Die Zukunft ist grün - Teil II

Landwirtschaft

Das Bewerberprofil entscheidet

>Auf der Tagung zum Agrarstudium bekommen die Studenten Unterstützung von den Professoren: Die Arbeitsbelastung ist tatsächlich sehr hoch, stellte Prof. Dr. Martin Baartz von der Fachhochschule Rendsburg fest. Das Bologna-System verteilt europaweit einheitliche Punkte (Credits) im so genannten European Credit Transfer System (ECTS). Der sechssemestrige Bachelor umfasst 180 und der viersemestrige Master 120 Credits. Ein Credit entspricht 30 Arbeitsstunden für Lehrveranstaltungen, Projektarbeit, Vor- und Nachbereitung sowie Prüfungsvorbereitungen. So kommt ein Student für 60 Credits im Jahr auf 1.800 Arbeitsstunden.

Studieninhalte sind fast gleich
Bundesweit liegen die Zahlen der Studienabbrecher zwischen 20 und 40 Prozent bei Universität und Fachhochschulen. Die Arbeitslast gehört nach Angaben der Professoren zu den Hauptgründen. Aber auch der Zeitgeist habe sich geändert. Studenten hätten heute nicht mehr „die Kondition“ lange zu lernen oder einige wechseln nach einem Jahr zu ganz anderen Fachbereiche. Im Wesentlichen hat sich an den Studieninhalten kaum etwas geändert. Was heute in „Module“ gepackt wird, sind die gleichen Lehrfächer wie vor zwanzig Jahren. Das agrarische Grundstudium war mit über 30 Wochenstunden und zwei Prüfungszeiträumen zu Beginn und am Ende der Semesterferien vergleichbar mit der heutigen Arbeitslast. Auch damals lag der entscheidende Unterschied in der Qualität der Lehre, was Prof. Dr. Roland Bauer, Vorsitzender des Fachbereichstages der Fachhochschulen im Agrarbereich, heute so zusammen fast: „Bologna ist in den Köpfen der Professoren noch nicht angekommen“. Während vormals die Wissensvermittlung im Vordergrund stand und Professoren meist nur ihre eigenen Werke zitierten, böte das neue System die Möglichkeit, den Studierenden Kompetenz im Umgang mit dem Wissen zu vermitteln.

In einer Umfrage der CAU waren rund drei Viertel der Studenten mit dem Übergang zum Bachelor und Master zufrieden. 73 Prozent zogen das neue Studium dem alten Diplom vor, 75 Prozent finden die vielen kleinen Prüfungen besser (zu 90 % vor allem den direkten Anschluss an das Fach) und die Hälfte findet die individuellen Wahlmöglichkeiten besser. Allerdings fühlt sich die Hälfte nicht fit für den Beruf. 95 Prozent der Befragten B. Sc. - Absolventen würde gerne den Master machen, viele dürfen aber nicht wegen des schlechten Notendurchschnitts.

B. Sc. und M. Sc.
So bleibt der Bachelor an den Fachhochschulen weiterhin sehr praxisbezogen und in Schleswig-Holstein arbeiten die Fachhochschule Rendsburg und die Christian-Albrechts-Universität (CAU) derart zusammen, dass die CAU den Rendsburgern den M. Sc. abnimmt. So soll es auch bleiben, ginge es nach Prof. Dr. Karl Mühling, Pressesprecher der CAU. Zusammen mit Göttingen und der Fachhochschule Osnabrück wurde das neue Lernsystem 2000 als Pilot eingeführt. Die Rendsburger Absolventen sind so eng in der Praxis ausgebildet, dass mehr als 80 Prozent vor dem Abschluss bereits eine Anstellung haben. Der Master bleibt mehr der Forschung und Lehre gewidmet. Daher solle dieser Abschluss auch als Voraussetzung für die Promotion an den Universitäten bleiben. Der Übergang des Masters auf die Fachhochschulen würde dem Inhalt nicht gerecht werden.
Das System der Lernmodule bietet gerade in seiner neuen Vielfalt Platz für individuelle Neigungen. Früher schloss sich an das Grundstudium eine der drei Richtungen Pflanzen-, Tierproduktion oder Wirtschaftswissenschaften an. Die Universität Giessen bot als eigenständiges Profil die Umweltwissenschaft an.
Heute können Studenten sich besser an der Praxis orientieren. Wer auf Betrieben mit Ackerbau und Schweinehaltung arbeiten möchte, der kann sich aus beiden Fahrichtungen Module zusammen setzen.
So ist die Gründung einer Berufsakademie wie sie erstmals in Dresden eingerichtet wurde, nur noch eine Frage der Zeit gewesen. Hier lernen die Studenten in 12-wöchigen wechselnden Abschnitten im Hörsaal und auf einem Betrieb, erklärt Dr. Joachim Rühl. Der einmalige Lehrgang in Deutschland „ist für die Praxis wie geschaffen“. Seit dem 01. Oktober ist auch die Landesanstalt für Landwirtschaft im Betriebspool der Berufsakademie dabei.

