„Digitalisierung ist ein Chancenthema“

Landwirtschaft

Kommt die Politik beim Farming 4.0 hinterher?

Mit Hilfe der Digitalisierung kann die Landwirtschaft beim Verbraucher verloren gegangenes Terrain zurückholen. Was den Landwirten Kostenersparnis und eine bessere Übersicht bringt, optimiert die Ressourcen und sorgt für umwelt- und tiergerechtigkeit. Der Chip in der Ohrmarke misst als Bewegungssensor über die Ohrbewegungen das Wohlbefinden des Tieres, der Sensor am Gülleschlauch vermeidet die Überdüngung. Für die Landwirte ist das alles nicht mehr fern, wie kürzlich erst eine Studie von bitcom und Deutschen Bauernverband aufzeigte [1].

Am Donnerstag diskutierten Praktiker, Verbände und Politik in Berlin erneut über das Thema und prüften, wer von was profitiert.

Digitale Dividende

Die Digitalisierung bringt über Precision Farming bis zu Abrechnungsmodalitäten dem Landwirt auf jeden Fall eine digitale Dividende auf den Hof. Darüber sind sich Karl-Heinz Krudewig von „365FarmNet“ und Jörg Migende von der BayWa („FarmFacts“) einig. Die beiden Herstellerunabhängigen Farmmanagementsysteme bieten den Landwirten die Zusammenfassung einzelner Datensammlungen für die Auswertung auf Betriebsebene an. Kees de Vries, Milchviehhalter und Bundestagsabgeordneter, sagt aber auch, ab wann es funktioniert: „Es muss so gestaltet sein, dass die Generation das auch versteht.“ Voraussetzung für die Gebrauchsfreundlichkeit bleibt nach wie vor die Ausstattung des ländlichen Raumes mit schnellem Internet. Die Fokussierung auf Gewerbegebiete schließt Landwirte aus, beklagt Dr. Peter Pascher vom Deutschen Bauernverband. Sind die Hindernisse beseitigt, dann sei die „Digitalisierung ein Chancenthema“.

Was bleibt dem Landwirt?

Doch damit ist das Thema nicht zu Ende. Denn Waren und Daten werden den Hof auch verlassen. Heute bringt der Landwirt das Schwein noch immer zum Schlachthof, er verhandelt aber schon mit den Lebensmittelketten über Produktionsanforderungen und Preise. Damit wird sich die Funktion des Landwirts wandeln, selbst wenn die Agrarstruktur gleich bleiben sollte. Lohnunternehmen und Maschinenringe bringen die Digitalisierung auch in den kleinsten Betrieb.

Auf der Eurotier in Hannover wurde die stiefmütterliche Behandlung des Themas Nutztiere in den Farmmanagementsystemen beklagt [2]. Sowohl in der Schweine- als auch in der Geflügelhaltung ist die Produktion weitestgehend vertikalisiert. Im Ackerbau bis auf den Anbau von Kartoffeln und Gemüse noch nicht. Dort bietet die Digitalisierung noch viele Optimierungsansätze – soweit sie nicht als Instrument für die Vertikalisierung der Produktion missbraucht wird. Dann wandelt sich der Landwirt zum „Franchisenehmer“ des Handels.

Das Eigentum an den Daten ist die größte Anforderung der Digitalisierung. Rollen- und Rechtekonzepte sollen den Landwirten einen möglichst großen Nutzen und Eigenständigkeit sichern, betont Krudewig. Immerhin hat die Bundesregierung aus dem Stand heraus zehn Millionen Euro für die Schaffung einer nationalen Plattform für Cloudanwendungen in der aktuell laufenden Haushaltswoche spendiert, berichtete der SPD-Abgeordnete Rainer Spiering.

Dennoch läuft die Politik hinterher. In dieser Woche hat Monsanto das estnische Unternehmen VitaFields gekauft und damit ein Herstellerunabhängiges Farmmanagementsystem vom Markt genommen [3]. Die Zeit für Lösungen drängt.

Lesestoff:

[1] Digitalisierungstrend in der Landwirtschaft: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/digitalisierungstrend-in-der-landwirtschaft.html

[2] Digitalisierung legt den Schwerpunkt auf den Ackerbau: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/digitalisierung-ohne-nutztierhaltung.html

[3] Monsantos Hochzeitsgeschenk für Bayer: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/monsanto-auf-suche-nach-dem-hochzeitsgeschenk.html

Roland Krieg

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