Die Woche des staatlichen Tierwohllabels

Landwirtschaft

Zusammenfassung und Stellungnahme des BMEL

Auch Agrarjournalisten sind Journalisten. Eine Aufgabe des Journalismus ist eine Information und Begebenheit in die Inszenierung einzubetten. So hätte der Agrarwissenschaftler über die Medieninszenierung zur Grünen Woche hinweg lächeln können, die rund um die Vorstellung des staatlichen Tierwohllabels veranstaltet wurde. Doch weil am Ende lediglich ein Logo enthüllt wurde, war das Gefälle zwischen Inszenierung und Inhalt journalistisch vermerkenswert [1] [s. auch Stellungnahme unten].

Wer braucht ein Tierwohllabel? Der Landwirt kann im gesättigten Markt ein höher bewertetes Produkt anbieten und einen Mehrerlös erzielen. Dazu müssen die Landwirte zuvor investieren und brauchen eine feste Rendite ihrer Ausgabe. Verbraucher sollen im Labeldschungel Deutschlands eine feste Orientierung erhalten und sicher sein, dass das Geld am Ende auch bei den Landwirten ankommt. Beide brauchen also Transparenz und Klarheit, was das staatliche Tierwohllabel anbieten soll: Öffentlichkeit [s. auch Stellungnahme unten].

Jetzt standen die Kriterien für die Schweinehaltung fest – und niemand bekam es mit. Es gab weder eine Presseeinladung noch im Anschluss eine Pressemitteilung [2]. Das stimmt allerdings nicht ganz: Selektiv wurden insgesamt sechs Journalisten eingeladen, ihnen zum Teil persönlich hinterher telefoniert, ob sie nicht vorbeikommen möchten. Es wurde ein exklusiver Club von Wunschjournalisten zusammengestellt. Selbst jahrelang bewährte Journalisten von der Hauptstadtpresse überregionaler Tageszeitungen haben erst durch Nachfragen am Folgetag von der „Vorstellung“ der Kriterien erfahren. Die Kriterien sollten wohl dupliziert und nicht publiziert werden. Auch hier muss der Journalismus auf das Gefälle zwischen Inszenierung und öffentlichem Anspruch eines Verbrauchersiegels hinweisen [s. auch Stellungnahme unten].

Informiert wurden auch nicht die stellvertretende Vorsitzende der Union, Gitta Connemann, und der agrarpolitische Sprecher der CDU, Franz-Josef Holzenkamp. Sie erfuhren erst durch eine telefonische Nachfrage von der Veröffentlichung. Die politische Formulierung für Überraschung lautet in ihrer gemeinsamen Pressemitteilung. „Mit Interesse hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion die Kriterien für das staatliche Tierwohl-Label zur Kenntnis genommen.“ Gleich danach jedoch folgt ein Feuerwerk an Fragen nach der konkreten Umsetzung und der Finanzierung. Auch die Sicherstellung der Marktfähigkeit ist den beiden ein Rätsel und wird mit einem Fragezeichen honoriert. Die Kritik ist nahezu inhaltsgleich mit der Austrittserklärung des Deutschen Tierschutzbundes.

Die Woche war aber noch nicht zu Ende. Am Freitag lud der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) Parlamentarier zu einer Diskussion über die kommenden Herausforderungen des Bundestagswahlkamps ein. Das staatliche Tierwohllabel wurde ebenfalls besprochen: Gitta Connemann bleibt skeptisch gegenüber der Zahlungsbereitschaft, die lediglich in Verbraucherumfragen Konjunktur haben. Die vom Bundeslandwirtschaftsministerium anvisierten 20 Prozent Mehrkosten beliefen sich auf über 1,5 Milliarden Euro pro Jahr „die am Markt nicht zu erwirtschaften sind“. Connemann will an dem Label erst in der nächsten Legislaturperiode weiter arbeiten und bekommt Unterstützung von Elvira Drobinski-Weiß, verbraucherpolitische Sprecherin der SPD, die ebenfalls erst nach der Bundestagswahl daran arbeiten will: „Das finde ich gut!“ Prof. Hauke Hilz, Landesvorsitzender der FDP Bremen stellt jedwedes staatliche Tierwohlsiegel infrage. Es gebe heute kaum noch Schokolade, die nicht UTZ- oder Fisch, der nicht MSC-zertifiziert sei. Wenn ein Label keine Marktdurchdringung habe, sei der Markt dafür nicht bereit.

