Die Zukunft der Landwirtschaft
Landwirtschaft
Landwirte in die Mitte der Gesellschaft bringen
Die Situation auf den landwirtschaftlichen Betrieben ist angespannt. Landwirte haben ihren Wert für die Gesellschaft in der Pandemie unter Beweis gestellt, was aber die Angriffe auf ihren Berufsstand alles andere als verkleinert hat. In einem übersättigten Markt fällt den Konsumenten gar nicht mehr auf, wie aufwendig hochwertige und sichere Nahrungsmittel hergestellt werden müssen. Dennoch nehmen die Anforderungen an den Berufsstand immer mehr zu. Umwelt, Klima und Artenschutz gewinnen in den Diskussionen mehr Anteile als die Kernaufgabe, Menschen zu ernähren. Die Landwirte von heute sind kaum noch mit den Landwirten von mehr als 50 Jahren zu vergleichen. Veränderte Konsumverhalten spiegeln sich oft direkt in veränderte Landbewirtschaftung wider. Ohne Veganer und Vegetarier würden heute keine neuen Proteinpflanzenmehr angebaut. Ohne die Kritik am südamerikanischen Soja gäbe es kein Donau-Soja. Die Kritik an der Nutztierhaltung verändert den Stallbau. Den einen geht es zu langsam, anderen zu schnell. Meist wird aber nur die negative Seite der Missstände gesehen. Was außerhalb der Fachzeitungen zu wenig stattfindet, sind die vielen positiven Berichte, die Veränderungen aufzeigen.
DBV-Zukunftskonzept
Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV) stellt die Frage stellvertretend: „Sind wir in Deutschland überhaupt noch gewollt?“ Landwirte sind seit Jahren wirtschaftlich, ökologisch und emotional gefordert, werden kaum gelobt, oft genug verzerrt als Klimasünder, Brunnenvergifter und Subventionsempfänger diffamiert. Leitbilder und die seit fast einem Jahr tagende Zukunftskommission Landwirtschaft suchen eine Partnerschaft zwischen Landwirten und der Restgesellschaft auf Augenhöhe [1]. Einen sichtbaren Durchbruch hat es bislang nicht gegeben, wie die aktuelle Diskussion um die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) zeigt. Es muss sich etwas bewegen. Bei den Landwirten und bei den anderen [2].
Der DBV hat am Mittwoch sein Zukunftskonzept Landwirtshaft vorgestellt und will die Landwirtschaft in das Grundgesetz bringen. Das dreiseitige Papier ist keine Spontanaktion [3], wie Rukwied vor der Veröffentlichung vor Journalisten sagte. Aber es sei an der Zeit, das Thema noch weiter zu priorisieren.
Es sind zu viele Missverständnisse unterwegs, die zu Ideologien geworden sind. Landwirte bringen auf 30 Prozent der Fläche bereits Maßnahmen für Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen unter, Bioenergie ist mehr als eine Brückentechnologie und wer Pflanzenschutzmittel verbieten will, der tue nur vermeintlich etwas für den Insektenschutz.
Vier Vorschläge hat der DBV aufgeführt:
Grundgesetz
Der Artikel 20a des Grundgesetzes für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Tiere) solle um die Ziele Ernährungssicherung und Klimaschutz erweitert werden. Die neue Partnerschaft für Ernährung und Landwirtschaft könnte auch in das Landwirtschaftsgesetz aus dem Jahr 1955 untergebracht werden. Das hat zum Ziel, die Landwirtschaft als Sektor an der fortschreitenden Entwicklung der deutschen Volkswirtschaft mitzunehmen und die bestmögliche Ernährung zu sichern. Das Landwirtschaftsgesetz ist aber nur eines unter vielen, die Erweiterung des Grundgesetzes habe eine andere Priorität und sorge schon bei der Diskussion darüber für mehr Aufmerksamkeit, so Rukwied. Im Gegensatz zum Landwirtschaftsgesetz braucht eine Änderung des Grundgesetzes im Parlament eine Zweidrittelmehrheit und ist ungleich aufwendiger. Allerdings ist der Weg in das Grundgesetz nicht problemfrei. Die Franzosen arbeiten an einem Straftatbestand des „Ökozids“ gegen Umweltsünder. Würde da bei einer deutschen Entsprechung ein Verstoß gegen das Grundgesetz festgestellt, könnten Landwirte ungleich höheren Rechtsrisiken ausgesetzt sein. Ob das so sei, müsse ein Jurist beantworten, sagte Rukwied gegenüber Herd-und-Hof.de. Der stellvertretende Generalsekretär des DBV, Udo Hemmerling, ergänzt, dass einzelne Landesverfassungen den Klimaschutz bereits verankert haben und bisherige Klagen für einen Ökozid bislang noch nie erfolgreich waren. Der DBV sieht mehr die Chancen als die Risiken. So könnte das Thema Ernährungssicherheit Bestandteil von Umweltprüfungen werden.
