Diskurs-Symposium zur Waldpolitik
Landwirtschaft
Umweltgerecht Waldnutzung im Diskurs
Nachdem Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) im
Juni 2012 sein aktuelles Umweltgutachten vorgelegt hat, kritisierte die Forstwirtschaft
das Kapitel zur Waldpolitik als „einseitig, widersprüchlich und teilweise
falsch“. Daraus ergab sich ein Diskurs zwischen Umweltgutachtern und
Forstwissenschaftlern über die „richtige Sichtweise“ einer umweltgerechten
Waldnutzung. Der Deutsche Verband Forstlicher Forschungsanstalten (DVFFA) und
der SRU vereinbarten nach einigen öffentlichen Briefwechseln und Treffen ein
Symposium zu vier Kapiteln Biodiversität, Resilienz, Klimaschutz und
Nachhaltigkeit. Jeweils ein Vertreter legte seine Sicht der Dinge dar.
Der Diskurs fand am Donnerstag in der Landesvertretung
Baden-Württemberg in Berlin statt und soll offenbar als Meinungsaustausch auch
später fortgeführt werden. Denn: Es gibt mehr Gemeinsamkeiten als Trennendes.
So wertet auch Prof. Dr. Jörn Erler vom DVFFA das Symposium als
fortwährenden Prozess zur Lösung von Zielkonflikten. Von denen gibt es
reichlich, führte Prof. Dr. Ernst Schulze vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie aus. Von Tourismus,
Naherholung Umweltschutz ist die Holzwirtschaft der einzige Bereich, der den
Waldbesitzer für Pflege und Holzertrag bezahlt.
Sehr ähnliche Sichtweise
Das Kapitel Biodiversität zeigte auf, dass nur die
Perspektiven unterschiedlich sind. Prof. Dr. Manfred Niekisch aus dem SRU und
von der Goethe-Universität Frankfurt wollte dann auch keinen Gegensatz zwischen
Naturschützern und Förstern aufbauen. Was er „umweltgerechte Nutzung in
begrenzten Ressourcen“ bezeichnet, typische Wälder mit standortangepassten
Forsten, benennt Dr. Peter Meyer von der Nordwestdeutschen Forstlichen
Versuchsanstalt als „autochthone und kulturhistorische Lebensgemeinschaft“.
Beide sehen in der Artenvielfalt eine Leistung des intakten Waldes und wollen
auch Schutzstati der Wälder nicht auflösen. Literaturstudien über die
Artenvielfalt im Wald geben nach Prof. Meyer weisen ein Ampelsystem
unterschiedliche Gefährdungskategorien aus. Die einen sehen Arten als gefährdet
an, andere schätzen die Vielfalt als relativ positiv ein und Dritte sehen keine
Bedenken für die Artenvielfalt.
Differenzen entstehen durch unterschiedlichen Fokus.
Die Forstwissenschaften beschäftigen sich mit den Dingen, die im Wald gut
laufen, so Prof. Niekisch, während die Umweltschützer auf die kritischen
Aspekte hinweisen.
Nutzen
Dahinter verbirgt sich der Wandel, den der Wald mit der
Energiewende erfahren hat. Der SRU hat in seinem Gutachten eine
Nutzungsverlängerung vorgeschlagen, um die Natur- und Umweltaspekte in den
Vordergrund zu stellen. Diese Einschränkung verstehen die Waldbesitzer als
Nutzungsverbot. In einer mutigen Analyse legte Prof. Schulze bei einem
Vergleich verschiedener Wirtschafts- und Naturwälder dar, dass durchschnittlich
kaum mehr als 400 Festmeter im Jahr von einem Hektar geerntet werden können.
Selbst die Klosterwälder, die Zeit hatten, sich über Jahrhunderte zu
entwickeln, erreichen keine höheren Erntemengen. Eine Nutzungsverlängerung
würde keine positiven Effekte auf den
Ertrag haben. Auch der Schutz der Buchen habe keine Effekte auf die
Artenvielfalt. Die meisten Baumarten gebe es in jungen Wäldern. Am Ende der
Sukzession überwachse die Buche alles andere und verdunkele über das Laubdach
den Wald für neue Arten. Daher sei die Erhaltung der Artenvielfalt nicht an den
Anteil von Totholz gekoppelt.
