ECHA-Urteil zu Glyphosat beruhigt Kritiker nicht

Landwirtschaft

ECHA: Glyphosat ist nicht krebserregend

Das Bundesinstitut für Risikovorsorge (BfR) und die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA haben Kritiker des Pflanzenschutzmittelwirkstoffs Glyphosat nie beruhigen können. Von WHO-Ausschuss in die gleiche krebsgefährdende Kategorie wie Alkohol eingestuft, arbeiten sich die Kritiker an dem Wirkstoff ab, der in den USA und Südamerika im Zusammenhang mit gentechnisch veränderten Kulturpflanzen als Beschleuniger für die Kritik an der Geschäftsmodell-Kombination Saatgut und Pflanzenschutzmittel dient. Zudem wird in Südamerika der Wirkstoff um einiges umfangreicher auf die Felder gebracht.

Vor einem Jahr fand das Europaparlament den Kompromiss, Glyphosat statt wie geplant weitere 15 nur noch sieben Jahre zuzulassen [1]. Nur die Europäische Chemikalienagentur ECHA hatte sich noch nicht positioniert. Kritiker und Anwender warteten nahezu ein ganzes Jahr. Am Mittwoch kam das Risiko-Komitee der ECHA zu dem Schluss, dass die Kriterien nicht ausreichend sind, um den Wirkstoff als organtoxisch, kancerogen, mutagen oder Fruchtbarkeitstoxisch einzustufen. Vor allem erwähnte die ECHA, dass sie vollen Zugang zu den industriellen Studien hatte und diese in die Bewertung einbezog.

Positionen bleiben unverändert

Harald Ebner, Sprecher für Gentechnik- und Bioökonomiepolitik bei Bündnis 90/Die Grünen, sieht in der ECHA-Beurteilung keinen „Freibrief für Glyphosat“. Weil der US-Bundesstaat Kalifornien einen Warnhinweis auf die Wahrscheinlichkeit der Krebserregung hinweisen will, sei die ECHA-Einstufung „unverständlich für alle.“ Ebner kritisiert, dass die ECHA den reinen Wirkstoff und nicht die Formulierung des Pflanzenschutzmittels geprüft habe.

Ursula Lüttmer-Ouazane, Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft Glyphosat (AGG), in der sich die Firmen der Agrarchemie zusammenfinden, sagte dazu: „Das Ergebnis des RAC ist eine weitere Bestätigung der seit Jahrzehnten bekannten Eigenschaften des Wirkstoffs Glyphosat. Es untermauert erneut die früheren Sicherheitsbewertungen von Glyphosat, die bereits von Behörden weltweit durchgeführt wurden. Die wissenschaftlichen Argumente, die für eine erneute Zulassung von Glyphosat sprechen, sind erdrückend.“

Bewegung im BMUB

Doch – eine Position hat sich mit der Veröffentlichung der ECHA-Einschätzung verdeutlicht. „Das BMUB hat letztlich immer gesagt, dass die Frage, ob Glyphosat krebserregend ist, angesichts der widersprüchlichen Gutachten durch die ECHA geklärt werden muss“, sagte eine Sprecherin des Bundesumweltministeriums (BMUB) am Mittwoch. Das Ministerium drängt weiterhin auf eine allgemeine Reduzierung der Pflanzenschutzmittel und will keine gefährlichen Mittel mit negativen Auswirkungen mehr zulassen. Aber speziell zum Wirkstoff Glyphosat, heißt es: „Ich denke, wir belassen es erst einmal dabei. Es ist gut, dass wir jetzt in der Europäischen Union nach dem Vorsorgeprinzip handeln können. Wir haben geklärt, dass der Stoff nicht Krebs erregend ist.“

Der zweite Standard

Damit ist das Thema für die Landwirte jedoch nicht vorbei. Der Lebensmittelhandel hat mit seinen sensiblen Sensoren die Stimmung der Bevölkerung längst aufgenommen. Bei Aldi Süd sollen die Erzeuger für die Eigenmarken nach dem so genannten ALRA-Prinzip verfahren. Die Abkürzung steht für „As Low As Reasonably Achievable“. Seinen Lieferanten hat der Discounter in einem Schreiben „Orientierungswerte“ für Glyphosatrückstände vorgegeben, die deutlich strenger als gesetzlichen Vorgaben sind und behält sich die Einforderung von Endkontrollen bei Frühstückscerealien vor.

Herd-und-Hof.de hat bei Aldi Süd nachgefragt, ob die ECHA-Bewertung zu einem Umdenken bei den zusätzlichen Anforderungen führen wird. Doch wird der Discount bei seiner Linie treu bleiben, strengere Anforderungen an Pestizidrückstände zu stellen und seine „Orientierungs- und Zielwerte entsprechend beibehalten“:

„Wie in unserem Serienbrief erläutert,  besitzt Glyphosat als Totalherbizid gegenüber anderen Pestiziden eine Sonderstellung, da es zum einen universell einsetzbar und zum anderen oftmals in der Wirkweise auf genetisch veränderte Saaten abgestimmt ist, die resistent gegenüber Glyphosat sind. Es ist weltweit seit Jahren der mengenmäßig bedeutendste Inhaltsstoff von Herbiziden. Mögliche gesundheitliche Risiken von Glyphosat sowie die Auswirkungen auf die Umwelt sind stark umstritten, weshalb der Wirkstoff permanent in den Medien vertreten ist.

„Dabei ist nicht nur eine potentielle Krebsgefahr in der Diskussion. Glyphosat steht auch im Verdacht, das Hormonsystem zu beeinflussen und so möglicherweise die Fortpflanzungsfähigkeit zu beeinträchtigen. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass Glyphosat bzw. glyphosathaltige Pestizide Embryonen schädigen und zu Missbildungen führen können. Unabhängig davon sind von der Chemikalie massive negative Einflüsse auf die Artenvielfalt zu erwarten.“

Lesestoff:

https://echa.europa.eu/-/glyphosate-not-classified-as-a-carcinogen-by-echa

[1] Alles halb so wild: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/glyphosat-alles-halb-so-wild.html

[2] Mengen-, Behandlungs- und Darstellungsproblem beim Bier: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/glyphosat-ohne-ende-4271.html

Roland Krieg

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