Die Vier von der Nutztierstrategie

Landwirtschaft

Viel Hoffnung für eine bundesweite Nutztiestrategie

„Der Bundesrat sieht die Notwendigkeit, die Nutztierhaltung in Deutschland in Verantwortung gegenüber den Tieren und unter den veränderten gesellschaftlichen Erwartungen an Tierschutz und Tierhaltung zukunftsfähig zu gestalten. Die vorliegenden Empfehlungen des Kompetenzkreises Tierwohl in seinem Abschlussbericht vom 14. September 2016 „Eine Frage der Haltung – Neue Wege für mehr Tierwohl“ sind eine zielführende Grundlage, die vielfältigen Aktivitäten zur Weiterentwicklung des Tierschutzes im Rahmen einer nationalen Nutztierstrategie zu bündeln“.

PK Nutztierstrategie
Vier gewinnt: G. Lindemann, Ch. Meyer, U. Bartels und Th. Schröder (v.l.)

So steht es im Antrag des Landes Niedersachsen, der jetzt dem Bundesrat mit Unterstützung der Hansestadt Bremen eingericht wurde. So nah am Ziel einer bundesweiten Strategie für mehr Tierwohl gab es noch nie. Deshalb zeigten sich Landwirtschaftsminister Christian Meyer aus Niedersachsen, Uwe Bartels als Vorsitzender der Agrar- und Ernährungsforums (AEF) Oldenburger Münsterland, Gert Lindemann als Vorsitzender des Kompetenzkreises Tierwohl im Bundesagrarministerium und Thomas Schröder als Präsident des Deutschen Tierschutzbundes am Freitag in Berlin sehr optimistisch, dass aus den Empfehlungen des Kompetenzkreises, des Tierschutzplan Niedersachsens und des Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirates eine nationale Tierschutzstrategie wird. Was haben die vier am Freitag gesagt?

Landwirtschaftsminister Christian Meyer aus Niedersachsen

Christian Meyer: „Wir haben in den letzten Wochen und Monaten einen parteiübergreifenden Tierschutzkonsens entwickelt. Wir wollen dem Bund die Hand reichen und sagen, macht nicht schon wieder einen neuen Plan, sondern setzt um, was vorliegt. Aus unserer Sciht sind das wegweisende Vorschläge, die von der Bundesregierung zeitnah und rechtsverbindlich umgesetzt werden können. In die Nutztierstrategie gehören Kernpunkte rein, wie die Kennzeichnung nach Tierwohlkriterien.

„Wir sehen eine große Chance für die Landwirte, die heute schon mehr Tierschutz machen, dass Verbraucher auch bei Fleisch ähnlich wie bei den Eiern erkennen können, aus welcher Haltungsform es kommen. Das würde auch dazu führen, dass ausländische Ware klar gelabelt ist. Wir wollen  rechtsverbindliche Zeitpläne haben. Deshalb brauchen wir einen einheitlichen Plan. Sonst haben wir Wettbewerbsnachteile. In welchem Jahr endet welche Maßnahme? Dann haben die Landwirte Planngssicherheit, wenn sie neue Ställe bauen. Klar ist auch: Tierschutz kostet mehr Geld. Dehalb muss man mehrere Milliarden in die Hand nehmen.“

Uwe Bartels

Uwe Bartels: „Das Forum ist ein Verband, in dem die gesamte Wertschöpfungskette der Agrar- und Ernährungswirtschaft zusammengefasst ist. Diese Wertschöpfungskette hat schon frühzeitig deutlich gemacht, dass sie in den Fragen des Tierwohls ein einheitliches Vorgehen innerhalb der Bundesrepublik braucht. Die Empfehlungen des Kompetenzkreises Tierwohl sind unserer Meinung nach eine exzellente Grundlage für ein gemeinsames Vorgehen. Warum? Diesem Kompetenzkreis ist etwas gelungen was viele überhaupt nicht vermutet hatten: Das man über die gesellschaftlich relevanten Gruppen hinaus einen Konsens verabschieden kann, in welcher Form Tierwohlverbesserung in Deutschland umgesetzt werden können.

„Die zentrale Frage ist die Finanzfrage. Wer finanziert den Transformationsprozess? Da gibt es verschiedene Modelle, die abgewogen werden, aber keiner entscheidet sich für eine Lösung. Das geht nicht mehr so weiter, denn wir erleben den Strukturwandel in einer Rasanz, die keiner haben will. Der Prozess kostet jedes Jahr drei bis fünf Miliarden Euro, so sagt der wissenschaftliche Beirat. Das bringt die Tierwohlinitiative mit den 100 Millionen, die ab 2018 kommen sollen, überhaupt nicht zusammen. Das ist ein Kleckerbetrag.Das ist keine Kritik an der Tierwohlinitiative. Es ist wichtig, dass wir sie haben. Aber mit dem Geld kriegen wir das nicht hin. Umschichtung innerhalb des Agrarhaushaltes wird partiell möglich sein und notwendig werden, bringt aber auch nicht diese Summen.“

Gert Lindemann

Gert Lindemann: „Wir haben gesagt, wir brauchen einen messbaren Tierschutz und keine Entscheidungen aus dem Bauch heraus. Wir brauchen Tierschutzindikatoren. Zum Beispiel den Zustand der Tiere bei der Schlachtung. Konkrete Anhaltspunkte wie die Behandlungshäufigkeit und den Medikamentenverbrauch. Es kann auch nicht sein, dass sich jedes Bundesland eine eigene Tierschutzplanung zulegt und wir am Ende einen Flickenteppich an Tierschutzplänen haben, die sich zum Teil auch noch widersprechen könnten. Deshalb wollen wir einen gemeinsamen Bund-Länder-Tierschutzplan erarbeiten.

