Die Milchküche brennt
Landwirtschaft
Nationales Grünlandprogramm für die Milchwirtschaft
Das nach dem Wegfall der Milchquote mehr Milch produziert wird ist klar, sagte Dr. Stefan Weber von der LMS Agrarberatung GmbH am Freitag auf dem deutschen Grünlandtag in Torgelow in Mecklenburg Vorpommern. Doch wer diese Milch produziert ist noch unklar. Der Erfolg zwischen erfolgreichen und erfolglosen Betrieben liegt bei gerade einmal zehn Cent Produktionskosten je Kilogramm Milch. Die Betriebsauswertung der LMS errechnete für das schlechteste Viertel der Milchbetriebe einen Flächenanteil von 1,2 Hektar Hauptfutterfläche pro Kuh. Das Viertel der erfolgreichen Betriebe benötigt nur 0,7 ha. Was noch mehr auffällt: Die besseren Betriebe erzielen aus dem Grobfutter 4.500 Kilo Milch pro Kuh und Jahr. Die schlechteren lediglich 2.000.
Zwanzig Prozent der zehn Cent Kostenunterschiede machen die Kosten von Kraftfutter und Grobfutter aus. Es lohnt sich also, das eingesetzte Futter einer kritischen Betrachtung zu unterziehen – umso mehr, als nach dem Wegfall der Milchquote der Wettbewerb schärfer wird.
Mehr Milch aus dem Grünland
Daher widmete sich der Grünlandtag vor allem den Effizienzen, die das Grünland für die Betriebe bereit hält.
Landesbauernpräsident Rainer Tietböhl ging das Thema zunächst einmal generell an. Grünland in Deutschland steckt meist in Förderprogrammen für den Ökolandbau, für eine Extensivierung oder für den Naturschutz fest. Raum für eine intensive Nutzung der Grasländer gibt es kaum, obwohl Gräser und Kräuter genug Protein und Mineralstoffe für eine ausreichende Versorgung der Milchkuh bereit halten. Mehr als Gras bräuchte die Kuh nicht.
Mit Intensivierung ist die abwechslungsreiche Gräservielfalt gemeint. Wird Grünland vernachlässigt, nimmt die Artenvielfalt ab. Zur Intensivierung gehören die Arbeitsschritte Walzen, Schleppen und Nachmahd sowie eine regelmäßige Neueinsaat – und zwar zu den Zeiten, wenn das Graswachstum es erfordert. Dann besitzt das Grünland die höchsten Qualitäten für die Milchproduktion. Grünland mit mittleren Qualitäten könne, so Tietböhl, für die extensive Fleischproduktion oder den Naturschutz genutzt werden. Der Bauernpräsident setzt auf Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus, der dem Land ein eigenes Weideprogramm versprochen hat.
„Es brennt“
Das sind die langfristigen Planungen. Nicht unvorhersehbar war der Preisverfall der Milch seit Wegfall der Milchquote. Überraschend die niedrigen Molkereiabschlüsse mit dem Handel. Das sei längst kein „heißes Thema mehr. Es brennt“, drohte Tietböhl. In drei Wochen auf dem Bauerntag in Erfurt wollen die Bauern neben einer neuen Kommunikationsstrategie auch das Thema für die verarbeitende Industrie aufbereiten.
Der aktuelle Milchpreis wird sich nicht in fünf bis sechs Monaten verbessern, so Tietböhl. Während Ludwig Börger vom Deutschen Bauernverband (DBV) noch von einem „ärgerlichen Zustand spricht“, der nicht den Blick auf neue Absatzmärkte verstellen solle, glaubt Tietböhl kaum noch an den Weltmarkt. Wenn die Europäer den Handel mit Russland nicht wieder in Gang bekommen, haben die Verarbeiter diesen Markt verloren. Und „China wartet auch nicht gerade auf unsere Milch!“.Gegenüber Osteuropa und Großbritannien verliere Deutschland über Mindestlohn und immer weitere Auflagen den Anschluss an den innereuropäischen Wettbewerb. Während Börger nicht an fünf Prozent mehr Milch nach Wegfall der Quote glaubt, geht Tietböhl auch hier auf Gegenkurs: „Wir können froh sein, wenn es bei den fünf Prozent bleibt!“
Was Deutschland im Agrarbereich brauche, sei eine zentrale Anlaufstelle für den Export. Es könne nicht sein, dass die ausländischen Märkte keinen zentralen Ansprechpartner im Veterinärbereich haben, erläuterte Tietböhl.
Der DBV fordert immer wieder eine steuerbefreite Risikoausgleichsrücklage. Besser sei jedoch eine Risikobeteiligung der gesamten Wertschöpfungskette. Dazu gehört eine Anhebung des Interventionspreises von derzeit 21,5 Cent. Brüssel arbeite daran, sagte Börger. Ein Vollkosten deckender Preis werde aber nicht herauskommen. Österreich habe 30 Cent vorgeschlagen. Das sei jedoch utopisch, weil dieser Preis neue Milchbetriebe in die Produktion locke.
Grünlandprogramm
Der Grünlandverband ist mit einem Zehn-Punkte-Forderungskatalog in die Offensive gegangen. Laut Vorsitzendem Dr. Hans Hochberg sollten leine Betriebe qualifizierter gefördert werden. Das Grünland brauche eine stärkere Berücksichtigung. Ohne einen Handlungsbedarf dürfe nicht mehr gefördert werden und in der Beratung müsse die gesamtbetriebliche Förderung im Vordergrund stehen. Die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) dürfe nicht durch jedwede Förderung des ländlichen Raumes verwässert werden.
Roland Krieg