Dringender Handlungsbedarf bei Gewässerrandstreifen

Landwirtschaft

Sinnloser Streit um Gewässerränder

„Die wichtigste Quelle für Stickstoff- und Phosphorbelastungen der Gewässer ist daher heute die Landwirtschaft.“ Ein Satz wie ein Monument. Er stammt aus dem Leitfaden des Informationssystem für die integrierte Pflanzenproduktion. Landwirte kennen die Abkürzung „isip“, weil sie sich von dort Pflanzenschutztippe, Bekämpungsschwellen und regionale Warnhinweise über Schaderreger holen. Autoren der Christian-Albrechts-Universität (CAU) haben dort 2012 einen Praxisleitfaden für Maßnahmen zur Reduzierung von Nährstoffausträgen aus dränierten landwirtschaftlichen Flächen veröffentlicht [1]. Der Leitfaden ist auf Schleswig-Holstein regionalisiert und beschreibt ein Thema, dass sich in seiner Dynamik nur wenig ändert: „Auch wenn durch den Kläranlagenausbau die punktuellen Belastungen verringert werden konnten und damit die Höhe der Nährstoffeinträge rückläufig ist, hat sich der Nährstoffeintrag aus diffusen Quellen nicht wesentlich verändert.“ Damit ist die Landwirtschaft gemeint.

Zahlreiche Maßnahmen

Neben der Düngeverordnung zur Reduzierung von mit Nitrat belasteten Grundwasserkörpern gehört auch die Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes zur Hausaufgabe der Bundesrepublik Deutschland, die Nährstoffeinträge zu reduzieren. Erst mit Vollzug der Änderung ist die Klage gegen Deutschland wegen zu hoher  Nitratwerte endgültig vom Tisch.

Der Praxisleitfaden benennt zahlreiche Möglichkeiten, den Nährstoffeintrag zu minimieren. Dazu gehören die Analyse der Nährstoffgehalte in Wirtschaftsdüngern, die exakte Bestimmung des Spätdüngerbedarfs, verlängerte Sperrfristen mit Erhöhung der Lagerkapazität für Wirtschaftsdünger, Zwischenfruchtanbau und Untersaaten bei Mais sowie auch Uferrandstreifen.

Darin heißt es, dass bezüglich Streifenbreite und Hangneigung eine hohe Wirksamkeit erreicht wird. In ebenem Gelände und bei kleinen Streifen sinkt die Wirksamkeit. Ende Mai gehörte Henning Kade von der CAU zu den Experten im Umweltausschuss des Bundestages, die über die Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes referierten. Der Gesetzentwurf sollte auch Drainagen einbeziehen, die am Nährstoffeintrag in Gewässer mitbeteiligt sind, so Kade. Auf die Wirksamkeit von Gewässerrandstreifen hat auch Professor Lothar Scheuer vom Aggerverband hingewiesen: Zahlreiche Untersuchungen hätten die hohe Wirksamkeit von Gewässerrandstreifen belegt.

Wie schräg ist mein Hang?

Eine Hangneigung bis zu zwei Prozent ist mit bloßem Auge kaum zu erkennen. Außerdem ist die Geländestruktur eines Feldes komplex. So kann ein Acker zwar mehr als fünf Prozent Hangneigung aufweisen, hat aber vor einem Gewässer beispielsweise eine Senke. Zum Gewässer hin steigt der Acker wieder an. Dann macht ein Randstreifen keinen Sinn. Torsten Mertins von der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände befürchtet eine aufwendige Neigungsprüfung des Geländes durch die Wasserbehörden.

Das aber muss nicht sein, wie Stephan Estel von der Zentralstelle der Länder für EDV-gestützte Entscheidungshilfen und Programme im Pflanzenschutz (ZEPP) in Bad Kreuznach im Getreidemagazin 1/2020 ausgeführt hat. In diesem Jahr endet ein Projekt, mit dem die Hangneigung in maschinenlesbare Applikationsdaten übertragen werden können. Es gibt zwar sieben verschiedene Messungen für Höhendaten, doch gerade um den Schwellenwert von zwei Prozent herum, sind Über- und Unterschätzungen der Hangneigung möglich. Flugzeugunterstützte Höhendaten (LIDAR) stehen lediglich in fünf Bundesländern frei zur Verfügung. Nach Abschluss des Projektes können Landwirten ab 2021 auf einen Webservice zugreifen, mit dem sie Applikationsdaten erstellt können. Aus der Summe von Traktor- und Drohnendaten wurde mit einem Algorithmus eine Webapplikation entwickelt, die „für jeden Punkt des Schlages innerhalb eines 100-m-Radius die Hangneigung“ berechnet, erklärte Estel.

