Die O+G-Branche muss lauter werden

Landwirtschaft

Untergraben krumme Möhren die Premiumstandards?

Kaum ein Agrarprodukt steht für Frische, Regionalität und Gesundheit wie Obst und Gemüse. Doch die Deutschen gehen lieber zum Arzt. So beschreibt Dr. Andreas Brügger, Geschäftsführer des Deutschen Fruchthandelsverband (DFHV), das Dilemma der Branche, die beim Konsum kaum von der Stelle kommt. Die Konsumenten haben im letzten Jahr vier bis sechs Prozent mehr Geld ausgeben müssen, aber jeweils ein Prozent weniger Obst und Gemüse eingekauft.
Apfel und Brokkoli sind nicht „sexy genug“, sie werden nicht wegen ihrer Gesundheitswirkung gekauft und bei einem Discountanteil von mindestens 40 Prozent steht die Branche unter Preisdruck.

Werben mit Obst und Gemüsen

Die Agrarmarkt Informations-Gesellschaft hat für das Jahr 2013 die Angebotsaktionen für Obst und Gemüse untersucht. Demnach wurde Gemüse im Angebot bundesweit rund 15.000 Mal beworben und lag um ein Prozent niedriger als im Vorjahr. Hingegen sind die Angebotsaktionen bei Obst um ein Prozent nach oben gegangen und wurden etwa 12.600 platziert. Bei Gemüse wird seit Jahren immer das gleiche Produkt beworben: Tomaten standen ganz weit vorne, gefolgt von Paprika und Speisekartoffeln. Im Obstsektor gab es einen Wechsel an der Spitze. 2011 und 2012 standen Äpfel in der Werbung ganz oben und wurden im letzten Jahr von den Trauben abgelöst. Auf Platz drei stehen Melonen.

Wenig Fürsprecher

Frischekampagnen und die ersten Fachverkäufer für Obst und Gemüse machen kleine Fortschritte [1]. Dennoch: Nur sieben Bundesländer nehmen am Schulfruchtprogramm teil. Der Deutsche Bauernverband platziert ein neues „Meat“-Magazin in den Zügen der Deutschen Bahn. Der Obst und Gemüse-Branche fehlen bei allen eigenen Anstrengungen die politischen Fürsprecher, beklagte Dr. Brügger gegenüber Herd-und-Hof.de. Würden beim Schulobst die Eltern direkt angesprochen, wären sie auch bereit ihren Kindern das tägliche Stück Obst zukommen zu lassen. Die von den Bundesländern beklagten hohen Verwaltungsvorschriften für das Schulfruchtprogramm seien hausgemacht. Wenn sicher gestellt werden müsse, dass die Lehrer vom finanzierten Landesobst nicht naschen dürfen, dann rufe das bei den europäischen Nachbarn nur noch ein Schmunzeln hervor.

Was hinter krummen Gurken wirklich steckt

Druck kommt auch von einer anderen Seite. Die Schweizer Obstbauern fürchten Preisdumping und Unterlaufen der Premiumqualität, weil derzeit vor allem in der Schweiz und Österreich der Handel Hagelaprikosen und krummes Gemüse listet. Rewe Deutschland verfolgt die Erfahrungen der Kollegen in Österreich und ist auf dem Spring, krumme Möhren vor der Biotonne zu bewahren [2]. Motto: Das ist gut gegen die Lebensmittelverschwendung.
Auch die deutsche Obst- und Gemüsebranche fürchtet diese Handelskampagnen. Solange es nur um ein paar Möhren und Aprikosen geht, stehe dem nichts im Wege. Wenn aber diese Norm zu einem ständigen Bestandteil in der Frischeabteilung wird, dann gelten die Befürchtungen der Schweizer Kollegen auch für den deutschen Sektor.
Denn - so erklärt Dr. Brügger - solche Maßnahmen sind weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll. Zum Beispiel: Die Logistik ist auf zehn gerade Gurken im Karton abgestimmt. Wenn die Bauern beginnen, krummes Gemüse zu vermarkten, dann entstehe durchaus ein Parallelmarkt, der nur noch fünf Gurken im Karton Platz bietet. Aber auch diese müssen gewaschen und transportiert werden. Dadurch fallen die gleichen Kosten wie bei den Premiumqualitäten an, die durch Billigpreise für „sonst nicht vermarktbare Ware“ nicht mehr gedeckt sind.

Die Hagelaprikosen eigneten sich besonders für die Konsumenten, die noch Einwecken oder Marmelade machen. Doch der Durchschnittskunde ist Convenience-Kunde, der diese Aufwänd kaum mehr betreibt. Außerdem, so Dr. Brügger: Wenn ein Kunde einmal krummes Gemüse gekauft hat, wird er es nicht zwingend wieder tun, weil er den Vergleich zu den hohen Qualitäten kennt. Man wird sehen, welchen „Marktanteil“ Obst und Gemüse mit kleinen Schäden wirklich erreichen kann.

Lesestoff:

[1] Mit Fachkräften und Werbekampagnen aus dem Konsumtief

[2] Die Regale machen Platz für ungenormtes Gemüse

Roland Krieg; Fotos: roRo

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