Durch die Politik bedingtes Höfesterben
Landwirtschaft
Viele Gründe für die Betriebsaufgabe
Der Strukturwandel in der Landwirtschaft findet schon sehr lange statt. Die Gründe sind nach Hans-Joachim Fuchtel unverändert. Der Parlamenstarische Staatssekretär beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft führte am Mittwoch im Bundestag die zahlreichen Gründe auf, warum Betriebe aufgegeben werden. Die Einkommenslage in der Landwirtschaf ist schlecht, die alternativen Einkommensmöglichkeiten außerhalb des Sektors haben sich gleichzeitig verbessert. Betriebe finden keinen Nachfolger, weil die wirtschaftlichen Perspektiven schlecht sind, etliche, weil der modernen Landwirtschaft die gesellschaftliche Wertschätzung fehlt.
Beispiel Sachsen
Die Zahl der landwirtschaftlichen Einzelunternehmen in Sachsen ist zwischen 1999 und 2016 von 6.849 auf 5.245 Betriebe gesunken, teilt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft Ende Oktober auf eine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen mit. Die Zahl der Personengesellschaften und juristischen Betriebe hingegen ist im gleichen Zeitraum angewachsen. Durch eine Umstellung der statistischen Erfassung sind Nebenerwerbsbetriebe mit weniger als zehn Hektar aus der Zählung herausgefallen.
Dennoch zeigt sich, dass die Wachstumsschwelle in Sachsen anders als in Westdeutschland verläuft. Die Zahl der mit einer Flächenausstattung bis 50 Hektar und Betriebe bis zu 100 Hektar hat zugenommen. Die Zahl der Betriebe zwischen 50 und 100 ha hingegen abgenommen.
Gemeinschaftliche Aufgabe
Im Bundestag nannte Fuchtel den Strukturwandel als gemeinsame Aufgabe von Bund und Länder und Stärkung der Wertschätzung als Ermutigung, den Betrieb weiter zu führen. Daher spielten in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) die beiden Säulen und deren Fortführung nach 2020 eine wichtige Rolle. Die Direktzahlungen seien für die kleinen und mittleren Betriebe lebensnotwendig.
Doch auch, wenn besonders in der Tierhaltung der Strukturwandel fortschreitet, ganz zu beenden sei er nicht, denn er gehe wie in anderen Bereichen auch mit dem Technischen Fortschritt einher. Die Aufgabe der Politik sei die Gestaltung der Rahmenbedingungen für die Landwirte, die Betriebe fortführen oder aufgeben. Die aktuelle GAP hat die mengenbestimmte Förderung in eine flächenbedingte Förderung umgewandelt und sowohl Brüssel als auch Berlin suchen nach Möglichkeiten, die kleinen Betriebe mit wenigen Hektaren besser zu stellen.
Ursache Politk
In der Fragestunde des Bundestages stellte sich allerdings auch die Politik als Ursache für das Höfesterben heraus. Carina Konrad von der FDP führt den tagesaktuellen Streit um Glyphosat an. Nachdem das Bundesumweltministerium am Dienstag einen konkreten Plan für den Ausstieg aus dieser Wirkstoffanwendung formuliert hat, reagierte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner zur Freude des Boulevards „grämig“: „Dabei hilft es auch nicht in der Sache, bereits geregelte Zuständigkeiten wieder einmal in Frage zu stellen. Bereits in den vergangenen fünf Jahren haben wir durch restriktive Vorgaben den Einsatz von Glyphosat um ein Drittel reduziert.“ Die Zielmarke ist im Koalitionsvertrag klar gesetzt. Die Ackerbauenr fragen sich: Was gilt denn jetzt, von wem ausgesprochen? Fuchtel nannte den öffentlichen Diskurs vom Dienstag als „Darstellung von Positionen in ganzer Breite“.
Auch die noch immer offene Frage nach Ende der Hofabgabeklausel aus den 1950er Jahren (Ralph Lenkert, Die Linke) hat noch keinen Abschluss. Die Antwort sei in Bearbeitung und Abstimmung, so Fuchtel.
Ein weiteres Thema ist die Ferkelkastration, bei der Fuchtel die Gesetzesverschiebung erneut begründen musste. Damit erst gebe es den notwendigen Handlungsspielraum, der ursprünglich für die Übergangsfrist gedacht war. Stefan Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen) warf der Bundesregierung politische Verantwortungslosigkeit vor, auch dieses Thema nicht geklärt zu haben. Nachdem die verschiedenen Alternativen in der Vergangeneheit jeweils ihren Hype hatten, befürchtet Konrad jetzt, dass sich die Bundesregierung auf die Lösung mit Isofluran konzentriert und die anderen Wege vernachlässigt.
Dürre und Hilfe
Auch bei der Dürrehilfe läuft nicht alles rund, wenn auch die Bundesregierung hier der falsche Adressat für die Vorwürfe ist. Der Bund hat das Geld überwiesen. Es liegt bei den Ländern vor, so Fuchtel. Doch während in Thürigen und Sachsen-Anhalt die Antragsfrist bereits abgelaufen ist, hat Nordrhein-Westfalen diese zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht eröffnet, in den anderen Bundeländern laufe sie noch. Erst Anfang Dezember liegen genaue Daten vor, wie viele Anträge und Mittel eingereicht und abberufen wurden. Die zum Teil auch in der Fachpresse vorgerechneten Defizite (eine Milliarde Euro gefordert, 340 Millionen bewilligt und 100 Millionen ausgezahlt) stellen kein Endergebnis dar.
Doch wie genau es im nächsten Jahr weiter geht, konnte Fuchtel nicht sagen. Die betrieblichen Risikomanagementmaßnahmen sind begrenzt, die Gewinnglättung wird noch immer in Brüssel notifiziert und Carina Konrad befürchtet vergleichbare ad-hoc-Hilfen auch für 2019.
Das Verhältnis für betriebsentscheidende Fragen und Antworten ist auf politischer Seite unausgeglichen. Die Ausführungen verheißen keine schnellen Klarheiten.
Roland Krieg