„Wir haben wir uns Fragen nach dem Tierschutz bei der Tierzucht gestellt. Wir müssen stärker wegkommen, dass wir Tiere ausschließlich unter Leistungsgesichtspunkten züchten wollen. Wir wollen die Nutztiere auch länger nutzen zu können. Bei der Sachkunde sind wir der Auffassung, dass wie bei vielen anderen Berufgsgruppen auch die Landwirtschaft angehalten ist, sich in regelmäßigen Abständen mit neuen Entwicklungen in der Tierhaltung vertraut zu machen. Man kann nicht davon ausgehen, dass der Abschluss der landwirtschaftlichen Lehre für lebenslange, ausreichende Kenntnisse reicht. Wir haben Themen wie nicht kurative Eingriffe, Förderpolitik, Tierschutz bei der Schlachtung, Prüf- und Zulassungsverfahren für die Stallhaltungssysteme. Letzteres ist eine Grundvoraussetzung. Das wurde früher Tierschutz-TÜV genannt. Last but not least haben wir abschließend noch gefordert, eine nationale Nutztierstrategie zu entwickeln. Der gemeinsame Bund-Länder-Tierschutzplan, den wir haben möchten beschreibt die sachlich notwendige Vorgehensweise. Die nationale Nutztierstrategie soll den Weg dahin beschreiben.

„Ich habe ein Problem damit, wenn eine Transformation von der ersten in die zweite Säule alles bezahlen soll. Erst nehmen sie den Bauern  das Geld weg und geben es dann mit Auflagen wieder. Ich glaube das wird nicht klappen. Es könnte nützlich sein, eine Tierschutzabgabe auf jedes in Deutschland gehandelte oder auf den Markt kommende Fleisch zu erheben und aus dieser Abgabe eine bessere Tierschutzausstattung zu finanzieren.“

Thomas Schröder Deutscher Tierschutzbund

Thomas Schröder: „Wir schon die letzten Jahre in föderale Insellösungen hinein geraten. Wir haben in den letzten Jahren einen katapultartigen Anstieg an Runden Tischen in den Ländern gehabt. Einzelmaßnahmen, die alle für sich sinnig sind, die aber nicht zu einer gemeinsamen Strategie zusammengesetzt werden. Der Tierschutzplan Niedersachsen ist einer der weitreichendsten Grundlagen mit denkonkretesten Ergebnissen, weil auch in Niedersachsen die verschiedendsten Interessengruppen mit an einem Tisch saßen. Wir brauchen ein Zusammenwirken von Bund und Land und ich nenne ausdrücklich noch die Kommunen. An vielen Stellen haben wir baurechtliche Fragen, die in keinster Weise auf Bundesebene diskutiert werden.

„Das ist die Grundlage einer nationalen.Nutztierstrategie: Welche Tiere will ich in zehn bis zwanzig Jahren in den Ställen haben und wie soll der Stall aussehen? Der Bundesgesetzgeber hat die Zucht nahezu unkontrolliert machen lassen. Wenn sie mit Züchternund Forschern reden, wird gesagt, wir machen nur das, was bestellt wird. Das hat zur Leistungsmaximierung als oberstes Zuchtziel geführt. Eine ethische Selbstreinigung in der Zuchtbranche hat noch nicht angefangen. Wo werden die Schlachthöfe in der Zukunft gebaut? Wir erleben, dass zunehmend konzentriert gebaut wird. Megaschlachthöfe ist das Stichwort. Für viele ist der Acht-Stunden-Transport nicht mehr einzuhalten ist, obwohl wir einmal zu vier Stunden wollten.“

Die Finanzen

Die Mehrwertsteuerlösung findet keine wirkliche Unertsützung, weil die Steuer nicht zweckgeunden erhoben werden darf. Eine Umlage hingegen erscheint  für alle die gerechteste Lösung. Von bis zu acht Cent je Kilo Fleisch ist die Rede. Wie die Brancheninitiative Tierwohl darin einzuarbeiten ist, wurde nicht beantwortet. Zusammen mit einer tierschutzbezogener Förderung in der Europäischen Agrarpolitik und stärkerer Investitionsausrichtung in artgerechte Ställe soll die Summe von drei bis fünf Milliarden zusammenkommen.

Der Bundesrat wird den Antrag erst im Februar über die Ausschüsse beraten. Den Bundestag wird der Antrag nicht vor März erreichen.

Lesestoff:

Porträt: Wie Gert Lindemann zum Tierschutzplan Niedersachsen kam: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/gert-lindemann-zu-deutschlands-tierschutzplan.html

Roland Krieg; Fotos: roRo

Zurück