Digitalisierung: Staat gegen Wirtschaft

Landwirtschaft

Satellitendaten in der Landwirtschaft

Am Donnerstag diskutierten Verbände, Vertreter und die Raumfahrt auf der „Sondersitzung AGRAR“ der genius GmbH über Satellitendaten in der Landwirtschaft. Was 1986 mit dem optischen Satelliten SPOT angefangen hat, fliegt mittlerweile mit dem Namen Sentinel um die Erde und kartiert die Oberfläche und Felder mit Spektralkameras und Radiowellen, erklärte Frank Lünsmann von Airbus Defence and Space. Alle drei bis fünf Tage fliegt einer der Weltraumreisenden über Deutschland in zwei Mal drei Minuten und bietet Bilder in einer Auflösung von 10 Zentimetern, ergänzt Dr. Bianca Hörsch von der European Space Agency (ESA). Die Auswertung der Daten verfolgt das Wachstum der Biomasse auf den Feldern und zeigt neben dem Verlauf auch den Gesundheitsstatus an. Die Datenaufbereitung dauert zwischen einem und drei Tagen. Die Auswertung kann also zügig zu Handlungsempfehlungen an die Bauern führen, was sie auf ihren Äckern als nächstes zu tun haben. Dazu werden 12 Terrabyte Daten pro Tag analysiert.

Die Landwirtschaftsmessen zeigen seit Jahren das zunehmende Interesse an der Landwirtschaft 4.0. Mit der Digitalisierung kann die Landwirtschaft mit mehr Effizienz und Wirtschaftlichkeit bei steigender Ökologisierung betrieben werden. Klaus-Peter Willsch (CDU) gehört der 144 Parlamentarier starken interfraktionellen Gruppe Luft- und Raumfahrt an, die es seit 1984 gibt. Im Bereich der Landwirtschaft soll die neue Technologie helfen, mehr Menschen mit der gleichen Fläche zu ernähren. Die Satellitendienste können auch von den Entwicklungsländern genutzt werden. Der Datenpool ist vorhanden – er müsse jetzt genutzt werden.

Kostenfreie Nutzung

Da die Satelliten bereits mit Steuergeldern in den Himmel geschossen wurden, dürfen die Daten kostenfrei genutzt werden. Dass es dabei bleibt, ist gezieltes Ansinnen der Politik, erklärte Rainer Spiering (SPD) und verweist auf den Koalitionsvertrag. Der Bund will eine Cloud für die Daten schaffen, an die sich Landwirte andocken können. Nicht nur sie. Vor allem auch die Unternehmen und Start-ups, die mit den Daten neue Geschäftsfelder ausfüllen können. Ohne freien Zugang hätten sie keine Chance gegen die großen Unternehmen der Agrochemie und der Internetriesen, die sich schon längst für vergleichbare Geschäftsmodelle verbinden und Landwirte in ihre Abhängigkeit drängen können.

Der Datenaustausch ist für Silke Migdall von der „VISTA Geowissenschaftlichen Fernerkundung“ aus Bayern ein Geben und Nehmen. Am Ende muss der Landwirt betriebliche Daten an den Serviceprovider übertragen, der auf dieser Basis Lösungen anbietet. Der Landwirt soll weiterhin die Hoheit über seine Daten behalten. Die Geschäftsmodelle sollten Bauern nicht zu Ausführungsorganen technologischer Fertigkeiten von determiniertem Saatgut und Pflanzensorten degradieren.

Zukunft ungewiss

Diese Sorgfaltsgedanke hat seit Beginn der Diskussion über die Landwirtschaft 4.0 zugenommen und die Politik nimmt das Heft in der Hand. Ob sie allerdings der fürsorgliche Gewinner ist, bleibt offen. Denn die Politik hinkt der Entwicklung in der Agrarindustrie hinterher. Viele Firmen haben bereits 4.0-Zentren gegründet und arbeiten am Smart Farming.

Aber nicht nur die Geschwindigkeit ist ein Problem. Aktuell gibt es noch 270.000 Landwirte mit Betrieben ab einem Hektar Größe. Alleine die Überalterung wird den Strukturwandel beschleunigen und nach einer Studie der Rentenbank bleiben schon 2030 nur noch 134.00 Einzelunternehmen übrig [1]. Und von denen werden nicht alle in die Digitalisierung einsteigen.

Die Zielgruppe der Landwirte bleibt also endlich und wird zudem kleiner. Als Zielgruppe der neuen Technologie müssten sie als Anwender die notwendigen Investitionen refinanzieren. Lohnt sich das Geschäft für die Landwirte? Wenn sich einige Firmen um die abnehmende Zahl von Kunden streiten – wie sicher ist das Interesse, herstellerübergreifende Techniken anzubieten?

Nach Spiering entwickelt sich Claas bereits in Richtung „Fullliner“.  Ein „Fulliner“ bietet innerhalb einer Prozesskette die gesamte Technik von der Maschinenhacke über das Drillgerät bis zur Erntemaschine an. Da gibt es keinen Bedarf, sich mit anderen Landmaschinen-Marken über Schnittstellen abzustimmen. Und wenn der Handel in ein privates Label einsteigt, dass den Kunden den Nachweis über die Gülledüngung vermitteln will, dann nimmt der LEH das Thema mit Vorgaben über Technik und Produktionsweise sicherheitshalber selbst in die Hand. Dann wird die Digitalisierung zum Helfer der Vertikalisierung.

Eine große Aufgabe für die neue Bundesregierung.

Lesestoff:

[1] Hof sucht Bauer: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/hof-sucht-bauer.html

Roland Krieg

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