Wie wurde im Bundestag debattiert?

Die digitale Landwirtschaft gilt manchmal als Zukunftstechnologie. Wenn es ums Geld geht,  wird sie gerne übersehen. Fünf Meter Randstreifen ab fünf Prozent Hangneigung: Das wurde am Donnerstag im Bundestag beschlossen. „Und wenn es ums Wasser geht, wird es meistens emotional“, sagte Michael Thews von der SPD voraus. Mit Blick auf die Anhörung zu Wochenbeginn unterstrich er, es gehe nicht um Kleinigkeiten. Rückgänge der Nährstoff- und Pflanzenschutzeinträge von mehr als 50 Prozent sind belegt. In manchen Bundesländern gibt es ein Radstreifenprogramm bereits, in manchen werden sie gefördert. Astrid Damerow von der CDU räumt ein, dass es bei der Auslegung des Gesetzes Missverständnisse gibt. Daher betonte sie noch einmal, dass Beweidung und Futternutzung auf dem Gewässerrandstreifen erlaubt sind. Der Streifen kann bei Aufwertung zum Insektenschutz mit Agrarumweltprogrammen kombiniert und Kleingewässer wie Entwässerungsgräben können ausgenommen werden.

Missverständnisse sind aber bei der Opposition weit verbreitet. Karsten Hilse von der AfD und Zwischenrufer Gero Hocker von der FDP bezeichnen den Randstreifen als „Enteignung“. Hilse sieht in dem Gesetz eine Gängelung der Landwirte, steht aber wechselwindig ganz vorne beim Verbot von Glyphosat. „Gero Hocker erkennt Wasser als Lebensgrundlage von uns allen“ an, gibt dem Eigentum jedoch Vorfahrt gegenüber der allgemeinen Gesundheit [2].

Ralph Lenkert (Die Linke) weiß genau um was es geht: Zukünftig verzichten Landwirte auf die Nutzung des Gewässerstreifens. Seine künftige Lösung: „Zwar verlieren sie dadurch Einnahmen, aber ihnen werden Ausgleichszahlungen in Höhe der EU-Flächenprämien garantiert.“ Das sieht der Deutsche Bauernverband (DBV) genauso: „Ertragsausfall sowie die entstehenden Kosten (können) nicht mehr über Förderprogramme honoriert werden“, stellte Steffen Pingen, Leiter des DBV-Fachbereiches Umwelt fest. Der Zahlbetrag muss rauf.

Dafür müsste die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) auf die sich verändernden Erfordernisse angepasst werden. Bettina Hoffmann von Bündnis 90/Die Grünen ist skeptisch, weil dort „veraltete Förderstrukturen“ hinterlegt sind. Ihre Lösung ist die Entflechtung flächenloser Tierhaltungsbetriebe. Die allgemeine Zäsur in der Wirtschaft durch die Pandemie müsste eine Reform der GAP für eine resiliente Landwirtschaft nach sich ziehen.

Lesestoff:

[1] https://www.isip.de/isip/servlet/service/search/isip-de/73040?query=gew%C3%A4sserrandstreifen&region=&global=368&global=304

[2] Die „Enteignung“ ist zweischneidig. Bei Landwirten gilt sie als Speerspitze gegen Regelungen. Der Europäische Gerichtshof hatte im vergangenen Jahr aber einem österreichischen Privatmann die „Enteignung“ seines privaten Brunnens durch zu hohe Nitratwerte zugestanden. Er darf jetzt die Regierung auffordern, den Sauberkeitsgrad seines  Wasser nicht durch Verschmutzung zu enteignen. Verschmutzungen werden vermehrt als Unrecht  in der Rechtsprechung diskutiert. https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/eugh-erlaubt-privatklage-gegen-nitratwerte.html

Roland Krieg

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