Diskussion zur Bio-Energie

Landwirtschaft

Bioenergie als Entwicklung für den Süden?

Gestern Abend wurde in der Berliner Kalkscheune das Thema Bioenergie kontrovers diskutiert. Auf Einladung von „Eine Welt eine Zukunft“ diskutierten Wissenschaft, Industrie und Zivilgesellschaft über den richtigen Weg der Biomasseproduktion für Strom und Energie.
Als Beispiel diente Brasilien, das auf 12 Prozent seiner Ackerfläche Zuckerrohr für die Ethanolherstellung anbaut. Meist auf Großbetrieben mit mehr als 30.000 Hektar, aber auch mit unabhängigen Kleinbauern, die weniger als 30 Hektar bewirtschaften. Brasilien ist der größte Ethanolexporteur der Welt. Der Biosprit geht zu 80 Prozent in die USA, zum kleineren Teil nach Europa, so gut wie gar nicht nach Deutschland.

Daniel Coelho Barbosa, Berater des Syndikats der Zucker- und Ethanolhersteller im Bundesstaat Paraiba wehrt sich vor allem gegen den Tunnelblick, den viele Europäer auf sein Land haben. Das Syndikat Sindalcool habe bereits früh auch mit Kleinbauern für die Ethanolgewinnung zusammengearbeitet. Mehr als 4.000 Kleinbauern mit etwa 40 Hektar bauen Zuckerrohr an, für den kein Regenwald gefällt werde.

Marcos A. da Costa Melo, Geschäftsführer des Forums für Umwelt und gerechte Entwicklung bestätigt das. Den Zuckerrohranbau mit etwa sechs Millionen Hektar habe Brasilien recht gut im Griff und werde vor allem im Bundesstat Mato Grosso angebaut. Brasilien habe es in der Vergangenheit geschafft, den Hunger zu verringern. Aber die industriellen Agrarstrukturen haben die Menschen in eine neue Armutssituation geführt. Melo verglich das mit der Zunahme von Hartz IV – Empfängern in Deutschland.

Dr. Kirsten Selbmann, Leiterin der Forschungsgruppe „Biofuel as social Fuel“ am Potsdam-Institut für Klimafolgeforschung beschreibt die neuen Städte, die von den neuen Arbeitern bewohnt werden, die aber nur wenig soziale Wirkgeflechte aufweisen. Sie würdigt aber auch die frühen Förderungen seit den 1970er Jahren im Bereich der erneuerbaren Energien, die Brasilien auf den Weg gebracht haben.

Als Musterschüler bezeichnet Dr. Stefan Schmitz, Referatsleiter Ländliche Entwicklung und Welternährung im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Brasilien hat den Übergang zu einem Schwellenland geschafft und „brauche unsere Hilfe nicht mehr“. Wenn die Agrarpreise im Zuge der Biomassenutzung generell ansteigen, dann trete genau das ein, was die Entwicklungspolitiker mit der Inwertsetzung von agrarischen Produkten schon immer gewünscht hätten: Mit den höheren Preisen werde auch mehr in den ländlichen Raum investiert. Davon profitieren auch die Kleinbauern.

Das richtige Maß finden

Einig waren sich alle, dass beim Biomasseanbau das richtige Maß gefunden werden muss. Wenn ackerbauliche Nachhaltigkeit eingehalten wird und die Gewinne den Bauern zugute kommen, dann biete die weltweite Biomasse mehr Chancen als Schaden. Werkzeuge dafür sind Zertifikate.

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Roland Krieg (Text und Fotos)

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