Erzeugerpreise und Deutschlandbonus
In einem gesättigten Markt hat der Rohstofflieferant ein Problem. Milch bleibt Milch, die erst in der Molkerei zu einem Produkt mit höherer Wertschöpfung veredelt wird. Wenn Landwirte neue Nischen ausmachen, wie die gentechnikfreie Fütterung, dann wird der Standard bald zu einem Normalfall, der auch keinen Extrabonus bringt. Nicht umsonst haben die Betriebsdiversifizierungen in den vergangenen Jahren zu genommen und werden von der Politik auch aktiv unterstützt [4]. Die Landwirte werden sich neuen Betriebsformen stellen müssen. Heute diskutiert der Agrarausschuss des Europaparlaments die Studie „Farmes for the Future“. Da wird das Berufsbild um Landwirte in Kooperationen erweitert, um Landwirte mit Bioreaktoren, Urban Farmer, Precision Farmer, Landwirte mit kontrollierten Bedingungen ohne Boden in Form der Hydroponik oder Farmer mit Sonderkulturen für die Gesundheit der Verbraucher.
Für Rukwied ist das nicht neu. Die Landwirte in Deutschland sind schon breit aufgestellt, erklärt er Herd-und-Hof.de. Der grundlegende Marktmechanismus für höhere Erzeugerpreise sei beispielsweise am Rapsmarkt sichtbar, bei dem der Preis bei mehr als 500 Euro pro Tonne liegt. Auch bei Milch steigen derzeit die Preise, weil die Nachfrage am Weltmarkt hoch ist.
Nach Rukwied ist es ärgerlicher, wenn die geforderten ökologischen Leistungen „nicht oder nur eingeschränkt marktfähig sind“. Für die auskömmliche Honorierung müssten die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) aufgestockt werden. Für die beiden nächsten Jahre sind neue Mittel bereits vorhanden. Rukwied fordert aber eine Fortsetzung für die nächsten sieben bis zehn Jahre. Nach Generalsekretär Bernhard Krüsken haben die steigenden Mittel der Vergangenheit sich durch eine stete Ausweitung an Förderprogrammen wieder ausgedünnt. Zudem gibt es Bestrebungen mehr Programme für die Umwelt aufzulegen. Dazu müsste das Budget „deutlich“ erhöht werden.
Die Mittel für die gesamte GAP sind aber niemals für alle Korrekturen in den Umwelt- und Klimabereichen auskömmlich. Das haben die Wissenschaftler in ihrer GAP-Bewertung zugeben müssen [2].
Bauern stärken
Der DBV wiederholt die Forderung nach einem „Deutschlandbonus“ gegen Wettbewerbsungleichheit gegenüber Landwirten aus anderen Ländern, die mit weniger und geringeren Standards produzieren können. Dazu gehöre ein rechtlich verbindlicher Rechtsrahmen für Haltungs- und Herkunftskennzeichen.
Kooperationen
Das Thema Insektenschutzgesetz hat die freiwilligen Kooperationen der Landwirte mit dem Umweltschutz aufgezeigt, die beispielsweise in Niedersachsen und in Baden-Württemberg umgesetzt wird [5]. Die Freiwilligkeit mit Länderöffnungsklausel verbinde Agrar und Umwelt bei Respektierung des Grundeigentums.
ZKL und DBV
Krüsken widerspricht ausdrücklich, dass das Zukunftskonzept ein Gegenentwurf zur Zukunftskommission ist. Im Gegenteil habe es der Vorsitzende Peter Strohschneider als Ergänzung für seinen Abschlussbericht gesehen.
Lesestoff:
[1] Runder Tisch der Zukunftskommission: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/der-dompteur-in-der-zukunftskommission-landwirtschaft.html
[2] GAP: Der Wandel im Berufsbild: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/gap-der-wandel-im-berufsbild.html
[3] https://www.bauernverband.de/
[4] Bayern setzt Tagungen zur „sozialen Landwirtschaft“ an: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/fachtagung-soziale-landwirtschaft-in-bayern.html
[5] Insektenschutzpaket: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/die-grossen-schatten-der-kleinen-insekten.html
Roland Krieg
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