Im Jahr 2019 hat die Kommission über die GAP gesagt, es müsse ein Übergangsjahr her, erinnerte der französische Liberale Jérémy Decerle. Daraus wurden zwei Übergangsjahre und angesichts der knappen Zeit müsste ein Drittes Übergangsjahr her.

„Die Fristen sind knapp – absolut knapp“, ergänzte die österreichische EVP-Abgeordnete Simone Schmiedtbauer. Die Landwirte müssen wissen, welches Saatgut sie für den Herbst kaufen sollen. Die Fruchtfolgen 2023 beginnen schon im Herbst 2022. Derzeit laufen die Beratungen nur „unter Vorbehalt“ ab, beklagte sie und sagte: „Ich habe Vertrauen in Europas Landwirtinnen und Landwirte. Die haben uns noch nie enttäuscht.“ Die Kommissionbrauche einen Plan B, falls. die Fristen nicht eingehalten werden. Peter Jahr von der CDU forderte einen Musterstrategieplan für die Länder, die es nicht rechtzeitig schaffen. Noch immer gebe es keine Klarheit, wie beim Fruchtwechsel und den Stilllegungsflächen vor dem Hintergrund des Kriegs gegen die Ukraine zu verfahren sei.

Die Grünen hatten gegen die GAP gestimmt. „Wir haben von Anfang an gesagt, dass wird in einem Chaos enden“, wiederholte Martin Häusling. „Der Zeitplan war von Anfang an ein Problem. Die GAP ist das Gegenteil von einer Entbürokratisierung.“ Heute gibt es eine ganz andere Preissituation als vor zwei Jahren, die überhaupt nicht berücksichtigt werde. „Von mir aus, können wir gleich Morgen über eine neue GAP-Reform reden.“

Ulrike Müller von den Liberalen fragte denn auch, ob die Kommission über eine Verschiebung nachdenke, Juan Ignacio Zoido Álvarez von den spanischen Christdemokraten fragte nach Sanktionen für die Länder, die ihren Verpflichtungen zur Strategieplanung nicht nachkommen und Gilles Lebreton von den französischen Rechten fragte, warum die EU-Kommission an dem Ziel von 30 Prozent Anteil des Ökolandbaus festhalte, während in Frankreich die Kunden wegen der Inflation sieben Prozent weniger Bioprodukte kaufen?

Die Ökoprämien stehen aktuell deutlich hinter den möglichen Erzeugerpreisen zurück. Das hohe Preisniveau wird auch bis in das Jahr 2023 reichen. Nach Schmiedtbauer fragten sich Landwirte, ob sie überhaupt noch an der GAP teilnehmen sollen.

Optimismus

Derweil verbreitete Dumitru ganz viel Optimismus. Bis Ende September lägen alle Genehmigungen für die Strategiepläne vor und die Länder könnten mit der Umsetzung beginnen. Seitens der Kommission. Daher brauche die Kommission keine zusätzlichen Fristen für die GAP 2023. Er räumt aber ein, dass die Länder Korrekturen mit den Regionen besprechen müssen, was die Frist verlängern könnte. Die Kommission hält an ihrem Ziel ehrgeizige Eco-Schemes umzusetzen fest.

Ob sich der Politiktross für die Zeit nach 2027 noch einmal diesen Diskussionen aussetzen will, bleibt abzuwarten.

Lesestoff:

[1] Den Bericht über die Sonder-Amtschefkonferenz in Magdeburg zur GAP gibt es im Leseclub 27/2022.

Roland Krieg

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