Wie schwierig die Bewertung der Bewirtschaftung ist,
legte Prof. Dr. Michael Köhl von der Universität Hamburg dar. Die Verlängerung
der Nutzungsdauer resultiere in einem Nutzungsverzicht. Durch den
Nutzungsverzicht entstehe ein Verzicht der Substitution von Plastikwaren durch
Holz. Außerdem binden wachsende Bäume mehr Kohlenstoff aus der Atmosphäre als alte. Je öfter Wälder jung geerntet
werden, desto mehr junge Bäume binden Kohlenstoff. Es sei denn, das Holz wird
schnell wieder energetisch verwertet, was einer Vergeudung gleich komme,
ergänzte Prof. Dr. Martin Faulstich von der TU Clausthal und SRU-Vorsitzender.
Werteansichten
Dr. Georg Winkel von der Albert-Ludwigs-Universität
Freiburg stellte die unterschiedlichen Werteansichten zusammen. Für den Cluster
Holz ist der Wald ein Teil der Lösung gegen den Klimawandel, während die
Umweltschützer den Wald durch den Klimawandel bedroht sehen. Dort steht die
Produktionsökonomie im Vordergrund, hier Ökologie und Ethik. Trotzdem sieht Dr.
Winkel mehr Gemeinsames. Unterschiede spitzen sich bei Nutzungszeiten,
Erhaltungsmaßnahmen und Baumarten zu. Aber: Diese Themen waren schon vor der Energiewende
strittig.
Prof. Dr. Andreas Bolte vom Thünen-Institut für
Waldökosysteme beschrieb die ökologische Resilienz eines Waldes. Er ist
Widerstandfähig auf Störungen durch sein Adaptionsvermögen. Resilienz ist dabei
das Gegenteil eines Stabilitätsbegriffes, der sich an einem Gleichgewicht
orientiert. Resilienz beschreibt das Leben mit Veränderungen, die ein adaptives
Waldmanagement erfordern. Nach Prof. Bolte sind Begriffe wie
Naturraumbewertung, FFH-Gebiete und räumlich fixierte Schutzgebiete statisch und
überholt. Der Wald in seiner Ganzheit fülle alle seine Funktionen im Wandel
aus. Nach einem Windwurf einer Fichtenschonung sehen Umweltschützer die
Besiedlung mit Laubbäumen als Gewinn an, während der Waldbesitzer und die
Sägeindustrie einen Verlust beklagen. Was dabei zu steuern ist, bleibt unklar.
Denn welche Funktionen der Wald in 50 Jahren erfüllen soll, ist nicht
vorhersehbar und daher auch kaum planbar.
Für die Praxis
Forstwissenschaftler und Umweltrat einigten sich am
Ende fast auf den Matrixwald. Es gebe kein perfektes Waldanbausystem für alle
Leistungen, erklärte Prof. Dr. Sven Wagner von der TU Dresden. Die Matrixwälder
funktionieren nach dem Prinzip der begrenzten Segregation. In einer Waldregion
gibt es „Spezialflächen“, die verschiedene Nutzungsansprüche betonen. Ein Areal
mit intensiverer Holzproduktion, Areale für die Naherholung und welche für den
ungestörten Naturraum. Je größer die Fläche des Matrixwaldes werde, desto
geringer werden die Nutzungskonflikte. Das sei jedoch nur zu realisieren, wenn
es keine flächendeckenden Empfehlungen für den Waldbau gebe. Die Pluralität
verschiedener Ansätze sei durch die verschiedenen Waldgrößen und
Eigentumsverhältnisse in Deutschland gut umzusetzen.
Umweltethiker Prof. Dr. Konrad Ott von der Christian-Albrechts-Universität
zu Kiel hält die Realisierung aller Waldleistungen für wünschenswert. Mit Blick
auf Holzwirtshaft, die ihre Bedürfnisse als einzige entlohnt, schlägt Prof. Ott
ein neues gesamtgesellschaftliches Konzept für die Waldnutzung vor, das nicht
nur die Waldbesitzer schreiben dürften. Darin müssen die Ökosystemleistungen
ebenfalls honoriert werden.
Der Wald ist in seiner Komplexität noch längst nicht
erfasst. Forschungsbedarf besteht über die Biodiversität im Kronenbereich, ob
nicht die Versauerung der Böden den Rückgang der Arten verursacht oder welche
Effekte der überbordende Stickstoffkreislauf auf die Wälder hat.
Daher ist es auch inhaltlich notwendig, dass
Forstwissenschaftler und Umweltschützer weitere Symposien teilen.
Lesestoff:
Wird die Eiche vom Charakter- zum Problembaum?
Roland Krieg