Die Neubestimmung der Landwirtschaft

Landwirtschaft

Die neue Balance von Umwelt und Ernährungssicherheit

Mit Umwelt-, Klima- und Biodiversitätskrise wurde in den vergangenen Jahren die Landwirtschaftspolitik neu bestimmt. Nach der grünen Architektur in der zweiten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik für den ländlichen Raum, vertiefen die Eco-Schemes ab Januar 2023 die grüne Konditionalität für die Auszahlung der Direktbeiträge in der ersten Säule. Der Krieg in der Ukraine hat in kurzer Zeit die Balance in der Landwirtschaft durcheinander gebracht. Die steigenden Kosten für Betriebsmittel und neue Preishöhen für Agrarerzeugnisse an den Börsen justieren die Betriebswirtschaft neu. Wer nicht schon genug Dünger auf Lager hat, wird entweder keinen neuen mehr kaufen oder kann es kaum noch, weil die Düngerhersteller erneut ihre Produktion stilllegen. Zu Beginn des Kriegs bekam Ägypten als größter Getreideimporteur kein Lieferangebot mehr aus der Ukraine und Russland. Die Anfrage wurde zurückgezogen. Anfang März zum wiederholten Male. Da suchten die staatliche Importagentur Weizen in Westeuropa. Konnte aber keine 400 Euro je Tonne Weizen bezahlen.

Der Krieg in der Ukraine droht vor allem im globalen Süden einen wirklichen Mangel an Nahrungsmittel auszulösen. Mitte März beschrieb FAO-Generaldirektor Qu Dongyu beim Treffen der G7-Länder die Auswirkungen steigender Preise für Agrarrohstoffe vor und kam beim moderatesten Anstieg auf mehr als sieben Millionen Menschen, die in den nächsten Monaten in die Mangelernährung rutschen können.

Auch wenn die Versorgungssicherheit in der EU gewährleistet ist, rückt das Thema Ernährungssicherheit in den Vordergrund und fand Anfang März auf dem Sondertreffen der EU-Agrarminister in Brüssel seinen Ausdruck im politischen Mandat an die Kommission, zumindest die Verpflichtungen für Flächenstilllegungen aufzuweichen.

Das vertrackte an der neuen Priorität ist, dass die Umwelt- und Klimaprobleme nicht verschwinden. Sinkende Grundwasserbestände in Westeuropa werden unabhängig vom Krieg die Landbewirtschaftung in Europa erschweren. Was die Bundesregierung in ihrer Ampelkonstellation macht, ist noch offen. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir jedenfalls arbeitet an einer Politik „die alle Krisen löst“.

Was sagt die Wissenschaft?

Dr. Lisa Biber-Freudenberger (ZEF) Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn: Angesichts dessen, dass global ein Großteil der landwirtschaftlichen Erträge insbesondere in Lateinamerika oder Südostasien bereits heute produziert werden, um dann verfüttert oder verheizt zu werden, würde ich eher eine Debatte darüber führen, ob wir zum Beispiel die Subventionen für Energie aus Biomasse abschaffen und den Import von Futtermitteln beschränken sollten.“

Dr. Matin Qaim (ZEF), Bonn: „Nahrungsexporte aus Russland sollten soweit es geht aus den Handelsembargos ausgeklammert werden.“

Dr. Sebastian Lakner, Universität Rostock: „Es ist von zentraler Bedeutung, die internationalen Märkte offenzuhalten und keine Export-Restriktionen einzuführen, die zwar am nationalen Markt zu Erleichterungen führen, aber die Lage an den Weltagrarmärkten zusätzlich verschärfen.“

Dr. Sebastian Hess, Agrarökonom an der Universität Hohenheim: „Kurzfristig wird man versuchen, verfügbare Reserven freizugeben und punktuell möglicherweise auftretenden, akuten Versorgungsengpässen durch Hilfsprogramme zu begegnen. Langfristig sollte der russische Angriff auf die Ukraine ein weiterer Weckruf dafür sein, weltweit mehr in Landwirtschaft und Markt-Infrastruktur zu investieren. Diese Erkenntnis ist jedoch keineswegs neu.“

Roland Krieg

Der vollständige Text ist am 11. März im Herd-und-Hof Leseclub 10/2022 in der Rubrik Marktplatz erschienen. Werden Sie Besserwisser unter https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/herd-und-hof-leseclub.html

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