Im Gegensatz zur Initiative Tierwohl (ITW) mit Beteiligung des Handels fehlt beim staatlichen Label die Zusage der Finanzierung des LEH und setzt auf die Freiwilligkeit der Verbraucher. Die junge Geschichte des ITW war dennoch alles andere als leicht. Die Initiative hatte zur Grünen Woche bereits die Verschärfung und Neueinstellung von weiteren Kriterien für 2017 und 2018 angekündigt [3]. Die sichere Mehrfinanzierung von 6,25 Cent je kg ist jetzt genauso amtlich wie die Einführung des Tiergesundheitsindexes, der schon in diesem Jahr auf der Basis von 65 Millionen Schlachtbefunddaten umgesetzt wird. Diesen seit Monaten absehbare Entwicklung hinken die staatlichen Kriterien deutlich hinterher und sind zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits veraltet.

Benchmarking und Beratung müssen erst und dann „analog“ zum ITW aufgebaut werden. Nicht mit. Im Gegenteil. Das Ministerium diskreditiert sogar das ITW in der Regierungspressekonferenz am Freitag: Die Ministeriumssprecherin sagte, es brauche „eine möglichst hohe Beteiligung der Wertschöpfungskette … Nur dann können wir das erreichen, was wir wollen, nämlich eine möglichst hohe Akzeptanz am Markt. Es gibt schon ein Tierschutzlabel, das einen sehr kleinen Marktanteil hat, und dadurch wird dem Tierwohl dann eben auch nicht geholfen.“ [s. auch Stellungnahme unten].

Die Brancheninitiative zeichnet sich aber gerade „durch die Masse“ aus. 14,2 Millionen Schweine und 234,8 Millionen Hähnchen und Puten kommen in den Genuss der Tierwohl-Standards. Das sind 11,6 Prozent der Mastschweine, 31 Prozent der in Deutschland geschlachteten Hähnchen und 23 Prozent der in Deutschland geschlachteten Puten. Jedes andere Siegel darf für sich ausrechnen, wann es diese Anzahl an Tieren erreicht. ITW-Geschäftsführer Alexander Hinrichs sagte auf der Grünen Woche: „Wir machen seit zwei Jahren Tierwohl, während andere nur darüber reden.“

Mahnende Worte gab es auch von Connemann und Holzenkamp: „Ein Label soll Branche und Gesellschaft nicht verunsichern, sondern zur Lösung des Konfliktes beitragen.“

Lesestoff:

[1] Schröder: „Das Label ist wichtig für den Minister“: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/tierwohllabel-fuer-das-fernsehen.html

[2] Plötzlich waren die Kriterien da: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/schmidt-laufen-die-tierschuetzer-davon.html

[3] ITW mit festen Zielen: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/tierwohl-feste-ziele-im-schwierigen-umfeld.html

Roland Krieg

++ Der gesamte Text wurde vorab mit der Bitte um Stellungnahme an ++

++ das Bundeslandwirtschaftsministerium versendet. Diese lautet: ++

Zum ersten Absatz: Bundesminister Schmidt hat bei der diesjährigen Internationalen Grünen Woche den Logo-Entwurf für das staatliche Tierwohllabel präsentiert und gemeinsam mit Vertretern des Deutschen Bauernverbandes, des Deutschen Tierschutzbundes und des vzbv erklärt, dass die Einführung eines staatlichen Tierwohllabels ein geeigneter Weg sei, um mehr Tierwohl in deutsche Ställe zu bringen und die Haltungsbedingungen anzuheben.

