Die Molkereien müssen sich bewegen

Landwirtschaft

Genossenschaften geraten in der Milchkrise unter Druck

Nach dem Milchgipfel am Montag [1], debattierte der Bundestag am Donnerstag über das Thema Milch und am Abend über die Veränderung des Agrarmarktstrukturgesetzes, an das große Hoffnungen gestellt werden. Dabei rücken die Molkereien und vor allem die genossenschaftlichen Molkereien in den Fokus.

Den Handel hat Friedrich Ostendorff (Bündnis 90/Die Grünen) gleich zu Beginn herausgenommen: „Der Handel hat, wie nicht anders zu erwarten war, die kalte Schulter gezeigt.“ Die Mengenregelung zur Beseitigung der Marktlage muss an der Basis zwischen Erzeugerstufe und Verarbeiter stattfinden. Staatssekretär Peter Bleser (CDU) begrüßte zwar den Beginn des Branchendialogs „nach Stunden Beratungen“, kam aber auch zu dem Ergebnis, dass sich die Bauern organisieren müssen. Damit verband er die Milchdebatte mit dem Abenddialog über das Agrarstrukturgesetz.

Im Zentrum steht die Regelung zur Allgemeinverbindlichkeit: Danach könnten Vereinbarungen, Beschlüsse oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen einer anerkannten Agrarorganisation für Nichtmitglieder verbindlich erklärt werden.

Heißt:

Die Marktbeteiligten dürfen branchenübergreifend Mengenabsprachen treffen. Begrenzt auf einen Zeitraum von sechs Monaten – es sei denn, die EU verlängert diese Möglichkeit, wie Wilhelm Priesmeier (SPD) hofft.

Die Gemeinsame Marktordnung der EU sieht im Paragraphen 164 unter bestimmten Bedingungen vor, dass, in diesem Falle, Bundeslandwirtschafts- und Bundeswirtschaftsministerium einvernehmlich sich über eine Absprache einigen können. Die Durchführung wird in den beiden Paragraphen 148 und 168 geregelt. Im „148er“ geht es um den Milchsektor, aber nur im „168er“ wird eine Schiedsstelle genannt. Beide Bestimmungen überlassen dem Mitgliedsstaat die Entscheidung, ob und im Falle der horizontalen Bestimmung, für welchen Erzeugungsbereich die Absprache getroffen werden dürfen. Die hohe Milchmengenanlieferung und damit verbundene Marktlage gehe auf die noch nicht angepassten Vertragsbeziehungen zwischen Landwirt und Molkerei zurück.

Genau diese Vertragsbeziehungen sollen jetzt angepasst werden. Da die privaten Molkereien Preis und Menge erfassen, stehen also jetzt die genossenschaftlichen Molkereien im Fokus. Da gibt es die Andien- und Abnahmepflicht. Der Landwirt muss alle Milch an die Molkerei abgeben und diese wiederum alle angelieferte Milch annehmen. Wilhelm Priesmeier (SPD): „Ich erwarte, dass sich er größte Teil der Milchabnehmer, die Genossenschaften, bewegen.“ Falls das nicht passiere, bräuchte niemand mehr über Mengen und Preise zu reden. Auch Spiering von der SPD legt den Verdacht eines Systemfehlers auf die großen Genossenschaften. Zwischen Niedersachsen und Bayern besteht ein Milchpreisgefälle von fünf Cent. Im Norden gibt es die großen Genossenschaften, im Süden viele private Molkereien.

Folge:

„In diesem Zusammenhang soll die Andienungspflicht gestrichen werden“, sagte Priesmeier, der sich Hilfe bei Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus holte: „Mit diesem Vorgehen sollen die Strukturen im Milchsektor aufgebrochen und die Position des Landwirts innerhalb des Milchsektors tatsächlich gestärkt werden. Bisher war er nur der Rohstoffproduzent, der am Tropf der Molkerei hing. Der vermeintliche Vorteil, dass die Molkerei dem Landwirt alles abnimmt, was er liefert, ist heute mit ein Grund für die Krise. Diese Abhängigkeit konnte der Landwirt bisher auch nicht aufbrechen, da die rechtlichen Vorgaben es nicht hergaben. Hier muss ein echter Wettbewerb her. Jeder Milchviehhalter muss in Zukunft einen Vertrag haben, in dem Preis, Menge und Vertragslaufzeit genau geregelt wird.“

Für Kirsten Tackmann (Die Linke) hole die Politik damit nur das Versäumnis nach, sich nicht schon früher über die Vertragsmodalitäten Gedanken gemacht zu haben: „Die Verweigerung der Politik wird den Bauern jetzt zum Verhängnis.“

Widerstand

Der Deutsche Raiffeisenverband reagiert wütend und warnt vor einer „Entsolidarisierung der Milcherzeuger.“ DRV-Präsident Manfred Nüssel sagte: „Der Vorwurf, dass bestehende Möglichkeiten zur Verbesserung der Marktstellung von Erzeugern nicht genutzt werden, steht im krassen Gegensatz zur genossenschaftlichen Praxis. Die Erzeuger haben sich zusammengeschlossen, um gemeinsam ihre Marktstellung zu stärken.“ Nüssel weiter: „Deshalb weise ich jegliche externe Einflussnahme oder die Drohung mit veränderten rechtlichen Vorgaben entschieden zurück.“

Ostendorff hilft

Und plötzlich stehen die Sozialdemokraten auf der anderen Seite der Genossenschaften gegenüber. Friedrich Ostendorff begrüßt die Bündelung der Milchbauern; er begrüßt das Pilotverfahren des Kartellamtes zur Prüfung der genossenschaftlichen Verträge, verteidigt aber die Genossenschaften, die in der Vergangenheit den Landwirten auf dem Land immer wieder geholfen haben. Die Abschaffung der Andienungspflicht sei ein „Überfall, den die Opposition nicht mittrage.“

Regionale Wertschöpfung

Das Ende der Andienungspflicht werde das Problem auch nicht lösen. Ostendorff fordert viele kleinere Molkereien, die im Wettbewerb stehen und Verbrauchern regionale Produkte mit höherer Wertschöpfung anbieten. Das fordern auch die Linken mit Karin Binder. So sollten nach Johann Saathoff (SPD) Kriterien wie Zellzahl oder Milch vom Zweinutzungsrind transparent den Verbrauchern angepriesen werden. Für Parteikollege Rainer Spiering gehört die Grünlandwirtschaft dazu. Wachsendes Grünland sei eine gute Senke für Kohlendioxide. Um die flächendeckende Milchviehhaltung aufrecht zu halten könnten Bundesmittel oder Umschichtungen aus der ersten in die zweite Säule genutzt werde. Spiering erhoffte sich Antworten vom Deutschen Bauernverband, „doch die bekomme ich im Moment nicht.“ Andere Zentralverbände würden mit einer Stimme sprechen, kritisiert er den DBV.

Auch Artur Auernhammer (CSU) sieht den Nachholbedarf bei den Molkereien. Bergbauernmilch oder Absatz von Delikatessen nach Bayern seien ein lang erarbeiteter Vorteil im Süden der Republik.

Lesestoff:

[1] Berliner Milchgipfel

Roland Krieg

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