Wartet die Praxis auf die neuen Absolventen?
Dr. Thomas Christen von der BASF und Frank Wiese von der Agrargenossenschaft Lückstedt aus Sachsen-Anhalt (3.400 ha Ackerland, 2000 Rinder, 1.600 Mastplätze für Schweine) beschreiben die Anforderungsprofile, die sich von denen vor 30 Jahren wenig unterscheiden: Jung, fachlich hoch versiert, mobil, belastbar und engagiert. Die BASF bietet durch innerbetriebliche Fortbildung Aufstiegschancen wie der Agrarbetrieb. Die BASF stellt Anforderungen an die soziale Kompetenz für die Arbeit in interdisziplinären Teams, wie die Agrargenossenschaft sie bei der Personalführung einfordert – auf Lückstedt arbeiten mehr als 86 Menschen. Management und Personal sind daher der wichtigste Teil des Betriebserfolges, so Wiese.

„Vielfach fehlt es heute an Raum- und Laborkapazität, der personelle Mittelbau ist an Fachhochschulen nur selten ausreichend. Die Politik darf nicht aus der Verantwortung entlassen werden“.
Prof. Bauer im Interview mit „Neue Landwirtschaft“, Sonderdruck Fachhochschulen

Unabhängig von B. Sc. und M. Sc. stiegen die fachlichen Anforderungen in der Praxis. Franz Jansen-Minßen, Leiter des Geschäftstellenbereiches Landwirtschaft bei den Landwirtschaftskammern Niedersachsen machte die Formel auf, dass weniger Betriebe durch den Strukturwandel nicht gleich weniger Fachberater bedeutet. Im Gegenteil fragen heute nicht nur die landwirtschaftlichen Betriebe nach Fachberatung, sondern auch Gebietskörperschaften, Gerichte und Kommunen. Gerade im Bereich der zweiten Säule für die Entwicklung des ländlichen Raums werden für die Projektförderung Managementfähigkeiten gesucht. Es finde ein Wettbewerb um die besten Köpfe statt, weil die meisten bereits auf den Betrieben arbeiten. Das zieht die qualitativen Anforderungen der Beratung nach oben.
Früher wurde für die Betriebserweiterung ein Boxenlaufstall geplant, gebaut und mit rindern besetzt. Heute umfasst so ein Vorhaben einen zweistelligen Investitionsbetrag und auf dem Dach soll eine Fotovoltaikanlage in den Energiekreislauf des Betriebes eingebunden werden. Nach Fertigstellung erfordert das Projekt ein Controlling. Dafür werden heute Agrarstudenten händeringend gesucht. Und zwar eher als Manager aus anderen Branchen, weil sie die notwendigen Fachkenntnisse mitbringen.
Solche Managementfähigkeiten müssen in dem modernen Studium untergebracht werden, genauso wie die so genannten „soft skills“ der Personalführung. Die fehlten schon im Diplomstudiengang, so dass ein Resümee der Tagung darin besteht, dass im internationalen Vergleich Deutschland den Anschluss in der Ausbildungsqualität verliert – auch schon ohne Bologna-Prozess.
Auch wenn für Agrarstudent Bahsitta das Studium die Praxis nicht trifft, so bieten die Module und der praxisorientierte Bachelor nach Dr. Christen doch gute Möglichkeiten. Die Vielfalt der neuen Studiengänge macht es aber nicht nur den Studenten, sondern auch den Ausbildern schwer, den vorgelegten Abschluss richtig zu bewerten. Doch will er den neuen Abschlüssen die gleiche Entwicklungszeit zugestehen, wie sie auch das Diplomstudium gebraucht hat.

Lesestoff:
Die Veranstalter der Tagung bieten auch viele Möglichkeiten, sich über Aus- und Fortbildung in der Agrarwirtschaft zu informieren:
Andreas-Hermes-Akademie Bonn als zentrale Ausbildungsstätte für die Agrar- und Ernährungswirtschaft: www.andreas-hermes-akademie.de
VDL Berufsverband: www.vdl.de
Berufsverband Landwirtschaftlicher Fachbildung: www.vlf-online.de
Verband der Landwirtschaftskammern: www.landwirtschaftskammern.de

Roland Krieg Foto: Tagungsflyer

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