Zu Absatz zwei: Es ist völlig korrekt, dass Bundesminister Schmidt immer wieder betont hat, dass es mehr Tierwohl nicht zum Nulltarif geben kann. Das Tierwohllabel soll dafür sorgen, dass das vorhandene Marktpotenzial von Landwirten genutzt werden kann. Sie haben mehr Aufwand durch höhere Haltungsanforderungen und müssen diesen am Markt geltend machen können.

Zum dritten Absatz: Wir haben am Dienstag, 25. April 2017, alle Journalisten bundesweit über zwei große Nachrichtenagenturen über das Tierwohllabel und die Kriterien für den Bereich Schweinehaltung informiert. Die Kriterien sowie weitergehende Informationen zum Tierwohllabel sind zudem transparent und für jeden zugänglich über die Startseite der BMEL-Website abrufbar.

Es trifft zu, dass - ergänzend dazu - am Dienstag, 25. April 2017, ein Hintergrundgespräch zum Tierwohllabel im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft stattgefunden hat. Wir verzichten an dieser Stelle auf erläuternde Anmerkungen, da Ihnen die Praxis und das Verfahren bekannt sind. Hinweisen möchten wir allerdings darauf, dass zu diesem Hintergrundgespräch mehr als doppelt so viele Journalisten eingeladen waren, als von Ihnen behauptet.

Zum Zitat aus der Regierungspressekonferenz vom 28.04.2017: Hier wurde auf das Tierschutzlabel "Für mehr Tierschutz" des Deutschen Tierschutzbundes verwiesen. Deshalb bitten wir Sie, die Äußerung im korrekten Kontext zu zitieren.

Bundesminister Schmidt hat immer zum Ausdruck gebracht, dass er das staatliche Tierwohllabel nicht als Konkurrenz zur Brancheninitiative Tierwohl sieht, sondern ganz im Gegenteil die durch die Brancheninitiative Tierwohl geleistete Arbeit eine gute Ausgangsbasis darstellt, auf der ein staatliches Tierwohllabel aufbauen kann.

An den Sitzungen der Arbeitsgruppe zur Entwicklung von Eckpunkten eines staatlichen Tierwohllabels hat auch ein Vertreter der Brancheninitiative Tierwohl teilgenommen, daneben sind weitere in der Arbeitsgruppe vertretenen Verbände und Unternehmen Bündnispartner in der Brancheninitiative. Damit ist sichergestellt, dass das dort vorhandene Know-How Eingang findet in den Prozess der Labelentwicklung. Beispielsweise gibt es Überlegungen, den in der Brancheninitiative entwickelten Tiergesundheitsindex auch in das staatliche Label einzubinden.

+++ Ende der Stellungnahme des BMEL +++

Herd-und-Hof.de korrigiert: Wie viele Journalisten eingeladen waren, ist nicht bekannt. Die Quelle bestätigt sechs anwesende Journalisten. Es gibt keinen Zwangsanschluss an Agenturen. Im Rahmen der veränderten Medienlandschaft werden damit rein handwerklich arbeitende Fachverlage, kleine Redaktionsbüros und freie Journalisten nicht bedient. Die bekommen die Informationen direkt aus den Ministerien.

In der Regierungspressekonferenz wird kein Label explizit benannt. Der komplette Absatz lautet: „Was ich grundsätzlich vielleicht noch sagen kann, ist, dass es sich bei der Schaffung eines staatlichen Tierwohl-Labels natürlich um einen äußerst komplexen Prozess handelt, bei dem viele Aspekte zu berücksichtigen sind. Deshalb haben wir eben auch von Beginn an alle betroffenen Kreise beteiligt. Es liegt in der Natur der Sache, dass die unterschiedlichen Interessenvertreter dabei auch unterschiedliche Positionen vertreten. Hierbei ist es natürlich wichtig, einen ganz breiten Konsens zu finden, um dann eben am Ende auch eine möglichst hohe Beteiligung der Wertschöpfungskette sicherzustellen. Nur dann können wir das erreichen, was wir wollen, nämlich eine möglichst hohe Akzeptanz am Markt. Es gibt schon ein Tierschutzlabel, das einen sehr kleinen Marktanteil hat, und dadurch wird dem Tierwohl dann eben auch nicht geholfen.“

Roland Krieg

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