Die Sorgen der Nutztierhalter

Landwirtschaft

Wie viel Zeit nehmen sich die Tierhalter noch?

Am 26. September fallen in vielen Ställen die Würfel über die Zukunft von Rind und Schwein. Die vergangene Legislaturperiode hat Rinder- und Schweinehaltern viel abverlangt, der Blick in die Zukunft ist trotz gleichnamiger Kommission finster. Denn: „Handel und Verbraucher halten nicht Wort.“

Preise

So formulierte es Landvolk-Vizepräsident Jörn Ehlers vergangene Woche. Sein Berufskollege Gerhard Stadler vom Bayerischen Bauernverband formuliert es drastischer: „Es ist eine Minute vor zwölf!“ Bei Schweinen lässt sich das leicht an den aktuellen Zahlen ablesen. Der Schweinepreis ist um fünf Cent auf 1,37 Euro je Kilogramm Schlachtgewicht gefallen, machte gerade einmal eine „Seitwärtsbewegung“. Die Futterkosten hingegen haben um 20 bis 30 Euro je Schwein angezogen. Die Notierungen für Futtergetreide zeigen, dass es weiter aufwärts geht.

Auflagen

Preisänderungen sind für die Schweinehalter nichts Neues. Aber es gibt zahlreiche Zusatzeffekte, die es den Landwirten schwer machen. Seit Anfang August gibt es neue Vorgaben für Beschäftigungsmaterial und der Aktionsplan Kupierverzicht übt Druck aus, obwohl das Thema sehr komplex ist und keine einfache Lösung bereit steht, so Stadler. Mehr Tierwohl in den Ställen ist nach Ehlers nicht das Problem – aber die erforderlichen Umbaumaßnahmen erfordern Investitionen, die den Landwirten bei den aktuellen Preisen „auf die Füße fallen“.

Sorgen bereiten den Landwirten nicht nur die fehlende Zahlungsbereitschaft der Konsumenten. Auch der Handel halte nicht Wort. Er gewährt einigen Betrieben in der dritten Programmphase der Brancheninitiative Tierwohl (ITW) nicht die so genannte Einmalzahlung von 3.000 Euro. „So geht man mit Handelspartnern nicht um“, sagte Ehlers vor dem Hintergrund, dass der Bundestag die Richtlinie gegen unlautere Handelspraktiken noch vor der Sommerpause verabschiedet hatte.

Märkte

Der Absatz ist mit den Lockdowns und der fehlenden Festzeltgastronomie den zweiten Sommer hintereinander ins Trudeln geraten. Die Afrikanische Schweinepest hat wichtige Absatzmärkte versperrt. Nach Stadler stehen die Mäster und Sauenhalter vor unsicheren Zeiten und wissen nicht, was in den nächsten Monaten kommt. „Kann die ASP in Schach gehalten werden? Was macht die Bundespolitik nach der Wahl im September?“, fragte Stadler. Fakt ist: Mit der Uckermark hat die Afrikanische Schweinepest (ASP) einen neuen nördlichen Landkreis in Brandenburg erreicht. Die aktuellen Wahlprognosen weisen eher auf mehrere Koalitionsmöglichkeiten, als auf eine einfache Lösung hin. Ehlers fordert eine schnelle Umsetzung der Vorschläge aus der Borchert-Kommission, erklärte aber: „Doch aktuell ist Wahlkampf, wir werden aushalten müssen, bis die neue Regierung das Geschehen übernimmt.“

Ehlers malt ein düsteres Aussteigerbild für die Schweinehalter, Stadler sagt: „Es ist eine Minute vor zwölf für die bayerische Schweinehaltung. Sonst gibt es bald Schweinshaxe nur noch made in Spanien.“

Ärger auch bei den Milchbauern

Das ist bei den Milchviehaltern nicht anderes. Landvolk-Vizepräsident Manfred Tannen blickt zurück: Früher standen 30 Milchkühe im Stall und der Bauer ging mit schwerer Milchkanne von Kuh zu Kuh. In Niedersachsen gehen die durchschnittlich 100 Kühe pro Betrieb eigenständig zum Melkroboter und lassen sich melken. Obwohl die Effektivität der Milchproduktion deutlich gestiegen ist, ziehen die Erlöse bei steigenden Produktionskosten nicht nach. „Die Hemmschwelle in Standards zu investieren, die über das Gesetz hinausgehen, ist hoch“, erklärt Tannen. Legt der Handel dann mit eigenwilligen Standards wie „ohne Anbindehaltung“ die Latte für die Marktteilnahme höher. Dabei ist diese Form der Milchkuhhaltung nach aktuellem Zensus für die Landwirtschaft bundesweit um elf Prozent zurückgegangen und die Haltung in Laufställen um acht Prozent gestiegen. In Niedersachsen haben 46 Prozent der Milchkühe Weidezugang.  

Politik

Nach Tannen ist es Aufgabe der künftigen Bundesregierung, den Produktionsstandort Deutschland weiter zu entwickeln. Ehlers formuliert es so: „Die verpflichtende Herkunfts- und Haltungskennzeichnung von Fleisch und verarbeiteten Produkten stehen auf deren to-do-Liste [ die, der neuen Bundesregierung; roRo] für uns ganz oben.“

Roland Krieg

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